Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
Rn. 73
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Da der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit eine notwendige Voraussetzung jeder nützlichen Informationsvermittlung darstellt (vgl. Leffson (1987), S. 179), ist er auch auf die Berichte anzuwenden, durch die Bilanz und GuV der KapG sowie bestimmter anderer Gesellschaften ergänzt werden müssen (vgl. §§ 264 Abs. 1, 284ff.; ADS (1995), § 243, Rn. 25; Beck Bil-Komm. (2020), § 243 HGB, Rn. 67). Wird diesem Grundsatz nicht entsprochen, so kann unmöglich ein den "tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage" vermittelt werden, wie dies in der Generalklausel für KapG und gleichgestellte Gesellschaften (vgl. § 264 Abs. 2) mit Hinweis auf die GoB verlangt wird (vgl. HdR-E, HGB § 264). Daher müssen nach § 243 Abs. 2 auch der Anhang (vgl. Forster, DB 1982, S. 1631 (1632); HdR-E, HGB § 243, Rn. 52) und der Lagebericht (vgl. Baetge/Fischer/Paskert (1989), S. 16ff.) eindeutig, verständlich, hinreichend und systematisch gegliedert aufgestellt werden; dies gilt auch für freiwillig aufgestellte Anhänge oder Lageberichte von Einzelkaufleuten und PersG sowie freiwillig aufgestellte Lageberichte kleiner Gesellschaften (vgl. zu notwendigen Erläuterungen etwa Schellein, WPg 1988, S. 693 (696)).
Rn. 74
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Im Anhang sind erstens Angaben zu machen, die aufgrund der in Einzelvorschriften festgelegten Wahlrechte nicht in der Bilanz oder der GuV enthalten sind (vgl. § 284 Abs. 1). Zweitens besteht die Pflicht zu weiteren Angaben, die nur im Anhang aufgeführt werden dürfen bzw. müssen. Neben den handelsrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 284ff.) für alle KapG und gleichgestellte Gesellschaften (mit den Einschränkungen nach § 288) verlangen drittens rechtsform- oder geschäftszweigspezifische Regelungen zusätzliche Einzelangaben. Mit dem Lagebericht soll der Einblick, der durch die Erfüllung der Einzelvorschriften zum JA entstanden ist, anhand von verdichtenden und ergänzenden Informationen abgerundet werden (vgl. zur Verdichtungs- und Ergänzungsfunktion des Lageberichts Baetge/Fischer/Paskert (1989), S. 32ff.).
Rn. 75
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Um den großen Umfang der gesetzlich geforderten Berichterstattungspflichten (Angaben, Aufgliederungen, Erläuterungen, Darstellungen und Begründungen; vgl. Selchert/Karsten, BB 1985, S. 1889 (1890)) in verständlicher Form zu präsentieren, ist eine sinnvolle Gliederung der Berichte erforderlich. Aus dem GoB der Klarheit und Übersichtlichkeit sowie aus der Reihenfolge der in den Vorschriften geforderten Elemente von Anhang und Lagebericht lassen sich Anhaltspunkte für eine nachvollziehbare Gliederung der Berichte entnehmen (vgl. HdR-E, HGB § 243, Rn. 52). Die Struktur des Lageberichts sollte sich an den einzelnen in § 289 geforderten Elementen des Lageberichts orientieren. Indes sind die Regelungen der §§ 289ff. eher abstrakt formuliert und geben nur den Mindestumfang der Lageberichterstattung vor. Darüber hinaus sind für die Berichtspraxis die Regelungen bzw. Empfehlungen des DRS 20 relevant (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 759; eine die gesetzliche Vorschrift des § 289 vollständig berücksichtigende Gliederung liefern Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 767).
Rn. 76
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Das Kernproblem der Gliederungen von Bilanz und GuV (vgl. HdR-E, HGB § 243, Rn. 54ff., 60ff.), das gemäß § 243 Abs. 2 zu lösen ist, liegt in der Entscheidung für einen GoB-konformen Aggregationsgrad der Einzelposten. Während die Zusammenfassung oder Differenzierung von Posten erhebliche Auswirkungen auf die Aussagefähigkeit der RL haben kann, sind Überlegungen zu einer verständlichen Gliederung von Anhang und Lagebericht in erster Linie ein Problem der Lesbarkeit. Denn welche Angaben gesondert auszuweisen sind, hat der Gesetzgeber in der Mehrzahl der Fälle eindeutig geregelt (vgl. jedoch die interpretationsbedürftigen Regelungen z. B. in § 285 Nr. 3, 3a, 4 und 21). Allerdings lässt sich ein Überblick von einem sachverständigen Dritten schneller erreichen, wenn die Gliederung von Anhang und Lagebericht stets – auch zwischenbetrieblich – gleich ist.
Rn. 77
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die allg. Prinzipien der §§ 243, 238 können durch folgende Anforderungen an die formale Gestaltung des Anhangs (vgl. HdR-E, HGB §§ 284–288) und Lageberichts (vgl. HdR-E, HGB §§ 289, 289a–f) konkretisiert werden:
(1) |
zweckgerechte Reihenfolge der Angaben und Erläuterungen; |
(2) |
Berücksichtigung sachlicher Zusammenhänge in der Darstellung; |
(3) |
nachvollziehbare Textaufbereitung; |
(4) |
Vermeidung einer Überzahl freiwilliger Angaben |
Rn. 78
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Zu (1): Zur Erfüllung der Forderung nach einer über die Reihenfolge der Anhang- und Lageberichtsvorschriften hinausgehenden, sinnvollen Reihenfolge der Detailinformationen bietet sich für die Erläuterung der Einzelposten von Bilanz und GuV die Reihenfolge der Posten in den §§ 266, 275 an, da der Leser die Beziehung zwischen den RL-Instrumenten auf diese Weise am leichtesten herstellen ka...