Resilient durch die Corona-Krise
Die Haufe Redaktion sprach mit Diplom-Psychologin Julia Scharnhorst, selbstständige Unternehmensberaterin im betrieblichen Gesundheitsmanagement, über Resilienz und Herausforderungen in der Corona-Krise vor allem auch im Homeoffice, aber auch über den persönlichen Umgang mit dieser Krise.
Resilienz: Bedeutung und Verhaltensweisen
Haufe Online Redaktion: Frau Scharnhorst, Sie haben sich auf den Schwerpunkt Psychische Gesundheit und Resilienz am Arbeitsplatz spezialisiert. Was bedeutet Resilienz und was zeichnet resiliente Menschen aus?
Julia Scharnhorst: Unter dem Begriff Resilienz versteht man die psychische Widerstandskraft gegenüber Krisen und Dauerstress. Manche Menschen leiden sehr stark in schwierigen Situationen, können kaum aktiv werden und tragen vielleicht sogar dauerhafte Beeinträchtigungen davon. Andere Menschen bewältigen Krisen gut und gehen möglicherweise gestärkt daraus hervor.
Zur Resilienz gehören verschiedene Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen. Zu den wichtigsten Faktoren, die die Psyche schützen können, zählen soziale Unterstützung und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Aber auch das aktive Bewältigen von Problemen und positive Emotionen helfen gut durch Krisen. Wichtig ist dabei das Gefühl, ein gewisses Maß an Kontrolle über die Umgebung zu haben und sich nicht hilflos ausgeliefert zu fühlen.
Resilienz und ihre Wirkung
Haufe Online Redaktion: Wie kann Resilienz auf die Gesundheit und das Wohlbefinden wirken?
Julia Scharnhorst: Menschen mit ausgeprägter Resilienz sind sowohl psychisch als auch körperlich gesünder, sie haben im Durchschnitt weniger Beschwerden. Selbst nach psychischen (z. B. Depressionen oder Ängste) oder körperlichen Erkrankungen erholen sie sich schneller wieder. Auch sind resiliente Personen zufriedener mit ihrer Arbeit und ihrem gesamten Leben.
Resilienz während der Corona-Krise
Haufe Online Redaktion: Was sehen Sie als größte Herausforderung, um in der Corona-Krise trotzdem resilient zu sein?
Julia Scharnhorst: Die Corona-Krise verlangt den meisten Menschen hohe psychische Leistungen der Anpassung ab. Im Lockdown mussten wir auf vertraute Strukturen und Abläufe verzichten und stattdessen ganz andere Wege finden, um im Alltag funktionieren zu können. Sowohl das Privatleben, als auch der berufliche Bereich mussten bei den meisten Menschen komplett neu organisiert werden. Dann wurde ein "zurück zur Normalität" ausgerufen, um im Winter 2021/2022 wieder mit starken Einschränkungen konfrontiert zu werden. Und ein Ende der Pandemie ist nach wie vor nicht in Sicht.
Dazu kommen bei vielen starke Gefühle der Unsicherheit und Ängste: „Werde ich von der Krankheit betroffen sein? Oder meine Familie oder Freunde? Wie wird sich die Corona-Krise auf meinen Job und meine finanzielle Sicherheit auswirken?“ Bei vielen Menschen, z. B. Selbstständigen, geht es ja wirklich um die finanzielle Existenz.
Mit dieser andauernden Ungewissheit leben zu müssen ist sehr belastend. Inzwischen haben etliche Menschen eine Corona-Erkrankung in der Familie oder im Freundeskreis erleben müssen, medizinisches Personal ist vom gehäuften Umgang mit schwer Kranken und vielen Todesfällen oft regelrecht traumatisiert. Um diese psychischen Belastungen zu verarbeiten, wird es in vielen Fällen noch eine längere Zeit brauchen. Studien zeigen bereits, dass jede neue Welle belastender empfunden wird als die vorherige.
Wir wissen nicht, wie die langfristigen Folgen der Krise aussehen werden. Auch das verunsichert und die nötigen Einschränkungen rauben uns gleichzeitig die Möglichkeiten zum Ausgleich und zur aktiven Problembewältigung.
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Resilienz im Homeoffice
Haufe Online Redaktion: Viele Arbeitnehmer arbeiten mittlerweile (wieder) im Homeoffice. Was gibt es speziell im Homeoffice zu beachten?
