Rn. 66
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Die Prüfungsinhalte und die Prüfungsreihenfolge sind bei Sonderprüfungen wegen Mängeln des Anhangs in § 258 Abs. 1 Satz 3 AktG vorgegeben. Durch die gerichtliche Entscheidung wird der Prüfungsinhalt überdies zumeist eingeengt auf bestimmte (fehlende, unvollständige oder unzutreffende) Angaben im Anhang (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 12). Nach nahezu einhelliger Auffassung in der Literatur sprechen jedoch Zweckmäßigkeitserwägungen dafür, die vom Gesetz vorgesehene Prüfungsreihenfolge zu verändern, d. h. zunächst festzustellen, ob die Aufnahme einer Frage, die sich auf Mängel des Anhangs bezog, in die Niederschrift über die HV verlangt wurde (vgl. statt vieler ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 72). Eine derartige Abweichung vom Gesetzeswortlaut ist zulässig (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 12). Das Gericht sollte den Prüfungsauftrag auch insoweit konkretisieren und eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Prüfungsreihenfolge vorgeben. Nur durch diese Vorgehensweise kann das Sonderprüfungsverfahren zu § 258 Abs. 1 Nr. 1 AktG verfahrensökonomisch gestaltet werden. Wenn bereits ein Protokollverlangen nicht vorliegt, erübrigen sich weitere Prüfungsschritte.
Rn. 67
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Hingegen überzeugt das Argument, dass abschließende Feststellungen nach § 259 Abs. 4 Satz 1 oder 3 AktG schwierig sind, wenn lediglich ein Protokollverlangen nicht festgestellt wurde (vgl. so aber Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 12), nicht. Zwar regelt § 259 Abs. 4 AktG diesen Fall nicht; dennoch ergibt sich im Wege der Auslegung für den Prüfer, dass er in einem derartigen Fall eine abschließende Feststellung analog zu § 259 Abs. 4 Satz 3 AktG mit dem Inhalt zu treffen hat, dass jedenfalls ein Protokollverlangen nicht gestellt wurde. Die Abstimmung hinsichtlich der Prüfungsreihenfolge sollte zwischen Sonderprüfer und Gericht zweckmäßigerweise informell vor der Bestellung zum Sonderprüfer, d. h. vor Ergehen der gerichtlichen Entscheidung, geklärt werden. Nach Ergehen der gerichtlichen Entscheidung ist eine Änderung nur unter den Voraussetzungen der §§ 42f. oder 48 FamFG möglich.
Rn. 68
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Das Protokollverlangen kann sich unmittelbar aus der Niederschrift ergeben, wenn dort vermerkt ist, dass eine Frage zu Mängeln des Anhangs gestellt wurde. Aber auch wenn die Niederschrift einen derartigen Hinweis nicht erhält, kann ein Protokollverlangen gestellt worden sein. Der Sonderprüfer muss somit feststellen, ob die Niederschrift vollständig ist. Dies ist etwa dann gegeben, wenn der Umstand eines Protokollverlangens anderweitig durch den Sonderprüfer festgestellt wird. In diesem Zusammenhang ist offen, wie der Sonderprüfer eine derartige Feststellung im Einzelnen treffen kann oder muss. Da es sich bei dem Protokollverlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt, dürfte v.a. ein Nachweis durch Zeugen in Betracht kommen. Offen ist insoweit, ob und in welchem Umfang der Sonderprüfer selbst nach Beweismitteln für ein Protokollverlangen zu suchen hat und nach welchen Grundsätzen von ihm vorgefundene Beweismittel zu würdigen sind. Es ist davon auszugehen, dass der Sonderprüfer sich in einem derartigen Fall an den Grundsätzen des § 286 Abs. 1 ZPO zu orientieren hat. Stellt der Sonderprüfer fest, dass – nach der Niederschrift oder weil der fragliche Umstand in anderer Weise feststeht – in der HV Fragen nach Mängeln des Anhangs gestellt wurden, so hat der Sonderprüfer weiter zu klären, ob der Vorstand die Fragen in der HV zutreffend und vollständig beantwortet hat. Kommt der Sonderprüfer zu dem Ergebnis, dass eine derartige Beantwortung nicht stattgefunden hat (bloße Zweifel reichen nicht aus; vgl. so aber ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 74), muss festgestellt werden, ob die nachgefragten Angaben für den Anhang vorgeschrieben sind und der Anhang insoweit wegen fehlender, unzutreffender oder unvollständiger Angaben mangelhaft i. S. v. § 258 Abs. 1 und 2 AktG ist. Stellt er die Mangelhaftigkeit des Anhangs fest, so hat der Sonderprüfer überdies die fehlenden Angaben zu ermitteln, da eine entsprechende Vervollständigung des Anhangs Bestandteil seines Berichts ist (vgl. § 259 Abs. 4 Satz 1 AktG).
Rn. 69
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Kommt der Sonderprüfer mit seinen Prüfungshandlungen zu einem vorzeitigen Ende, weil er entweder kein Protokollverlangen feststellen kann oder bereits die vollständige Beantwortung der auf den mangelhaften Anhang bezogenen Fragen in der HV erfolgt ist, wird er seinen Bericht analog zu § 259 Abs. 4 Satz 3 AktG mit einer dementsprechenden abschließenden Feststellung beenden (vgl. mit a. A. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 73, die in diesem Fall offenbar das Sonderprüfungsverfahren nicht zu Ende führen wollen und eine Aufhebung der Sonderprüfungsentscheidung auf Anregung des Sonderprüfers für wünschenswert halten. Eine derartige Aufhebung ist allerdings aus Rechtsgründen nicht möglich).