Prof. Dr. Rainer von Kiparski †
2.1 Mechanische Gefährdungen
An Werkzeugmaschinen bestehen hohe mechanische Gefährdungen durch Einklemmen, Quetschen und Erfasstwerden aufgrund
- der teilweise hohen Geschwindigkeiten von Spindeln und
- hoher Kräfte von Achsbewegungen (z. B. bei automatischen Werkzeugwechslern).
Die Hersteller sind gehalten, diese Gefährdungen durch ein Sicherheitskonzept mit darauf abgestimmten technischen Schutzmaßnahmen ausreichend zu minimieren. Das wird z. B. durch eine Auswahl von trennenden und nicht trennenden Schutzeinrichtungen (Hardware) erreicht, die z. T. über eine sicherheitsgerichtete Maschinensteuerung (Software) gesteuert werden.
Unfallgeschehen
Es kommt immer wieder zu schweren Unfällen an Werkzeugmaschinen, wenn vorhandene Schutzeinrichtungen beim Betrieb nicht funktionsfähig sind, sei es durch Fehlfunktionen (Herstellerverantwortung) oder aber – wesentlich häufiger – durch Manipulation von Schutzeinrichtungen (Betreiberverantwortung).
2.2 Sonderfall: Schutzscheiben an Werkzeugmaschinen
In Werkzeugmaschinen werden technologisch bedingt häufig Kühlschmierstoffe (KSS) eingesetzt. Außerdem werden zum Reinigen von Werkzeugmaschinen auch häufig Lösemittel verwendet. Bei älteren Werkzeugmaschinen besteht das Schutzscheibenmaterial von beweglichen trennenden Schutzeinrichtungen zuweilen noch aus Plexi- oder Acrylglas. Diese Materialien neigen nach einer gewissen Einwirkdauer von KSS oder lösemittelhaltigen Reinigungsmitteln zum Verspröden und sind dann in ihrem Rückhaltevermögen stark eingeschränkt. Untersuchungen ergaben, dass nach einer Verwendungsdauer von 5 Jahren das Rückhaltevermögen um bis zu 70 % vermindert sein kann.
Daher sollte im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden, ob Schutzscheiben ggf. rechtzeitig gegen moderne Polycarbonatscheiben ausgewechselt werden müssen.
2.3 Einrichtbetrieb
Im Einrichtbetrieb besteht die Möglichkeit, Werkzeugmaschinen ohne trennende bzw. nicht trennende Schutzeinrichtungen zu betreiben. Der Einrichter bzw. der Bediener ist in dieser Betriebsart nicht gegen wegfliegende Werkstücke bzw. Werkzeuge geschützt. Daher sind in dieser Betriebsart die zulässigen Geschwindigkeiten (Drehzahlen, Vorschübe, etc.) normgemäß stark vermindert und der Betreiber muss alle notwendigen Bewegungen über eine Befehlseinrichtung mit selbsttätiger Rückstellung auslösen ("Totmannschaltung").
Außerdem sind dazu noch zusätzliche organisatorische Maßnahmen bzw. Festlegungen durch den Betreiber zu treffen (u. a. zur Qualifikation des Bedienpersonals).
Für das Arbeiten mit Pressen enthält z. B. Kap. 2.3 Abschn. 3.5 DGUV-R 100-500 exakte Vorgaben, welche organisatorischen Maßnahmen für den Einrichtbetrieb umzusetzen sind.
2.4 Altmaschinenbestand
Ältere Werkzeugmaschinen, die vor Inkrafttreten der Maschinen-Richtlinie erstmalig rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind (also vor 1995 bzw. 1993), verfügen i. d. R. nicht über die heute üblichen technischen Sicherheitsvorkehrungen. An Drehmaschinen fehlen z. B. häufig trennende Schutzeinrichtungen wie Schiebetüren und Spannfutterschutzhauben.
Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung nach § 3 BetrSichV sollten die Betreiber solcher Maschinen prüfen, ob zumindest die Mindestvorschriften an Arbeitsmittel erfüllt sind oder ggf. durch zusätzliche Schutzmaßnahmen erkannte Gefährdungen minimiert werden müssen.
2.5 Brand- und Explosionsschutz an Werkzeugmaschinen
Beim Einsatz von modernen Werkzeugmaschinen zeichnen sich 2 Trends deutlich ab:
- vermehrter Einsatz von niedrigviskosen brennbaren Kühlschmierstoffen (KSS) bei sehr hohen Drücken und
- immer höhere Vorschub- und Schnittgeschwindigkeiten.
Dadurch erhöht sich das Brandrisiko innerhalb von Werkzeugmaschinen erheblich. Ziel einer Gefährdungsbeurteilung muss es daher sein, durch geeignete technische Schutzmaßnahmen das Brand- und ggf. auch das Explosionsrisiko an Werkzeugmaschinen so niedrig wie möglich zu halten.