A. Überblick
I. Gegenstand der Regelung
Rn. 1
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
§ 46 GmbHG regelt den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung. Nach diesem Zuständigkeitskatalog unterliegen der Beschlusskompetenz:
- die Feststellung des JA sowie die Ergebnisverwendung (Nr. 1),
- die Entscheidung über die Offenlegung eines EA nach internationalen RL-Standards sowie die Billigung des aufgestellten Abschusses (Nr. 1a),
- die Billigung eines aufgestellten KA (Nr. 1b),
- die Einforderung von Einlagen (Nr. 2),
- die Rückzahlung von Nachschüssen (Nr. 3),
- die Teilung, Zusammenlegung und Einziehung von Geschäftsanteilen (Nr. 4),
- die Bestellung, Abberufung und Entlassung von Geschäftsführern (Nr. 5),
- die Maßregelung zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung (Nr. 6),
- die Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten für den gesamten Geschäftsbetrieb (Nr. 7),
- die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Gesellschafter und Geschäftsführer sowie die Entscheidung über die Prozessvertretung in gerichtlichen Verfahren gegen Geschäftsführer (Nr. 8).
Rn. 2
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die in § 46 GmbHG aufgezählten Kompetenzbereiche sind nicht abschließend (vgl. BeckOK-GmbHG (2023), § 46, Rn. 127ff.; MünchKomm. GmbHG (2023), § 46, Rn. 2). So enthalten bspw. die §§ 53ff. GmbHG bezüglich der Kompetenz der Gesellschafterversammlung weitere Befugnisse, etwa die Zuständigkeit für Satzungsänderungen und/oder sämtliche Kap.-Maßnahmen. Auch das UmwG (vgl. mitunter § 50 UmwG) enthält Kompetenzzuweisungen für die Gesellschafterversammlung (vgl. im Einzelnen BeckOK-GmbHG (2023), § 46, Rn. 129). Im Übrigen ist die GmbH oberstes Organ der Gesellschaft und kann kraft ihrer Allzuständigkeit, Weisungen erteilen sowie Angelegenheiten an sich ziehen (vgl. BeckOK-GmbHG (2023), § 46, Rn. 131ff.).
Rn. 3
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Der in § 46 GmbHG aufgeführte Katalog ist dispositiv. Daher kann der Gesellschaftsvertrag sowohl die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung erweitern als auch einschränken (vgl. MünchKomm. GmbHG (2023), § 46, Rn. 8ff.). Eine völlige Übertragung sämtlicher Kompetenzen an andere Organe oder die völlige Entmachtung der Geschäftsführung sind indes ausgeschlossen (vgl. BeckOK-GmbHG (2023), § 46, Rn. 5).
II. Entstehungsgeschichte
Rn. 4
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Seit Inkrafttreten des GmbHG am 10.05.1892 ist der Gesetzestext bezüglich Nr. 3, Nr. 5 bis Nr. 8 unverändert geblieben. Nr. 1 wurde durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) vom 19.12.1985 (BGBl. I 1985, S. 2355ff.) angepasst. Infolge des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG) vom 04.12.2006 (BGBl. I 2006, S. 3155ff.) wurden Nr. 1a und Nr. 1b eingefügt. Nr. 2 und Nr. 4 wurden schließlich durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 01.11.2008 (BGBl. I 2008, S. 2026ff.) modifiziert.
B. Zuständigkeitskatalog
I. Feststellung des Jahresabschlusses und Ergebnisverwendung (Nr. 1)
Rn. 5
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Der JA besteht gemäß der §§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 aus der Bilanz, der GuV und dem Anhang (vgl. HdR-E, GmbHG § 42a, Rn. 9). Der Lagebericht gehört per definitionem nicht zum JA. Endgültig und für die Gesellschaft verbindlich ist der JA (und in seiner Folge der Lagebericht) erst dann, wenn er durch das hierfür zuständige Organ ("die Gesellschafter" bzw. bei abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelung eine andere Stelle; vgl. HdR-E, GmbHG § 42a, Rn. 23) festgestellt, d. h. verabschiedet worden ist (vgl. BeckOK-GmbHG (2023), § 46, Rn. 10; MünchKomm. GmbHG (2023), § 46, Rn. 21). Vor seiner Feststellung enthält der aufgestellte JA eine verbindliche Erklärung nur insofern, als die Geschäftsführer hierdurch gegenüber der Gesellschafterversammlung (bzw. einem AR) Rechnung legen. Im Übrigen hat der Abschluss bloßen Entwurfscharakter (vgl. HdR-E, AktG § 172, Rn. 4). Er kann durch die Geschäftsführer oder die Gesellschafterversammlung geändert oder ergänzt werden. Hierbei ist jedoch § 316 Abs. 3 (Nachtragsprüfung) zu beachten (vgl. HdR-E, GmbHG § 42a, Rn. 61ff.), falls der Entwurf bereits Gegenstand einer AP war. Änderungen durch die Gesellschafterversammlung (vgl. HdR-E, GmbHG § 42a, Rn. 63) unterliegen nach § 42a Abs. 2 Satz 3 GmbHG ebenfalls den Grundsätzen der §§ 242ff. und 264ff. (vgl. HdR-E, GmbHG § 42a, Rn. 58ff.).
Rn. 6
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Soweit im Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung getroffen wurde, erfolgt die Beschlussfassung über die Feststellung des JA mit einfacher Mehrheit (vgl. BeckOK-GmbHG (2023), § 46, Rn. 13; MünchKomm. GmbHG (2023), § 46, Rn. 29). Zur Frage der Zuweisung der Zuständigkeit an ein anderes Organ vgl. HdR-E, GmbHG § 42a, Rn. 23.
Rn. 7
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Soweit eine Feststellung des JA nicht oder nicht zeitgerecht ermöglicht wird, kann jeder Gesellschafter die Beschlussfassung erzwingen (vgl. Baumbach/Hueck (2022), § 46 GmbHG, Rn. 12; BeckOK-GmbHG (2023), § 46, Rn. 14; Bork/Oepen, ZGR 2002, S. 241 (283); MünchKomm. GmbHG (2023), § 46, Rn. 25; Raiser, ZHR 1989, S. 1 (34); Zöllner, ZGR 1988, S. 392 (416f.)). Umstritten ist, ob das Gericht i. R.e. Rechtstreits gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen im Hinblick auf einen...