Was man über die Schichtsysteme wissen muss


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Schichtarbeit: Was man über die Schichtsysteme wissen muss

Schichtarbeit erfordert eine Anpassung an unregelmäßige Arbeitszeiten und stellt hohe Anforderungen an die Gesundheit der Beschäftigten. Verschiedene Schichtsysteme und gesetzliche Regelungen zielen darauf ab, die Balance zwischen betrieblichem Bedarf und dem Wohl der 17 Millionen Schichtarbeiter in Deutschland zu wahren.

Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht – das ist der stressige Arbeitszyklus für rund 15 % der Beschäftigten in Deutschland. Schichtarbeit hat sich mittlerweile in vielen Branchen zumindest teilweise durchgesetzt. Sie wird vor allem in der Industrie und im Gesundheitswesen eingesetzt, wenn rund um die Uhr eine Produktionsstätte betrieben oder die Versorgung von Patienten in einer Klinik oder in einem Pflegeheim sichergestellt werden muss. Wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, kann aber jedes Unternehmen zumindest vorübergehend Schichtarbeit anordnen. Die fällt unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Gewerbeordnung.

Was ist Schichtarbeit?

Für Schichtarbeit gibt es allerdings keine einheitliche Definition. Im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wird zwischen Nachtarbeit (jede Arbeit über zwei Stunden während der Nacht) und Schichtarbeit begrifflich unterschieden. Umgangssprachlich wird bei der Nachtarbeit meistens auch von einer Nachtschicht gesprochen – auch wenn sie nicht in jedem Fall eine Nachtschicht im eigentlichen Sinne ist.

Grundsätzlich meint Schichtarbeit eine Abweichung von der Normalarbeitszeit, die von Montag bis Freitag tagsüber immer zur selben Zeit verrichtet wird. Sie

  • zeichnet sich u. a. durch Arbeit entgegen dem natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus aus,
  • wird zu wechselnden Zeiten durchgeführt (insbesondere Früh-, Spät-, und Nachtschicht) und
  • findet oft zu sozial nachteiligen Zeiten statt, z. B. am Abend, an Wochenenden oder Feiertagen, während denen alle anderen Beschäftigten frei haben und ihre Zeit mit Familie und Freunden verbringen können.

Allein schon aufgrund dieser Voraussetzungen stellt Schichtarbeit eine besondere Belastung für viele Beschäftigte dar.

Welche Schichtarbeitsmodelle gibt es?

Die Normalzeit einer Schicht beträgt acht Stunden. Gesetzlich zulässig ist eine Schichtdauer von maximal zehn Stunden, es gibt unter bestimmten Bedingungen aber Ausnahmen von dieser Regelung (siehe unten).

Die bekanntesten und mit Abstand häufigsten Schichtsysteme sind das 2-Schichtsystem, 3-Schichtsystem, 4-Schichtsystem und 5-Schichtsystem. Während man unter den Begriffen 2-Schichtsystem (Früh- und Spätschicht, keine Nachtschicht) und 3-Schichtsystem (Früh-, Spät- und Nachtschicht) die Anzahl der Arbeitsschichten versteht, meint die Bezeichnung der 4- und 5-Schichtsysteme die Anzahl der für die Schichtarbeit eingesetzten Schichtgruppen. Denn auch bei den 4- und 5-Schichtsystemen wird grundsätzlich in drei Arbeitsschichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht, dazu oft noch Zwischenschichten) gearbeitet.

Darüber hinaus gibt es „extreme“ Schichtmodelle wie das 24-Stunden-Schichtsystem, das vor allem im Pflegebereich oder im Rettungswesen angewendet wird, aber auch dort aus gesundheitlichen Gründen umstritten ist. Es ist gesetzlich dennoch erlaubt, wenn auf die Schicht fünf freie Tage für die Beschäftigten folgen.

Welche Schichtarbeit ist die gesündeste?

