Rn. 32
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Vom Antragsteller darf – abgeleitet aus den vorangegangenen Überlegungen – nicht gefordert werden, dass er einzelne VG oder Verbindlichkeiten als unterbewertet bezeichnet (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 5). Die Bezugnahme auf den jeweiligen Bilanzposten reicht aus. Jedoch ist der Antragsteller nicht gehindert, im Rahmen seines Antrags auch auf die Bewertung einzelner VG einzugehen (vgl. ähnlich MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 13). Aus Sicht des erkennenden Gerichts ist eine derartige Präzisierung wünschenswert, da sie im Ergebnis die Überprüfung des Antrags erleichtert und eine präzise Auftragserteilung an den Sonderprüfer ermöglicht.
Rn. 33
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften beziehen sich regelmäßig nicht auf die Bilanzposten als solche, sondern nur auf einzelne VG bzw. Schulden. Daher ist fraglich, unter welchen Voraussetzungen ein Posten des JA unterbewertet ist. Hinsichtlich des Begriffs "Unterbewertung" verweist § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG durch Klammerzusatz auf die Legaldefinition in § 256 Abs. 5 Satz 3 AktG. Nach dieser Vorschrift sind Aktivposten unterbewertet, wenn sie mit einem niedrigeren Wert, und Passivposten mit einem höheren Wert als dem handelsrechtlich zulässigen angesetzt wurden. Es ist also zunächst die jeweilige Wertuntergrenze (Aktivseite) bzw. Wertobergrenze (Passivseite) zu ermitteln und mit dem vorgefundenen Bewertungsansatz abzugleichen.
Rn. 34
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Da sich die Unterbewertung jedoch auf Bilanzposten, nicht auf einzelne VG oder Schulden beziehen muss, sind zwei Möglichkeiten zur Bestimmung der (zulässigen) Wertuntergrenze von Aktivposten bzw. Wertobergrenze von Passivposten denkbar. Zum einen könnten die (u. U. fiktiven) Wertuntergrenzen für die einzelnen zu einem Bilanzposten zusammengefassten VG bzw. die (u. U. fiktiven) Wertobergrenzen für die einzelnen Schulden addiert werden. Zum anderen ist es vorstellbar, nur jeweils die unzulässigen Wertansätze einzelner VG und Schulden zu berücksichtigen. Ausgleichende Effekte aus einer Wahlrechtsausübung bei anderen VG oder Schulden entfalten dann keine Wirkung.
Rn. 35
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Zunächst scheint die Argumentation, es sei die Unterbewertung von (aus einzelnen VG oder Schulden zusammengefassten) Bilanzposten zu beurteilen, für einen Vergleich der tatsächlichen Wertansätze mit der Summe u. U. fiktiver Wertobergrenzen bzw. Wertuntergrenzen zu sprechen. In diesem Fall wäre jedoch dann keine Unterbewertung eines Postens des JA anzunehmen, wenn der Wertansatz einzelner VG oder Schulden zwar handelsrechtlich unzulässig ist, jedoch durch eine handelsrechtlich zulässige Überschreitung der Wertuntergrenze bei anderen VG bzw. Unterschreitung der Wertobergrenze bei anderen Schuldpositionen kompensiert würde. Eine solche Beurteilung wäre mit dem Ziel der Sonderprüfung, eine Beeinträchtigung der Ausschüttungsinteressen der Aktionäre durch Korrektur einer handelsrechtlich unzulässigen Unterbewertung zu vermeiden (vgl. HdR-E, AktG § 258, Rn. 16), nicht vereinbar. Aus diesem Grund sind bei der Beurteilung, ob Bilanzposten unterbewertet sind, lediglich handelsrechtlich unzulässige Wertansätze einzelner VG oder Schulden zu berücksichtigen.
Rn. 36
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Fraglich ist dann weiterhin, ob unzulässige Unterbewertungen durch unzulässige Überbewertungen ausgeglichen werden können. Innerhalb eines Bilanzpostens ist eine solche Kompensation geboten (vgl. so auch MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 14, m. w. N.). Dieser Auffassung widerspricht auch nicht die oben dargestellte Argumentation, nach der durch die Sonderprüfung auch die Einhaltung der handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften bezüglich der einzelnen VG und Schulden gewährleistet werden soll. Berücksichtigt man nämlich nur handelsrechtlich unzulässige Wertansätze, wirkt sich eine vor deren Addition vorgenommene Korrektur der Wertansätze nicht auf das Ergebnis der Beurteilung, ob insgesamt eine unzulässige Unterbewertung des betreffenden Bilanzpostens vorliegt, aus. Einer Saldierung von Unter- und Überbewertungen bei verschiedenen Bilanzposten steht der Wortlaut des § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG jedoch entgegen.
Rn. 37
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Maßstab für die Annahme einer Unterbewertung kann nur die Einhaltung der in § 256 Abs. 5 Satz 3 AktG genannten handelsrechtlichen RL-Vorschriften sein. Eine alternativ denkbare Auslegung des Begriffs "Unterbewertung" i. S.e. Abweichung von einem "wahren Wert" ist schon deshalb nicht möglich, weil der JA als solcher nicht geeignet ist, "wahre Werte" der einzelnen Bilanzposten wiederzugeben, sondern vielmehr ein durch Konventionen geprägtes Bild der VFE-Lage des UN vermitteln soll (vgl. zum Begriff des "wahren Werts" ausführlich Poll/Fehlberg/Franke (2018), S. VIII, 35ff.).
Rn. 38
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Wegen des Bezugs auf handelsrechtliche RL-Vorschriften kommen Verstöße gegen andere als bilanzrechtliche Normen als Gegenstand einer Sonde...