Steuerhinterzieher haften gemäß § 71 AO wie folgt:
Tatbestand |
Rechtsfolge |
- Haftender Personenkreis: Steuerhinterzieher (Steuerschuldner)
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Haftung des Steuerhinterziehers |
- Steuerhinterziehung (§ 370 AO)/Steuerhehlerei (§ 374 AO)
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Umfang der Haftung: Die Haftung ist persönlich und unbeschränkt; sie erstreckt sich auf die hinterzogenen Steuern und die zugehörigen Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) sowie auf zu Unrecht gewährte Steuervorteile. |
Begeht der Geschäftsführer als Einzeltäter (§ 25 Abs. 1 StGB; unmittelbar oder mittelbar) oder als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB; z.; B. bei gemeinschaftlicher Tatbegehung mehrerer Geschäftsführer) zugunsten der von ihm vertretenen Gesellschaft eine vorsätzliche Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder eine vorsätzliche Steuerhehlerei (§ 374 AO) oder nimmt er daran in Form der Anstiftung (§ 26 StGB; z.; B. durch den Rat, steuerpflichtige Einnahmen nicht zu erklären) oder Beihilfe (§ 27 StGB; z.; B. durch Mithilfe beim Anfertigen einer bewusst unvollständigen Steuererklärung), teil, so haftet er gem. § 71 AO für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Die Haftung nach § 71 AO kann gleichzeitig neben der Haftung nach § 69 AO bestehen. Zu beachten ist, dass der Steuerschuldner – die vertretene Gesellschaft – selbst als Haftender nicht in Betracht kommt, weil "Haften" das "Einstehen müssen" für eine fremde Schuld bedeutet. Die Haftung nach § 71 AO setzt lediglich die Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestandes der §§ 370, 374 AO voraus, nicht eine Verurteilung zu einer bestimmten Strafe. Sämtliche Voraussetzungen der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit oder Schuld müssen aber vorliegen. Nicht nur die Schuldform des Vorsatzes, sondern auch die Schuldfähigkeit der Haftungsperson muss gegeben sein (BFH vom 15. 01. 2013 BStBl II 2013, 526). Das Finanzamt ist an die strafrichterliche Bewertung der Tat nicht gebunden (AEAO zu § 71). Eine Strafbefreiung wegen wirksamer Selbstanzeige (§ 371 AO) lässt die Haftung nach § 71 AO unberührt. Unerheblich ist auch, ob der Täter zum eigenen Vorteil gehandelt hat.
Nach der BFH-Rechtsprechung hat die Vorschrift ebenso wie § 69 AO ausschließlich Schadensersatzcharakter. Die Haftung nach § 71 AO ist demnach keine zusätzliche Sanktion für steuerunehrliches Verhalten; sie soll vielmehr allein den durch die Hinterziehung verursachten Vermögensschaden des Fiskus ausgleichen. Hinsichtlich der Feststellung des Schadensumfangs unterscheidet sich § 71 AO nicht von § 69 AO. So gilt auch hier z.; B. bei der USt der Grundsatz der anteiligen Tilgung.
Bezüglich des Haftungsumfangs ergibt sich: Die Haftung umfasst die hinterzogenen Steuern einschließlich der ggfs. aufgrund einer falschen Erklärung zu niedrig festgesetzten Vorauszahlungen (BFH vom 15. 04. 1997 BStBl II 1997, 600) und die dazugehörigen Hinterziehungszinsen (§ 235 AO), ebenso die "zu Unrecht gewährten Steuervorteile" (§ 370 Abs. 1 letzter HS AO). Als Folge der Akzessorietät der Haftung ergibt sich, dass die Haftung nur auf den ermäßigten Steuerbetrag geht, wenn die hinterzogene Steuer (vgl. "Kompensationsverbot", § 370 Abs. 4 Satz 3 AO) aus anderen Gründen zu ermäßigen ist. Das strafrechtliche Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO gilt also nicht!
Weitere Hinweise: Bei der nach § 191 AO vorzunehmenden Ermessensbetätigung gibt es nach BFH eine "Vorprägung des Ermessens". Es ist regelmäßig ermessensgemäß, den Steuerhinterzieher in Haftung zu nehmen. Es kann aber u.; U. ohne eigene Ermittlungen (z.; B. Betriebsprüfung, Fahndung) die durch ein rechtskräftiges strafgerichtliches Urteil festgestellten Tatsachen übernehmen, wenn die Haftungsperson keine substantiierten Einwendungen gegen diese Feststellungen erhebt. Unter solchen Umständen liegt dann kein Verstoß gegen die eigene Ermittlungspflicht vor (§ 88 AO; BFH vom 23. 04. 2014, VII R 41/12, DStRE 2014, 1143).
Bei der Haftung nach § 71 AO greift eine verlängerte Verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 191 Abs. 3 Satz 2 AO). Außerdem kann der Haftungsbescheid selbst dann noch ergehen, wenn hinsichtlich des Steueranspruchs Festsetzungs- oder Zahlungsverjährung eingetreten ist (§ 191 Abs. 5 Satz 2 AO). Der Grundsatz der Akzessorietät ist somit für den Täter – nicht aber den Teilnehmer an einer Steuerhinterziehung – eingeschränkt. Des Weiteren kommt es gem. § 219 Satz 2 AO zu einer Einschränkung des Grundsatzes der Subsidiarität für den Täter, nicht aber für den Teilnehmer: der nach § 71 AO Haftende kann unmittelbar auf Zahlung in Anspruch genommen werden (§ 219 Satz 2 AO).
Bei der Haftung für Umsatzsteuer kann es bei Scheingeschäften wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug für den einen Unternehmer und der Steuerschuld aus dem Ausweis der Steuer in einer Schein-Rechnung für den anderen Unternehmer zu einer Haftung für den anderen Unternehmer gem. § 71 AO kommen, obwohl bei "globaler Betrachtung" für den Fiskus letztlich wirtschaftlich kein Schaden ei...