Jedes dieser Modelle hat seine eigenen Vor- und Nachteile und sollte nach den jeweiligen betrieblichen Anforderungen gewählt werden. Grundsätzlich ist ein vorwärts wechselndes Schichtsystem (Früh-Spät-Nacht) aus gesundheitlichen Gründen vorzuziehen, weil es dem natürlichen 24-Stunden-Rhythmus des menschlichen Körpers („Biorhythmus“) entgegenkommt.

Im Wechsel von Nachtschicht auf Frühschicht sollten zwei anstatt nur ein freier Tag als Überbrückungsruhezeit vorgesehen werden, damit das Schlafdefizit vollständig ausgeglichen werden kann.

Bei einem 24-Stunden-Schichtbetrieb über sieben Tage ist die Belastung für die Schichtarbeiter umso geringer, je mehr Schichtgruppen eingesetzt werden. In manchen großen Betrieben werden teilweise sogar mehr als fünf Schichtgruppen eingesetzt (zum Beispiel Siebenschicht-System). Insgesamt wird ein Schichtmodell mit fünf und mehr Schichtgruppen als arbeitnehmerfreundlicher bewertet, weil

  • die Schichtrotation kürzer ist als bei anderen Systemen,
  • die Freizeitblöcke oft länger sind und
  • die freien Tage für die Beschäftigten besser plan- und vorhersehbar sind.

Welche Ruhezeiten müssen zwischen zwei Schichten eingehalten werden?

Zwischen dem Ende der einen und dem Beginn der folgenden Schicht muss eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden liegen. Manche Schichtfolgen sind daher verboten, wie etwa der Rückwärtswechsel von Spät- auf Frühschicht oder von Nacht- auf Spätschicht. Denn hier fehlt das Minimum von elf Stunden Ruhezeit, das nach § 5 ArbZG nach Beendigung der Arbeitszeit vorgeschrieben ist.

Was ist das Schichtarbeiter-Syndrom?

Unter dem Schichtarbeiter-Syndrom versteht man eine Störung des zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus (umgangssprachlich: Biorhythmus), die vor allem bei Schichtarbeitern auftritt. Sie verursacht eine Qualitätsminderung des Schlafes, so dass der Erholungswert sowie die körperliche und geistige Regeneration darunter leiden.

Aufgrund der dadurch bedingten niedrigeren Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit ist das Unfallrisiko während der Arbeit unter Umständen erhöht. Durch das Schichtarbeiter-Syndrom können außerdem Erkrankungen wie Depressionen, Krebs, Diabetes oder Adipositas (Vermehrung des Fettgewebes im Körper) ausgelöst werden.

Was ist ein rollierendes Schichtsystem?

Rollierend bezeichnet ein Schichtmodell, bei dem Schichten und freie Tage sich nach einem festgelegten Zyklus abwechseln. Dabei wird das vorwärts rollierende System vom rückwärts rollierenden System unterschieden:

Beim vorwärts rollierenden Schichtsystem kommt es zu der für die Schichtarbeit besonders typischen Reihenfolge Frühschicht-Spätschicht-Nachtschicht. Somit werden die Startuhrzeiten bei jedem Wechsel weiter nach vorne (d.h. später am Tag) verschoben, bis der Zyklus wieder bei der Frühschicht von Neuem beginnt.

Beim rückwärts rollierenden Schichtsystem ist die Reihenfolge hingegen Nachtschicht-Spätschicht-Frühschicht. Somit werden bei jedem Wechsel in der Schichtfolge die Startuhrzeiten der Schichten nach hinten (d. h. früher am Tag) verschoben. Dieses Schichtsystem gilt aber als gesundheitlich sehr problematisch und ist daher in Deutschland nicht zulässig.

