Prof. Dr. Jens Poll, Ingrid Kalisch
Rn. 62
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Bei einer Einkaufskommission erwirbt ein Kreditinstitut (vgl. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 KWG) bzw. Wertpapierinstitut (vgl. § 2 Abs. 1 WpIG) gemäß § 383 Abs. 1 die Aktien in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten). Die Aktien werden an das Kredit- bzw. Wertpapierinstitut, den Kommissionär, übereignet. Es handelt sich um einen Fall des Durchgangserwerbs, weil die Aktien, die auf Rechnung des Kommittenten erworben worden sind, alsbald an diesen weitergegeben werden sollen (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 17). Die vorsorgliche Beschaffung eigener Aktien in Erwartung künftiger Kommissionsverträge ist dabei nicht durch § 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG gedeckt (vgl. KK-AktG (2011), § 71, Rn. 223; MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 185).
Rn. 63
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Fraglich ist, ob die Ausführung einer Einkaufskommission durch Selbsteintritt (vgl. §§ 400ff.) unter die Ausnahme des § 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG fällt (vgl. dies befürwortend MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 185, m. w. N.). Da es sich bei § 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG um einen Ausnahmetatbestand zu einem grds. bestehenden Erwerbsverbot handelt, ist bei einer erweiternden Auslegung bzw. analogen Anwendung Zurückhaltung geboten. Bei einer Einkaufskommission wird die Frage des Selbsteintritts in der Praxis insbesondere relevant werden, wenn das Kredit- bzw. Wertpapierinstitut die Aktien bereits im Bestand hat. Da § 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG jedoch keinen vorsorglichen Erwerb gestattet, muss der Erwerb bereits auf Basis einer anderen Erwerbsausnahme stattgefunden haben. Ob die so erworbenen Aktien dann zur Erfüllung eines Kommissionsgeschäfts verwendet werden dürfen, hängt von dem jeweiligen Erwerbsgrund und etwa damit verbundenen Verfügungsbeschränkungen ab (vgl. dazu speziell auch die nachfolgenden Ausführungen zu § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG unter HdR-E, AktG § 71, Rn. 68ff.). Hat das Kredit-/Wertpapierinstitut Aktien aus seinem Bestand i. R.e. Einkaufskommission mit Selbsteintritt veräußert, kann es sich nach zutreffender Ansicht beim Wiederauffüllen seines Bestandes nicht auf die Ausnahme des § 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG berufen (vgl. mit a. A. KK-AktG (2011), § 71, Rn. 223). Liegt dagegen ein Einkaufskommissionsvertrag vor, führt das Kredit- bzw. Wertpapierinstitut diesen durch Selbsteintritt aus und beschafft sich die insoweit zur Erfüllung erforderlichen Aktien am Markt, erfolgt im Ergebnis wie bei den anderen Fällen der Einkaufskommission nur ein Durchgangserwerb. Die Einkaufskommission mit und ohne Selbsteintritt sind insoweit vergleichbar, es wird nicht dauerhaft in die Vermögenslage betreffender Gesellschaft eingegriffen. Die Anwendung des § 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG auf diese Fälle ist daher gerechtfertigt (vgl. im Ergebnis ebenso KK-AktG (2011), § 71, Rn. 223).
Rn. 64
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Bei einer Verkaufskommission greift bereits das Erwerbsverbot tatbestandlich nicht ein, weil das Kredit- bzw. Wertpapierinstitut nur Verfügungsbefugnis erhält (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 17). Kontrovers diskutiert wird insoweit die Frage, ob die Ausnahme des § 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG auf Fälle der Verkaufskommission mit Selbsteintritt analog anzuwenden ist (vgl. eine eingeschränkte Anwendung befürwortend KK-AktG (2011), § 71, Rn. 225; eher ablehnend Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 17, m. w. N.). Die Frage des Selbsteintritts wird i. d. R. in den Fällen relevant werden, in denen aktuell kein Abnehmer am Markt zur Verfügung steht. Damit käme es dann gerade nicht zu einem Durchgangserwerb wie bei einer Einkaufskommission. Nach zutreffender Ansicht kann der Erwerb i. R.e. Verkaufskommission mit Selbsteintritt nicht auf § 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG gestützt werden. In Betracht kommt jedoch ein Erwerb i. R.d. § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG (vgl. dazu näher HdR-E, AktG § 71, Rn. 67).