Rn. 105
Stand: EL 16 – ET: 05/2013
Soweit das dingliche Erfüllungsgeschäft bereits vollzogen wurde, ist dieses unter Beachtung der Vorschriften zur Einlagenrückgewähr rückabzuwickeln (vgl. auch Escher-Weingart, C./Kübler, F. 1998, S. 540). Grds. bestimmen sich die Rechtsfolgen nach Bereicherungsrecht. Der Aktionär hat demnach gem. den §§ 812 ff. BGB einen Anspruch auf Rückübereignung bzw. Rückabtretung. Die AG kann sich auf Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, soweit sie nicht mehr bereichert ist, z. B. wenn die Aktien zu einem niedrigeren Kurs bereits weiterveräußert sind. War der AG bzw. den für sie handelnden Personen allerdings die Unzulässigkeit der Erwerbs und die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Geschäfts bekannt, so haftet sie nach § 819 Abs. 1 BGB i. V. m. § 818 Abs. 4 BGB ohne die Möglichkeit, sich auf einen Wegfall der Bereicherung zu berufen. Die Einrede der Entreicherung wird der AG daher in den meisten Fällen verwehrt sein, angesichts der Komplexität von § 71 Abs. 1 und 2 AktG und der zum Teil schwierigen Abgrenzung der Erlaubnistatbestände ist dies jedoch nicht automatisch für jeden Fall anzunehmen (vgl. Lutter/Drygala 2011, § 71 AktG, Rn. 250 f.).
Rn. 106
Stand: EL 16 – ET: 05/2013
Ob der Rückübertragungsanspruch des Aktionärs wegen § 814 BGB ausgeschlossen ist, ist streitig (ablehnend Lutter/Drygala 2011, § 71 AktG, Rn. 250; Oechsler 2008, § 71 AktG, Rn. 342). Richtigerweise wird man insoweit – ebenso wenig wie hinsichtlich der Einrede der Entreicherung bei der AG – keinen Automatismus in die eine oder andere Richtung annehmen können. Angesichts der Komplexität der Vorschrift des § 71 AktG kann Kenntnis des Aktionärs vom Verstoß nicht automatisch unterstellt werden. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Aktionär die Nichtigkeit des Grundgeschäfts kannte. Besteht eine solche positive Kenntnis, kann die Ansicht von Lutter allerdings nicht überzeugen, dass wegen der damit verbundenen Härte des Anspruchsausschlusses § 814 BGB ausnahmsweise nicht anwendbar sein soll. Im Regelfall der Abwicklung über die Börse kann § 814 BGB ohnehin nicht relevant werden, weil der einzelne Aktionär im Zweifel weder Kenntnis darüber haben wird, dass der Erwerb durch die Gesellschaft erfolgt ist, noch über das Vorliegen zulässiger Erwerbsgründe bzw. einen Verstoß gegen das Erwerbsverbot.
Rn. 107
Stand: EL 16 – ET: 05/2013
Hat die AG im Falle eines unzulässigen entgeltlichen Erwerbs bereits die Gegenleistung erbracht, hat sie gem. §§ 62 Abs. 1, 57 Abs. 1, 66 Abs. 2 AktG einen Wiedereinlageanspruch, weil kein zulässiger Erwerb i. S. d. § 57 Abs. 1 Satz 2 AktG vorgenommen worden ist. Das folgt daraus, dass jeder nach § 71 AktG verbotene entgeltliche Erwerb eigener Aktien zugleich unter das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG fällt. Die bereicherungsrechtl. Regelungen der §§ 812 ff. BGB werden insoweit verdrängt. Der Rückgewähranspruch besteht unabhängig davon, ob der AG die Unzulässigkeit des Erwerbs der eigenen Aktien bekannt war (vgl. Oechsler 2008, § 71 AktG, Rn. 368). Darin liegt eine Bevorzugung der AG, insbes. soweit der Erwerb der eigenen Aktien aufgrund ihrer Initiative stattfand (vgl. Kümpel/Ott 1971, Abschnitt 105, S. 248). Der Anspruch aus § 62 AktG richtet sich stets auf die volle von der AG erbrachte Leistung ohne Verrechnung mit einer etwa empfangenen Gegenleistung. Dem Veräußerer steht – auch soweit er hinsichtlich von ihm übereigneter Aktien einen Rückübertragungsanspruch nach §§ 812 ff. BGB hat – kein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB zu. Umgekehrt kann die AG jedoch dem Bereicherungsanspruch des Veräußerers ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB entgegensetzen (vgl. Lutter/Drygala 2011, § 71 AktG, Rn. 252). Zuständig für die Erhebung des Anspruchs ist der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG. Unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 AktG können allerdings auch die Gläubiger der AG bzw. bei Insolvenz der Insolvenzverwalter oder Sachwalter das Recht ausüben.
Rn. 108
Stand: EL 16 – ET: 05/2013
Die vorstehend beschriebene Rückabwicklung nach bereicherungsrechtl. Grundsätzen sowie den Vorschriften über die Einlagenrückgewähr ist i. d. R. dann nicht durchführbar, wenn es sich um börsennotierte Aktien handelt und die AG diese über die Börse erworben hat. Typischerweise werden – jedenfalls bei den großen Publikumsgesellschaften – an einem Börsentag zahlreiche Transaktionen durchgeführt. Damit wird die Zuordnung eines Verkaufsauftrags zum Kaufauftrag der Gesellschaft zufällig. Aufgrund einer solchen zufälligen Zuordnung gegen den Verkäufer Ausgleichsansprüche wegen Einlagenrückgewähr herzuleiten, wäre willkürlich. In diesen Fällen muss es daher bei der Veräußerungspflicht der Gesellschaft nach § 71c AktG bleiben (vgl. zum Vorstehenden Escher-Weingart, C./Kübler, F. 1998, S. 540).