Was man als Arbeitgeber bei Schichtarbeit beachten muss

  • Die werktägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht überschreiten. Eine Verlängerung auf zehn oder sogar zwölf Stunden ist unter der Bedingung möglich, dass im Halbjahresdurchschnitt acht Stunden pro Werktag nicht überschritten werden. Bei Nachtschichtarbeitern ist dieser Durchschnitt innerhalb eines Monats zu erreichen. Der Samstag zählt dabei nicht als Werktag.
  • Bei Arbeitszeiten zwischen sechs und neun Stunden sind mindestens 30 Minuten Pause erforderlich (am Stück oder im Rahmen von zwei 15-Minuten-Pausen), bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden sind es 45 Minuten.
  • Zwischen dem Ende der einen und dem Beginn der folgenden Schicht muss eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden liegen.
  • Die Sonn- und Feiertagsruhe erstreckt sich grundsätzlich auf die Zeit zwischen 0 und 24 Uhr am jeweiligen Tag. Für mehrschichtige Betriebe mit regelmäßiger Nachtschicht kann allerdings der Beginn der 24-stündigen Ruhezeit um bis zu sechs Stunden vor- oder zurückverlegt werden.
  • Mindestens 15 Sonntage im Jahr müssen beschäftigungsfrei bleiben. Bei Beschäftigung an einem Sonn- oder Feiertag muss ein Ersatzruhetag gewährt werden. Bei Sonntagsarbeit beträgt der Zeitraum hierfür zwei Wochen unter Einschluss des Tages der Beschäftigung, bei Feiertagsarbeit entsprechend acht Wochen.
  • Grundsätzlich sind die Sonn- bzw.- Feiertagsruhe oder der Ersatzruhetag sowie die elfstündige Ruhezeit miteinander zu verbinden. Hieraus ergibt sich eine zusammenhängende arbeitsfreie Zeit von 35 Stunden, die nur unterschritten werden darf, soweit dem technische oder organisatorische Gründe entgegenstehen.
  • Sofern in zwei Schichten gearbeitet wird, kann aufgrund gesetzlicher Vorgaben zur Höchstarbeitszeit keine Nachtschicht stattfinden.
  • Ein Rund-um-die-Uhr-Betrieb im Dreischichtmodus ist durch nur drei Schichtgruppen bereits aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht möglich. Unternehmen sollten daher mit mindestens vier Schichtgruppen arbeiten, da nur dadurch die gesetzlich geregelten Arbeitszeiten pro Woche eingehalten werden können.
  • Verboten sind der Rückwärtswechsel von Spät- auf Frühschicht und von Nacht- auf Spätschicht. Denn hierbei kann das gesetzlich geforderte Minimum von elf Stunden Ruhezeit nicht erreicht werden.
  • Die Nachtschicht erhält nach Beendigung der Schicht in der Regel mindestens einen freien Tag zur Erholung. Laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24.05.2023, 10 AZR 423/20) muss jeder Beschäftigte über den freien Tag/die freien Tage nach einer Nachtschicht hinaus zusätzlich eine Freischicht für je 25 geleistete Nachtschichten als Kompensation für die Belastungen durch den Schichtwechsel erhalten.
  • Arbeitsmedizinisch besonders wichtig: Nachtarbeitnehmer (hierzu zählen auch Beschäftigte, die jahrelang auch im Nachtschichtbetrieb arbeiteten) sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.
  • Jugendliche unter 18 Jahren dürfen grundsätzlich nicht im Schichtbetrieb arbeiten. Für sie gilt allgemein die Fünf-Tage-Woche. Die gesetzliche Nachtruhe beginnt für sie um 20 Uhr und endet um 6 Uhr. Zu den weniger Ausnahmen zählen eine Ausbildung oder eine berufliche Tätigkeit in Bäckereien oder der Gastronomie. Aber auch in diesen Gewerben/Branchen dürfen Jugendliche nicht in Schichten arbeiten, die ins Wochenende reichen. Ab 16 Jahren dürfen sie grundsätzlich um 5 Uhr, ab 17 Jahren bereits um 4 Uhr morgens mit der Arbeit beginnen. Pro Tag steht ihnen eine Pause von einer Stunde zu.
  • Werdende und stillende Mütter dürfen ebenfalls grundsätzlich nicht zwischen 20 Uhr und 6 Uhr beschäftigt werden. Spät- und Nachtschichten kommen für sie also nur teilweise bzw. gar nicht in Frage. Zudem gelten besondere Pausenregelungen.
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Schlagworte zum Thema:  Arbeitsschutz, Arbeitszeitmodell, Schichtarbeit