Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Zusammenfassung
Das empfundene Raumklima setzt sich aus den Komponenten Lufttemperatur, Luftfeuchte, Oberflächentemperatur umgebender Körper und Flächen sowie Luftbewegungen zusammen, die einander bedingen und beeinflussen. Außerdem empfinden Menschen raumklimatische Gegebenheiten individuell höchst unterschiedlich. Auch die jeweilige Arbeitssituation und die Frage, ob bestimmte klimatische Bedingungen tätigkeitsspezifisch oder betriebstechnisch vorgegeben sind, spielt bei deren Beurteilung eine wesentliche Rolle. Das macht es im betrieblichen Alltag oft sehr schwer, für ein soweit wie möglich allgemein zufriedenstellendes Raumklima zu sorgen bzw. Klimaprobleme zu analysieren und zu beheben. Das allerdings ist durchaus wichtig, weil ein als unangenehm empfundenes Raumklima die Arbeitszufriedenheit erheblich senkt und gesundheitliche Belastungen auslösen kann.
Grundlegend ist die Arbeitsstättenverordnung. Sie enthält allgemeine Hinweise auf die Schutzpflicht des Arbeitgebers (§ 3a), zur gesundheitlich zuträglichen Raumtemperatur in Arbeitsräumen und Aufenthalts- und Sanitärbereichen (Anhang 3.5) und zu natürlicher und künstlicher Lüftung (Anhang 3.6).
Die Angaben zu Raumtemperaturen werden in den zugehörigen Arbeitsstättenregeln ASR A3.5 "Raumtemperaturen" und ASR A3.6 "Lüftung" konkretisiert.
Damit ist allerdings nur ein grober Rahmen vorgegeben, in dem viele der in der Praxis auftretenden Probleme nicht völlig geklärt werden können. Branchenspezifisch sind dazu div. berufsgenossenschaftliche Dokumente hilfreich (z. B. DGUV-I 215-510 "Beurteilung des Raumklimas"). Für Detailfragen muss auf das umfangreiche Normenwerk zurückgegriffen werden, das z. B. bei der Auslegung und Steuerung von Raumlufttechnischen Anlagen (RLT) zugrunde gelegt wird.
1 Lufttemperatur
Nach ASR A3.5 ist Lufttemperatur die Temperatur der den Menschen umgebenden Luft ohne die Einwirkung von Wärmestrahlung und Luftfeuchte. Die Raumtemperatur umfasst demgegenüber auch die Wärmestrahlung umgebender Flächen. Werden weitere Größen wie die Luftfeuchte einbezogen, spricht man von Klimasummenmaßen, die zwar u. U. besonders aussagefähig sind, aber größeren messtechnischen Aufwand bedeuten.
Die ASR A3.5 bezieht ihre Aussagen im Wesentlichen auf die Lufttemperatur – ein sehr praxisnaher Ansatz, weil
- im Alltag gängige Temperaturangaben sich auch darauf beziehen,
- sie sich einfach bestimmen lässt und
- sie für die Vielzahl klimatisch "normaler" Arbeitsplätze ausreichend zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen ist.
Allerdings wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass unter klimatisch besonderen Bedingungen (hohe Luftfeuchte, Wärmestrahlung, Luftgeschwindigkeit) gesonderte Analysen stattfinden müssen (Abschn. 4.1 Abs. 4 ASR A3.5).
Das gilt auch für Arbeitsräume bzw. Tätigkeiten mit erheblichen betrieblich bedingten Belastungen, z. B. durch Wärmlasten (Maschinen, heiße Materialien), aber auch andere belastende Einflüsse (Geruch, besondere Bekleidung usw.).
Die ASR A3.5 enthält Temperaturangaben und Maßnahmenvorschläge für die in Tab. 1 aufgeführten Fälle.
Überwiegende Körperhaltung |
Arbeitsschwere |
|
leicht |
mittel |
schwer |
Sitzen |
+20 ºC |
+19 ºC |
– |
Stehen, Gehen |
+19 ºC |
+17 ºC |
+12 ºC |
Tab. 1: Mindestlufttemperaturen in Arbeitsräumen in Abhängigkeit von der ausgeübten Tätigkeit
Bei Abweichungen sind zunächst ergänzende technische Maßnahmen (z. B. Zusatzheizungen, Heizmatten) vor organisatorischen (z. B. Vorwärmphasen) und persönlichen Maßnahmen (Bekleidung) zu ergreifen. In anderen Aufenthalts- und Sanitärbereichen muss eine Temperatur von 21 ºC während der Nutzungsdauer gegeben sein (in Duschen 24 ºC).
1.1 Maximallufttemperaturen in Arbeitsräumen bei Außentemperaturen von unter 26 ºC
Die Maximallufttemperaturen in Arbeitsräumen bei Außentemperaturen von unter 26 ºC sollen 26 ºC nicht überschreiten. Wenn eine solche Überschreitung durch Sonneneinstrahlung ausgelöst wird, sind an den entsprechenden Bauteilen (Fenstern, Fassaden, Oberlichtern) geeignete, effektive Sonnenschutzeinrichtungen erforderlich (z. B. Verschattung außen, in der Verglasung angeordnete oder innenliegende reflektierende Rollos o. Ä., Sonnenschutzverglasungen).
1.2 Lufttemperaturen in Arbeitsräumen bei Außentemperaturen von über 26 ºC
Lufttemperaturen innen über 26 ºC
Nach ASR A3.5 wird das als eine Belastung eingestuft, die in Einzelfällen zu einer Gesundheitsgefährdung führen könnte, z. B. bei schwerer körperlicher Arbeit, besonderer Arbeits- oder Schutzbekleidung oder bei besonders Schutzbedürftigen (Jungendliche, Ältere, Schwangere, Menschen mit Vorerkrankungen). Daher sollte der Arbeitgeber (über den bereits erwähnten effektiven Sonnenschutz hinaus) geeignete Maßnahmen ergreifen. Vorgeschlagen werden (Tabelle 4 in Abschn. 4.4 ASR A3.5):
- effektive Steuerung des Sonnenschutzes (z. B. Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen halten),
- effektive Steuerung der Lüftungseinrichtungen (z. B. Nachtauskühlung),
- Reduzierung der inneren thermischen Lasten (z. B. elektrische Geräte nur bei Bedarf betreiben),
- Lüftung in den frühen Morgenstunden,
- Nutzung von Gleitzeitregelungen zur Arbeitszeitverlagerung,
- Lockerung der Bekleidungsregelungen,
- Festlegung z...