Rn. 40
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Eine Gewinnverteilung an die Gesellschafter ist nach § 29 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz) GmbHG ausgeschlossen, soweit diese "durch Beschluß nach Absatz 2" über das Jahresergebnis verfügt haben. Damit ist klargestellt, dass ein Anspruch auf den Jahresüberschuss nur i. R.d. von der Gesellschafterversammlung grds. mit einfacher Mehrheit zu fassenden Ergebnisverwendungsbeschlusses besteht. Die Ausschüttung des Jahresüberschusses ist also betragsmäßig begrenzt durch eine von den Gesellschaftern beschlossene Ergebnisthesaurierung. Gleiches gilt – im Fall einer Bilanzaufstellung nach teilweiser Ergebnisverwendung (vgl. § 268 Abs. 1) – für den Bilanzgewinn (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 GmbHG).
Rn. 41
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Ein förmlicher Ergebnisverwendungsbeschluss (vgl. § 46 Nr. 1 GmbHG), zumindest aber eine verbindliche Festlegung der Gesellschafter über die Verwendung des Jahresergebnisses muss stets erfolgen (vgl. auch § 42a Abs. 2 Satz 1 GmbHG: "haben [...] über die Ergebnisverwendung zu beschließen" sowie HdR-E, GmbHG § 42a, Rn. 43ff.). Der Beschluss über die Verwendung bzw. Verteilung des Gewinns ist Voraussetzung für das Fälligwerden des vorher nur aufschiebend bedingten Ausschüttungsanspruchs der Gesellschafter (vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 6). Er muss auch dann erfolgen, wenn für die Gesellschaft ein uneingeschränktes Vollausschüttungsgebot gilt (in erster Linie denkbar bei sog. Altgesellschaften; vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 57ff.) und daher für eine materielle Entscheidung über die Gewinnverwendung kein Raum ist. Der Gesellschaftsvertrag kann gemäß § 45 Abs. 1 GmbHG von dem Erfordernis der förmlichen Entscheidung durch Beschluss befreien (vgl. HdR-E, GmbHG § 42a, Rn. 48a). Ist die Gesellschaft zur vollständigen Ergebnisabführung verpflichtet, gibt es zur Gewinnverwendung ohnehin nichts zu beschließen (vgl. Lutter/Hommelhoff (2023), § 29 GmbHG, Rn. 10), und § 29 GmbHG erlangt keine Bedeutung.
Rn. 42
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Die Vorschrift des § 29 Abs. 2 GmbHG stellte eine wesentliche Neuerung gegenüber der Rechtslage vor 1987 dar. Die Gesellschafter werden gesetzlich ermächtigt, durch einfachen Mehrheitsbeschluss Beträge des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 130ff.; HdR-E, GmbHG § 42, Rn. 12) einzustellen oder auf neue Rechnung vorzutragen (Gewinnvortrag; vgl. HdR-E, HGB § 266, Rn. 114; HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 11). Mit Inkrafttreten des Abs. 2 (diese Vorschrift findet auf Altgesellschaften lediglich infolge einer Satzungsänderung gemäß § 7 Abs. 2 GmbHÄndG Anwendung; vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 57ff., 62) ist die Streitfrage nach altem Recht, ob eine Rücklagenbildung unter gewissen Voraussetzungen auch ohne entsprechende Satzungsbestimmung zulässig ist (vgl. Baumbach/Hueck (1985), § 29 GmbHG, Rn. 17, m. w. N.), obsolet geworden (vgl. für den Fall der Beibehaltung des § 29 Abs. 1 GmbHG 1980 durch die Satzung HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 60). Die Ermächtigung der Gesellschaftermehrheit zur Beschlussfassung über die Gewinnthesaurierung kann im Hinblick auf den Minderheitenschutz problematisch werden. Sie unterliegt allerdings gewissen gesellschaftsrechtlichen Grenzen (vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 53ff.).
Rn. 43
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die Beschlussermächtigung des § 29 Abs. 2 GmbHG ist dispositiv. Sie kann daher in vielfacher Hinsicht modifiziert, eingeschränkt oder an besondere Voraussetzungen geknüpft werden (vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 44ff.). Denkbar ist auch, die Kompetenz zur Gewinnthesaurierung auf ein anderes Organ oder einen Dritten zu übertragen (vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 38). Zulässig ist schließlich, die Anwendung des Abs. 2 durch die Satzung gänzlich auszuschließen und statutarisch eine Vollausschüttung anzuordnen (vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 53).