Biodiversität fördern: Was Unternehmen konkret tun können
Die „Erklärung von Kunming“, von 200 Staaten im Oktober 2021 in der chinesischen Stadt gleichen Namens verabschiedet, brachte die Brisanz des Themas auf den Punkt: Rund eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Für den Erhalt der globalen Biodiversität sollten sich auch die Wirtschaftsunternehmen mit ihren riesigen Ressourcen und ihrem großen Einfluss auf Medien und Öffentlichkeit engagieren. Denn ihre Hilfe wäre nicht bloß philanthropisch. Unternehmen profitieren auch rein betriebswirtschaftlich betrachtet von der Biodiversität unseres Planeten.
Wie die Wirtschaft profitiert
Dies gilt insbesondere für die Nahrungsmittelindustrie. Beispiel: die Wild- und Honigbienen. Fehlen sie, wird insbesondere die Produktion von Obst und Gemüse gefährdet und die Bienen müssen mit einem großen finanziellen und personellen Aufwand ersetzt werden. So wie in den vergangenen Jahren in der chinesischen Provinz Sichuan, der Obstkammer des Landes. Dort wurden die Insekten infolge des Pestizideinsatzes in den vergangenen Jahren fast vollkommen ausgerottet. Seitdem werden Landarbeiter als „Ersatzbestäuber“ eingesetzt.
Ein Arbeiter benötigt dabei ein Gramm Pollen, um einen Baum zu bestäuben. Am Tag schafft es jeder Arbeiter etwa dreißig Obstbäume auf den Plantagen zu bestäuben. Zum Vergleich: Während ein Bienenvolk pro Tag bis zu 300 Millionen Blüten bestäuben kann, bräuchte man für dieselbe Arbeitsleistung mehr als 1.500 Personen – was selbst in China zu viel mehr Arbeitskosten führt. Die Leistungen der Biene für die Plantagen werden als ökosystemare Dienstleistungen bezeichnet.
Teil der Unternehmensphilosophie
Viele Unternehmen sollten also, siehe das Bienen-Beispiel aus China, durchaus großes Interesse daran haben, Biodiversität durch ihre Unternehmenspolitik zu schützen. Zumindest theoretisch besitzt auch ein großer Teil von ihnen die Ressourcen, um den Biodiversitätsschutz effektiv in ihr betriebliches Managementsystem zu integrieren. Voraussetzung hierfür ist aber erst einmal, die Schutzziele zum integralen Bestandteil der Unternehmensphilosophie zu machen – also zu einem Unternehmensziel.
Die Bereitschaft zu handeln, hat in den Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene in den vergangenen zehn Jahren immerhin schon deutlich zugenommen. Dass immer mehr Unternehmen ihre Verantwortung für den Erhalt der Biodiversität wahrnehmen wollen, zeigt sich unter anderem an der Initiative „Biodiversity in Good Company“. Diese Plattform wurde 2008 von Unternehmen und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) ins Leben gerufen. Der branchenübergreifenden Initiative gehören kleine, mittlere und große Unternehmen an – vor allem aus Deutschland, aber auch darüber hinaus. Sie haben sich dazu verpflichtet, den Schutz der Biodiversität in ihre Nachhaltigkeitsstrategie und das betriebliche Management zu integrieren.
Naturnahe Firmengelände
Es reichen oft schon kleine Maßnahmen aus, um große positive Wirkung zu entfalten. Vor allem das eigene Firmengelände kann so für die Natur umgestaltet werden, dass es sowohl der Natur als auch den Beschäftigten und der Mitarbeitergesundheit große Vorteile bringt. Diese Maßnahmen reichen von der Anlage von Insektenhotels und Bienenkörben bis hin zur Begrünung von Dächern und Teilen des Firmengeländes. Eine besonders wichtige Rolle für den Natur- und Artenschutz können Firmengelände als „grüne Korridore“ spielen, durch die Tiere und Pflanzen sich durch Siedlungsräume ausbreiten können. Denn aus der Sicht von Tieren und Pflanzen mit begrenztem Aktionsradius kann ein versiegeltes Firmengelände zu einem unüberwindbaren Hindernis werden. Ein ökologisches Gesamtkonzept kann Brücken schaffen, um Tieren durch geschickt angelegte Grünflächen die Durchquerung zu ermöglichen.
