Dr. Karl Petersen, Prof. Dr. Christian Zwirner
Rn. 23
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
§ 17 Abs. 1 Nr. 1 PublG sanktioniert die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse des UN (zum Täterkreis vgl. HdR-E, PublG §§ 17–21a, Rn. 15ff.) im JA (vgl. § 5 Abs. 1, 2 und 2a PublG) oder Lagebericht (vgl. § 5 Abs. 2 PublG). Im Gegensatz zu der korrespondierenden Regelung in § 331 erfolgt in dieser Vorschrift keine Erwähnung der Eröffnungsbilanz, so dass bei deren Unrichtigkeit keine strafrechtlichen Ahndungsmöglichkeiten aufgrund von § 17 Abs. 1 Nr. 1 PublG bestehen (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 331 HGB, Rn. 61). Dies ist darauf zurückzuführen, dass infolge der Regelungen des PublG die RL-Pflicht vielfach erst für das dritte Jahr – beim dreifachen Überschreiten von mindestens zwei der drei definierten Größenmerkmale – eintritt, so dass die Eröffnungsbilanz bei verpflichtender Anwendung des PublG zeitlich bereits entsprechend weit zurückliegt (vgl. Bonner-HdR (2017), § 17 PublG, Rn. 4; Beck Bil-Komm. (2022), § 331 HGB, Rn. 61).
Rn. 24
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Der Begriff der Verhältnisse des UN bezeichnet grds. zunächst einen sehr weiten Tatbestand, der alle – wegen der Einbeziehung des Lageberichts auch voraussichtlich zukünftigen – wirtschaftlichen, sozialen und politischen Tatsachen, Daten und Vorgänge umfasst, die für die Beurteilung der Situation des betreffenden UN von Bedeutung sind (vgl. Heymann (2020), § 331 HGB, Rn. 31; ebenso Beck Bil-Komm. (2022), § 331 HGB, Rn. 16; Haufe HGB-Komm. (2021), § 331, Rn. 42ff.). Die Bestimmung des Tatbestands erfordert eine restriktive Auslegung des Begriffs, so dass nur diejenigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umstände einschlägig sind, die sich auf die Beurteilung des UN sowie die Einschätzung seiner wirtschaftlichen Lage und zukünftigen Entwicklung auswirken (vgl. Heymann (2020), § 331 HGB, Rn. 32; Beck Bil-Komm. (2022), § 331 HGB, Rn. 17; mit für § 331 einschlägigen Beispielen HdR-E, HGB § 331, Rn. 7, m. w. N.).
Rn. 25
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Eine unrichtige Wiedergabe ist immer dann gegeben, wenn die Darstellung im JA oder Lagebericht nicht mit der wirklichen Sachlage übereinstimmt (vgl. HdR-E, HGB § 331, Rn. 8ff.). Entscheidend ist nicht die Einschätzung des Agierenden, sondern allein die objektiv bestehende Sachlage (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 331 HGB, Rn. 11; Haufe HGB-Komm. (2021), § 331, Rn. 34). Ersteres ist erst bei der Schuldfrage zu berücksichtigen. Es ist unerheblich für die Strafbarkeit, ob durch die unrichtige Wiedergabe ein besseres oder ein schlechteres Bild des UN entsteht. Eine unrichtige Wiedergabe kann sich einerseits auf Tatsachen beziehen. Diese sind dann unrichtig, wenn sie so wiedergegeben werden, dass sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Andererseits können auch Schlussfolgerungen, Bewertungen und Beurteilungen unrichtig wiedergegeben werden (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 331 HGB, Rn. 11). Hier muss indes ein Beurteilungsspielraum bestehen. Bei diesen drei Kategorien muss die Unrichtigkeit evident sein, d. h., sie muss von einem Fachmann nicht vertretbar sein (vgl. Scholz-GmbHG (2021), § 82, Rn. 68f.). Maßgebend für ihre Richtigkeit ist der Maßstab der GoB sowie der Vorschriften des Bilanzrechts (vgl. HdR-E, HGB § 331, Rn. 8; Haufe HGB-Komm. (2021), § 331, Rn. 36). Ebenfalls unrichtig dargestellt sind die Verhältnisse des UN durch das Verschweigen von Pflichtangaben (Tatbegehung durch Unterlassen; vgl. § 13 StGB); denn aus dem Fehlen bestimmter Bilanzposten kann bspw. auf ihre Irrelevanz geschlossen werden (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 331 HGB, Rn. 14).
Rn. 26
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Eine Verschleierung der Verhältnisse des UN ist immer dann gegeben, wenn die Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse so erfolgt, dass sie zwar ggf. fachlich nicht zu beanstanden ist, aber ohne intensive fachkundige Auseinandersetzung für den Betrachter die Gefahr besteht, dass er ein unzutreffendes Urteil über die Lage des UN trifft (vgl. HdR-E, HGB § 331, Rn. 11f.; Haufe HGB-Komm. (2021), § 331, Rn. 41). In Abgrenzung zur unrichtigen Darstellung ist dann von einer Verschleierung auszugehen, wenn ein sachkundiger Dritter erst bei intensiver Beschäftigung mit den gegebenen Informationen zu einem anderen Bild hinsichtlich der wahren Lage des UN kommen kann.
Rn. 27
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Gemäß § 5 Abs. 2 PublG sind die gesetzlichen Vertreter von UN, die nicht in der Rechtsform eines Einzelkaufmanns oder einer PersG geführt werden, i. R.d. einzelgesellschaftlichen RL zur Aufstellung eines Anhangs sowie eines Lageberichts verpflichtet. Die Pflicht zur Konzern-RL nach PublG umfasst stets die Erstellung eines Konzernanhangs als Bestandteil des KA. Sofern der JA einen Anhang umfasst, unterliegen auch darin enthaltene unrichtige Darstellungen oder Verschleierungen § 17 Abs. 1 Nr. 1 PublG ebenso wie das Weglassen bedeutsamer Angaben (vgl. HdR-E, HGB § 331, Rn. 13).
Rn. 27a
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
UN, die nach sinngemäßer Anwendung des § 264d als kap.-marktorientiert zu qualifizie...