Julia Scharnhorst: Die Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice hat für viele Mitarbeitenden ganz neue und ungewohnte Probleme mit sich gebracht. Die gewohnten Routinen und Strukturen fielen weg, auch der enge Kontakt mit dem Team und den Vorgesetzten. In der eigenen Wohnung hat man dann entweder mit dem Alleinsein zu kämpfen oder muss das Zusammenleben und Arbeiten der ganzen Familie unter einem Dach bestmöglich arrangieren. Das führt dazu, dass die Bedürfnisse nach Nähe und Distanz oder Ruhe und Bewegung nicht mehr gut ausbalanciert werden können, auch das Bedürfnis nach Autonomie und Kontrolle ist eingeschränkt.
Wichtig ist es daher, sich gut abzusprechen – sowohl mit der Familie als auch mit der Firma. In der Wohnung sollten alle ihren eigenen Rückzugsbereich haben und Zeiten der Ruhe und Aktivität, Rückzug und Gemeinsamkeit sollten den Bedürfnissen aller gerecht werden.
Der Arbeitsplatz sollte möglichst in einem Raum eingerichtet werden, bei dem man die Tür schließen kann und abends sollte der Schreibtisch zumindest abgedeckt werden, damit Arbeit und Freizeit nicht ineinander verschwimmen. Sorgen Sie für geregelte Strukturen im Tagesablauf, aber nützen Sie auch die Freiheiten, z. B. später aufzustehen oder eine längere Mittagspause zu machen.
Manche Arbeiten lassen sich von zuhause aus nicht ganz so produktiv erledigen. Gerade bei Aufgaben, die viel Absprache und Kommunikation mit anderen erfordern, kann die Leistung geringer ausfallen. Seien Sie also nachsichtig mit sich und senken die zu hohe Erwartungen an sich selbst, schließlich handelt es sich um eine Ausnahmesituation. Auch das Organisieren und Improvisieren ist Arbeit!
Resilienz fördern
Haufe Online Redaktion: Wie können Unternehmen und Führungskräfte die Resilienz bei Mitarbeitenden fördern?
Julia Scharnhorst: Gerade in dieser Zeit sollten Teams untereinander und Vorgesetzte und Mitarbeitende besonders engmaschig kommunizieren. So können Führungskräfte besser herausfinden, welche Unterstützung ihre Mitarbeitenden brauchen und die so wichtigen sozialen Kontakte bleiben erhalten. Die Aufgaben und Ziele müssen jetzt besonders gut geklärt werden, damit nicht aneinander vorbei gearbeitet wird. Nehmen Sie den Mitarbeitern möglichst viel Druck und Stress. Aufgabe des Unternehmens und der Führungskräfte ist es jetzt, Sicherheit zu vermitteln und Ängste zu nehmen.
Sinnvoll ist es, bei der Rückkehr zu normaleren Arbeitsweisen den Umgang mit der Corona-Krise sowohl im gesamten Unternehmen und in den einzelnen Teams zu besprechen und zu analysieren. Was hat gut geklappt? Was hätte man besser machen können? Wie könnte man sich effektiver auf mögliche Krisen vorbereiten? Was für Krisen könnten auf das Team noch zukommen?
Führungskräfte sollten jetzt auch ihre eigenen Gefühle zeigen, das macht es den Mitarbeitenden leichter, mit den eigenen Sorgen und Unsicherheiten fertig zu werden. Auch das Vermitteln von gemeinsamen Werten hilft, die Perspektive zu wahren und sich um die wirklich wesentlichen Dinge zu kümmern.
Persönlicher Umgang mit der Corona-Krise
Haufe Online Redaktion: Haben Sie 3 Tipps zum persönlichen Umgang mit der Corona-Krise?
Julia Scharnhorst:
- Bleiben Sie gelassen! Es hilft nichts, sich jetzt Gedanken und Sorgen um die Zukunft zu machen, wenn wir noch gar nicht wissen können, was die nächste Woche bringen wird.
- Nützen Sie die Krise als Lernchance, entdecken Sie Ihre Stärken und Fähigkeiten, lernen Sie Neues!
- Denken Sie positiv! Es wird sich auch Gutes aus den schweren Zeiten entwickeln.
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