Prof. Dr. Michael Dusemond, Prof. Christoph Hell
Rn. 32
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Wurden im Verlauf der Prüfung Tatsachen festgestellt, die den Bestand des UN oder Konzerns gefährden oder seine Entwicklung beeinträchtigen, so ist darüber nach § 321 Abs. 1 Satz 3 (2. Teilsatz) zu berichten. Hat der Prüfer keine berichtspflichtigen Tatsachen festgestellt, ist eine diesbezügliche Angabe im Prüfungsbericht (Negativerklärung) nach § 321 Abs. 1 Satz 3 nicht erforderlich (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 39; überdies Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 69; Haufe HGB-Komm. (2022), § 321, Rn. 65; WP-HB (2021), Rn. M 236; zudem HdR-E, HGB § 321, Rn. 28; abweichend im Sinne gar eines Verbots ("hat zu unterbleiben") Staub: HGB (2010), § 321, Rn. 35).
Rn. 32a
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Die Berichtspflicht über bestandsgefährdende und entwicklungsbeeinträchtigende Tatsachen ist auf die Zukunft gerichtet, um so den Kontrollgremien gegensteuernde Maßnahmen zu ermöglichen. Es genügt also nicht, eingetretene Bestandsgefährdungen oder wesentliche Beeinträchtigungen der abgelaufenen Periode zu rekapitulieren (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 36; WP-HB (2021), Rn. M 230f.; Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 54; ADS (2000), § 321, Rn. 76). Ein Zeithorizont für die Abschätzung der Bestandsgefährdung bzw. Entwicklungsbeeinträchtigung wird im Gesetz nicht genannt; man wird jedoch ohne Weiteres davon ausgehen können, dass der AP zumindest einen Zeitraum bis zum nächsten Abschlussstichtag zugrunde legen muss. Nach Art. 11 Abs. 2 lit. i) der AP-VO sind im entsprechenden Berichtsteil auch alle Garantien, Patronatserklärungen, Zusagen der öffentlichen Hand sowie andere unterstützende Maßnahmen zu dokumentieren, die zur Beurteilung der Fortführungsprämisse relevant sind (vgl. hierzu IDW PS 450 (2021), Rn. P 35/1f., mit Hinweis auf ein "offensichtliche[s] redaktionelle[s] Versehen" des VO-Gebers bezüglich des von ihm verwandten Begriffs "Comfort Letter").
Rn. 33
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Bestandsgefährdung ist dann anzunehmen, wenn die festgestellten Tatsachen mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten, dass das UN (bzw. der Konzern) seinen Geschäftsbetrieb nicht fortführen kann, mit der möglichen Folge der Insolvenz oder Liquidation (vgl. WP-HB (2021), Rn. M 226; Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 51; ADS (2000), § 321, Rn. 75; Grewe/Plendl, in: HWRP (2002), Sp. 2006 (2007f.); Haufe HGB-Komm. (2022), § 321, Rn. 59; BeckOGK-HGB (2021), § 321, Rn. 40). Eine Bestandsgefährdung, über die zu berichten ist, muss nicht notwendigerweise dazu führen, die Fortführungsprämisse in Frage zu stellen (vgl. Baetge, in: FS Havermann (1995), S. 1 (9)). Eine drohende Übernahme oder Verschmelzung des UN ist keine Bestandsgefährdung i. S. v. § 321 Abs. 1 Satz 3 (vgl. ADS (2000), § 321, Rn. 80). Da der Bestand eines UN zunächst abhängt von seiner Fähigkeit, Zahlungsverpflichtungen zu begleichen, sind insbesondere bereits eingetretene und drohende Zahlungsschwierigkeiten ausschlaggebend für eine Berichtspflicht. Weitere Indikatoren können etwa sein (vgl. WP-HB (2021), Rn. M 227; Grewe/Plendl, in: HWRP (2002), Sp. 2006 (2008); ADS (2000), § 321, Rn. 75; Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 51; Plendl (1990), S. 11ff.; überdies IDW PS 270 (2021), Rn. A5; IDW PS 340 (2022), Rn. A4):
- drohender FK-Entzug ohne Substitutionsmöglichkeiten;
- extreme Fristigkeitsinkongruenzen bei der Finanzierung von Investitionen;
- (spekulative) Terminpositionen extremen Umfangs;
- erhebliche laufende Verluste, deren Ende nicht absehbar ist;
- Unmöglichkeit einer kostendeckenden Produktion;
- ständig zurückgehender Absatz aufgrund mangelnder Anpassung an neue Marktverhältnisse;
- Abwanderung oder Zahlungsschwierigkeiten von Großkunden;
- tiefgreifende Preisänderung(en) auf Absatz- und/oder Beschaffungsmärkten;
- extrem nachteilige langfristige Verträge;
- existenzbedrohende Haftungsrisiken.
Rn. 34
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Der AP wird möglicherweise erst aus dem Zusammenwirken mehrerer der o. a. Faktoren/Tatbestände auf eine Bestandsgefährdung schließen können (vgl. ADS (2000), § 321, Rn. 78; Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 54; WP-HB (2021), Rn. M 230).
Rn. 35
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Ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grund- oder Stammkap. (vgl. § 92 Abs. 1 AktG; § 49 Abs. 3 GmbHG) ist genauso wie eine Unterbilanz als Indiz für eine Bestandsgefährdung anzusehen (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 51; BeckOGK-HGB (2021), § 321, Rn. 40).
Rn. 36
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Entwicklungsbeeinträchtigende Tatsachen beziehen sich auf Brüche in der Kontinuität der wirtschaftlichen Entwicklung des geprüften UN bzw. Konzerns. Der Übergang zwischen bestandsgefährdenden und entwicklungsbeeinträchtigenden Tatsachen ist fließend; es besteht keine objektivierte Grenzziehung zwischen beiden Tatbeständen (vgl. Haufe HGB-Komm. (2022), § 321, Rn. 61; BeckOGK-HGB (2021), § 321, Rn. 41; Plendl (1990), S. 12f.), wenngleich davon auszugehen ist, dass entwicklungsbeeinträchtigende Tatsachen den bestandsgefährdeten Tatsachen i. d. R. ze...