Thomas Richter, Thomas Richter
Rn. 61
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
§ 35 AO bestimmt, dass derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters hat, "soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann." Der Treuhänder als Verfügungsberechtigter im eigenen Namen wird also dem gesetzlichen Vertreter natürlicher oder juristischer Personen gleichgestellt, der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO "deren steuerliche Pflichten" zu erfüllen hat. Der Treugeber wird allerdings durch die Bestellung des Treuhänders von diesen Pflichten nicht befreit. Er allein ist Steuerpflichtiger, der Treuhänder kann lediglich unter bestimmten Voraussetzungen für die Steuerschulden des Treugebers haftbar gemacht werden (vgl. § 69 AO).
Vermögensverwalter, die nicht Eigentümer des Vermögens oder gesetzliche Vertreter des Eigentümers sind (z. B. Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter, Testamentsvollstrecker, gerichtlich bestellte Liquidatoren), werden durch § 34 Abs. 3 AO im Hinblick auf die Verpflichtung zur Erfüllung steuerlicher Pflichten den gesetzlichen Vertretern natürlicher oder juristischer Personen gleichgestellt, "soweit ihre Verwaltung reicht."
Der Treuhänder ist nach § 159 Abs. 1 Satz 1 AO verpflichtet, das Bestehen eines Treuhandverhältnisses auch dadurch nachzuweisen, dass er den Finanzbehörden auf Verlangen den Treugeber benennt. Es genügt also nicht, dass er seine Treuhänderschaft überhaupt nachweist; er muss – selbst in den Fällen, in denen es der eigentliche Zweck des Treuhandverhältnisses ist, dass der Treugeber nicht nach außen in Erscheinung tritt – außerdem den wirtschaftlichen Eigentümer benennen. Anderenfalls ist das Treugut dem Treuhänder "regelmäßig" zur Besteuerung zuzurechnen. Regelmäßig bedeutet hier, dass die Finanzbehörde nur in Ausnahmefällen – wenn z. B. der Treuhänder aus triftigen Gründen den Treugeber nicht preisgeben will – von der Zurechnung beim Treuhänder absehen kann (vgl. Beck AO-Komm. (2022), § 159, Rn. 17). Die Besteuerung beim Treuhänder, falls er zwar das Treuhandverhältnis nachweist, aber den Treugeber nicht nennt, stellt sicher, dass das Treugut und seine Erträge nicht steuerfrei bleiben, sondern überhaupt zur Besteuerung herangezogen werden. Aus der Vorschrift des § 159 Abs. 1 AO kann aber nicht gefolgert werden, dass je nachdem, ob der Treuhänder den Treugeber benennt oder nicht, die Besteuerung gezielt entweder auf den Treugeber oder den Treuhänder verlagert werden kann. Ein solches Wahlrecht kann es schon deshalb nicht geben, weil nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO das Treuhandvermögen stets dem Treugeber zuzurechnen ist.