Prof. Dr. Jens Poll, Ingrid Kalisch
Rn. 70
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Nach dem Wortlaut des Gesetzes liegt die Bestimmung des Zwecks grds. im freien Ermessen der Geschäftsführung. Seit Inkrafttreten der Vorschrift sind jedoch Stimmen laut geworden, die für eine Beschränkung dieses Ermessens plädieren und die Festlegung der Erwerbszwecke im HV-Beschluss fordern (vgl. Bosse, NZG 2000, S. 923f.; Bosse, NZG 2000, S. 16; Saria, NZG 2000, S. 458ff.). Diese Anforderung lässt sich jedoch weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien entnehmen. Der Gesetzgeber hat die nähere Ausgestaltung der Erwerbszwecke und die Bindung an eine entsprechende zweckgebundene Ermächtigung der HV vielmehr bewusst offen gelassen (vgl. insbesondere BT-Drs. 13/9712, S. 13), und zwar nachdem im RefE zunächst noch eine Konkretisierung des Zwecks vorgesehen war (vgl. RefE zum KonTraG, ZIP 1996, S. 2129 (2130f.)). Es handelt sich daher auch nicht um eine Gesetzeslücke, die es durch Auslegung zu schließen gilt (vgl. so auch LG Berlin, Urteil vom 15.11.1999, 99 O 83/99, NZG 2000, S. 944f. (rechtskräftig)). Da die HV für die Ermächtigung zuständig ist, kann sie ihre Zustimmung jedoch auch an Zweckvorgaben binden. So kann etwa der Erwerb zur späteren Einziehung vorgegeben werden. Beschränkt der HV-Beschluss die zulässigen Erwerbszwecke, dürfen Aktien nicht zu anderen (sonst grds. gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zulässigen) Zwecken erworben werden. Der HV-Beschluss kann weitere Einzelheiten bestimmen. Hierzu gehören z. B. eine zeitliche Vorgabe, wie lange die Aktien gehalten werden sollen oder dürfen, sowie ggf. das Verfahren zur Rückführung der Aktien. Dabei kann auch ein HV-Beschluss als Voraussetzung für die Rückgabe in den Markt vorgesehen werden (vgl. hierzu auch Hüffer-AktG (2024, § 71, Rn. 19eff.). Angesichts der kritischen Stimmen aus der Literatur und von Aktionärsschützern hat sich die Festlegung der Erwerbszwecke im HV-Beschluss inzwischen weitgehend in der Praxis durchgesetzt. Diese Festlegung erscheint insbesondere deshalb empfehlenswert, weil sich damit eine langwierige Erörterung des entsprechenden TOP und eine potenzielle Anfechtung weitestgehend vermeiden lassen (grds. erscheint allerdings eine lediglich auf fehlende Zweckangabe gestützte Anfechtung im Ergebnis wenig erfolgversprechend). Außerdem setzt sich die Verwaltung dadurch auch nicht im Ansatz dem Verdacht aus, das Instrument des Aktienrückkaufs könnte (verbotswidrig) zu eigenen, nicht mehr von § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG gedeckten Zwecken verwendet werden (vgl. hierzu auch Bosse, NZG 2000, S. 923f.). Untersuchungen aus den USA zeigen, dass das Instrument des Aktienrückkaufs offenbar z. T. dazu eingesetzt wurde, den Wert der vom Management gehaltenen Aktienoptionen zu erhöhen (vgl. Bosse, NZG 2000, S. 923f., m. w. N.). Letztlich dient die Festlegung der Erwerbszwecke im Ermächtigungsbeschluss auch der Transparenz, die heute vom Kap.-Markt in immer stärkerem Maße gefordert wird. Die für das UN und die Geschäftsführungsentscheidungen erforderliche Flexibilität kann dadurch erhalten werden, dass im Ermächtigungsbeschluss ein Katalog zulässiger Erwerbszwecke festgelegt wird. Die Entscheidung über die tatsächliche Durchführung und zwischen den einzelnen zulässigen Zwecken bleibt dann Geschäftsführungsmaßnahme und obliegt dem maßgeblichen Leitungsorgan. Ein Beschluss der HV ist nach dem Gesetz erforderlich, sofern die Veräußerung der erworbenen Aktien außerhalb der Börse erfolgen soll (vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 6 AktG).
a) Einziehung
Rn. 71
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der Verwendungszweck kann durch die HV in der Weise beschränkt werden, dass der Beschluss den Erwerb eigener Aktien zum Zwecke der Einziehung vorsieht. Dies kann zum einen dadurch erfolgen, dass der Ermächtigungsbeschluss den Erwerb der Aktien zum Zwecke der Einziehung vorsieht und es für die Einziehung selbst eines weiteren HV-Beschlusses bedarf, zum anderen dadurch, dass die Ermächtigung zum Erwerb der Aktien zum Zwecke der Einziehung mit der Ermächtigung zur Durchführung der Einziehung verbunden wird (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 19n). Ist der Zweck des Ermächtigungsbeschlusses auf den Erwerb zur späteren Einziehung beschränkt, dürfen nicht mehr Aktien erworben werden, als eingezogen werden sollen (vgl. Kiem, ZIP 2000, S. 209 (212)).
Rn. 72
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Zwar ist bei dem Erwerb eigener Aktien zum Zwecke der Einziehung auch der Weg über § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG möglich. Dies würde allerdings einen vorherigen Kap.-Herabsetzungs- und Einziehungsbeschluss der HV nach § 237 AktG voraussetzen. I.R.d. § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG kann demgegenüber der Eigenerwerb mit der bloßen Zweckbestimmung späterer Einziehung sowie der Ermächtigung zu ihrer Durchführung verbunden werden. Die vereinfachte Einziehung nach § 237 Abs. 3 bis 5 AktG erfolgt dann später und, sofern eine Ermächtigung beschlossen wurde, auch ohne weiteren HV-Beschluss. Nach erfolgter Einziehung ist die Herabsetzung des Grundkap. lediglich seitens des Vorstands beim Registergericht zur Eintrag...