Anlage von Pilotflächen
Wie sollen diese Flächen aber konkret aussehen? Das Bundesamt für Naturschutz rät Unternehmen Folgendes:
- Flächen dauerhaft oder temporär gestalten: Die Bandbreite reicht hier von Blühflächen, die einige Jahre halten, bis hin zu dauerhaft haltbaren Ansaaten oder Pflanzungen. In der Umsetzung unterscheiden sich die Varianten vor allem in der Vorbereitung des Bodens vor der Ansaat oder Anpflanzung, aber auch in den Kosten, da dauerhaft angelegte Flächen zunächst teurer sind.
- Soviel Pflege ist notwendig: Der Vorteil vieler naturnaher Gestaltungsansätze liegt in einer geringeren Pflegeintensität (extensive Pflege). Daher wird zum Einstieg eine Gestaltung empfohlen, die nur wenig Pflege bedarf – zum Beispiel eine Blühfläche, die nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden muss.
- Fertig-Blühmischungen vermeiden: Eine Gestaltung mit sogenannten „Fertig-Blühmischungen“, die nicht aus zertifiziert ökologischen Quellen stammen, sollte vermieden werden. Solche Blühmischungen können ökologisch problematisch sein, weil sie in der Regel nur ein Jahr halten. Anschließend besteht die Gefahr, dass auf der Fläche verstärkt Unkraut gedeiht, was dann in den Folgejahren Probleme bereitet.
Menschen profitieren: Siemens in Indien
Wie sehr auch Menschen (Mitarbeitende und Anwohner) von naturnahen Firmengeländen profitieren, zeigt ein Siemens-Standort in Indien. Auf dem 68.000 qm großen Firmengelände in Naroda pflegen schon seit Jahren viele Mitarbeiter mit großem Engagement die 11.000 qm Grünflächen des Geländes.
In der standorteigenen Gärtnerei ziehen Beschäftigte in ihrer Freizeit die meisten der rund 8.000 Bäume und Sträucher heran. Überzählige Exemplare werden einmal wöchentlich an Anwohner aus der weiteren Nachbarschaft abgegeben. So wirkt das Engagement der Beschäftigten über den Standort hinaus, das Bewusstsein von Mitarbeitenden und den in der Region lebenden Menschen für den Natur- und Biodiversitätsschutz wird gefördert. Auf dem Gelände finden sich bereits mehr als 60 Baumarten, die wiederum zahlreichen Insekten, Vögeln und kleinen Säugetieren Lebensraum bieten. Die Grünflächen verhindern zudem, in dieser Region besonders wichtig, die Austrocknung des Bodens am Standort und in der unmittelbaren Nachbarschaft
Vor allem aber: Die vielen Bäume wirken sich positiv auf das Mikroklima und die Attraktivität des Standortes aus. Die Beschäftigten suchen in ihren Pausen bevorzugt die Grünflächen auf, sie genießen im heißen tropischen Klima den Schatten der Bäume und die besonders gute Luftqualität. Daher ist es sicher kein Zufall, dass sowohl die Krankmeldungen als auch die Mitarbeiter-Fluktuation seit der Anlage der Gartenflächen weiter nachgelassen haben. Ein Indiz dafür, dass sich der betriebliche Naturschutz und der Einsatz für die Grünflächen auch auf die Mitarbeitergesundheit und -bindung positiv auswirkt – insbesondere auch in Zeiten des Klimawandels, in denen auch bei uns in Mitteleuropa mit teilweise tropischen Temperaturen zu rechnen ist.
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