Rn. 135

Stand: EL 42 – ET: 05/2024

Wie dargestellt sind verschiedene Begriffe weder durch Gesetz noch durch Rspr. hinreichend konkretisiert. Unter Aspekten der Rechtssicherheit sowie für die hier angestrebte Darstellung möglicher Folgen einer Pflichtverletzung erweist sich dies als problematisch. Ermessensspielräume sind vom Gesetzgeber zur Erhaltung der Leitungsautonomie zwar gewollt, aber mit Blick auf Folgen einer Pflichtverletzung erweist sich die fehlende Eingrenzung des bewusst eingeräumten Ermessensspielraums als störend (vgl. Schäfer (2001), S. 1f.). "Zwar ist der Vorstand durch das Aktienrecht strengen Sorgfaltspflichten unterworfen, doch erkennen sowohl Gesetz als auch Rechtsprechung zunehmend die Schwierigkeiten an, die mit der Lösung komplexer Probleme verknüpft sind" (Schäfer (2001), S. 5). Die Auslegung der Norm hat somit – wie dargestellt – so zu erfolgen, dass in der Rechtswissenschaft das Verständnis für die betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten und Grenzen eines Risikofrüherkennungssystems gefördert wird, wobei i. R.e. ökonomischen Interpretation der noch rechtlich zulässige Gestaltungsspielraum zu beachten ist (vgl. auch Fischer (1998), S. 56ff.).

 

Rn. 136

Stand: EL 42 – ET: 05/2024

In der Literatur wird auf die Komplexität der einzurichtenden organisatorischen Maßnahmen verwiesen. Gleichwohl ist anzumerken, dass insbesondere einige Groß-UN bereits vor dem KonTraG die Anforderungen dieser deklaratorischen Vorschrift nahezu vollumfänglich erfüllten. Praxisentwicklungen sowie der Stand des Schrifttums dürften auch von der weiterhin evolvierenden Rspr. zu berücksichtigen sein (vgl. Albrecht/Schräder, VP 2000, S. 167 (172ff.); Kirchner, ZfgG 2002, S. 189ff.; Lück, ZIR 2002, S. 253ff.; Vogler/Gundert, DB 1998, S. 2377; für empirische Ergebnisse ebenso wie branchenbezogene Betrachtungen Arthur Andersen (2001), S. 21ff.; Blass, ZfV 1999, S. 297 (299ff.); Brieger, DB 2001, S. 2566ff.; Brockmann/Danschke/Dewner (2000); DAI/KPMG (2000); Falter/Michel (2000); Gerds, AgrB 2016, S. 38 (42); Gersdorf, WPK-Mitteilungen 2001, S. 182ff.; Glaum/Förschle, DB 2000, S. 581ff.; Gleissner, DB 2018, S. 2769ff.; Gleissner/Hinrichs/Sieger (2001); Haas (2000); Huch/Tecklenburg (2001); Institut der Niedersächsischen Wirtschaft/PwC (2000); Kleeberg/Schlenger (2000); Köhlbrandt/Gleissner/Günther, CF 2020, S. 248ff.; Leoprechting/Sender, BuW 2002, S. 705ff.; Link/Scheffler/Flath, ZfRM 2021, S. 20 (23ff.); Mauch (2001); Müller (2000), S. 1076ff.; Peter/Vogt/Krass (2000), S. 657ff.; Pfitzer et al., DB 2002, S. 2005ff.; Quick/Gauch, ZfRM 2021, S. 116ff.; Rudolph/Johanning (2000); Schmelcher (2000); Semmler (2001); Wolf (2000); Wolz, WPg 2001, S. 789ff.).

In der Beratungspraxis (vgl. Weidemann/Wieben, DB 2001, S. 1789ff.; Weidemann, DB 2001, S. 2613ff.) vereinzelt geforderte Vereinheitlichungsansätze in Form von zuzulassenden Zertifizierungen oder erläuternden Standards sind nicht zu erwarten und mit Blick auf die vom Gesetzgeber bewusst nicht eingehender regulierte Leitungsautonomie einerseits sowie sich herausbildende Standards auf Seiten der WP, welche in wichtigen Teilbereichen zu einem Harmonisierungsprozess bei den prüfungspflichtigen UN führen werden (vgl. auch HdJ, Abt. VI/9 (2001), Rn. 63), andererseits abzulehnen. Darüber hinaus besteht bei zusätzlichen Normierungen außerhalb der Rspr. sowohl die Gefahr einer Überregulierung als auch einer Vernachlässigung der branchen- und UN-bedingten notwendigen Heterogenität von Risikofrüherkennungssystemen (vgl. auch Pahlke, NJW 2002, S. 1680 (1684)).

 

Rn. 137

Stand: EL 42 – ET: 05/2024

Grds. kann festgehalten werden, dass die Normerfüllung durch den Vorstand mit der in § 93 Abs. 1 AktG eingeforderten Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu erfolgen hat. Die aus einem Verstoß – etwa durch Unterlassen oder Schaffung eines ungeeigneten Überwachungssystems – erwachsende Schadensersatzpflicht ist bereits im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens betont worden und wurde durch die geplante Einordnung unter § 93 Abs. 1 AktG besonders deutlich (vgl. HdR-E, AktG § 91, Rn. 44). Zu konzedieren ist, dass in der Beurteilung der Schadensersatzfrage letztendlich neben der sorgfältigen Ergreifung der erforderlichen Organisationsmaßnahmen auch eine evtl. Unterlassung notwendiger Risikobewältigungsmaßnahmen von Bedeutung sein kann (vgl. Clemm/Dürrschmidt, in: FS Müller (2001), S. 67 (75, 79); Pahlke, NJW 2002, S. 1680 (1684ff.)).

Ein eingetretener Schaden ist durch die Gesellschaft zu dokumentieren, wobei die Ursache für den Schaden als Verstoß gegen die Norm des Abs. 2 nachzuweisen ist. Ob er i. S. d. § 93 Abs. 1 AktG sorgfältig gehandelt hat, muss der Vorstand selbst nachweisen (vgl. auch Romeike, K&R 2001, S. 412 (414f.)). Der Verweis eines betroffenen Vorstandsmitglieds auf den positiven Prüfungsbericht des AP aus dem VJ ist als nicht ausreichend anzusehen. Die Aussagen des Prüfers zur Funktionsfähigkeit der eingerichteten Maßnahmen erlauben keine Schlussfolgerungen über die a...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Bilanzierung HGB/EStG Kommentare Online enthalten. Sie wollen mehr?