Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
a) Bewertungsfolgen bei Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit
Rn. 53
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Ist der Grundsatz der Fortführung der UN-Tätigkeit erfüllt, muss sich dies in der Bewertung widerspiegeln. Das insofern nicht zu erwartende Ende dieser Tätigkeit darf hier keine Berücksichtigung finden. Der Grundsatz der UN-Fortführung stellt eine im Regelfall geltende Annahme dar, welche i. R.d. Anwendung der Einzelvorschriften – wie bei allen GoB (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 9ff., 15f.) – zum Tragen kommt. Bei der Anwendung der Einzelvorschriften ist insbesondere von der planmäßigen Nutzung bzw. Verwertung der betreffenden VG i. R.d. UN sowie der vereinbarungsgemäßen Begleichung von Verbindlichkeiten auszugehen. Bei der Bewertung ist daher insbesondere zu unterstellen,
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dass VG des AV bis zum Ende ihrer geschätzten ND im UN verbleiben (vgl. § 247 Abs. 2); es ist auf die (fortgeführten) AHK abzustellen, die bei abnutzbaren VG planmäßig zu periodisieren sind (vgl. § 253 Abs. 1, 3, 5); |
(2) |
dass die Positionen des UV unter Beachtung des strengen NWP gemäß § 253 Abs. 4f. zu bewerten sind; |
(3) |
dass Verbindlichkeiten i. R.d. zukünftigen UN-Tätigkeit planmäßig beglichen werden; sie sind mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2); |
(4) |
dass mit einer Liquidation verbundene spezifische Aufwendungen nicht in die Bewertung eingehen dürfen (vgl. auch Janssen, WPg 1984, S. 341 (342); HdJ (2013), Abt. I/7, Rn. 136; Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 17). |
Schließlich können sämtliche gesetzlich vorgesehene Bewertungswahlrechte (vgl. z. B. die Ermittlung der HK nach § 255 Abs. 2) und Bewertungsvereinfachungen (vgl. z. B. § 256) in Anspruch genommen werden.
b) Bewertungsfolgen bei fehlender Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit
Rn. 54
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Wenn von der Fortführung der UN-Tätigkeit nicht mehr ausgegangen werden kann, muss dies gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 bei der Bewertung berücksichtigt werden. § 252 Abs. 1 Nr. 2 regelt allerdings nicht, wie dann genau bei der Bewertung zu verfahren ist. Weil sich § 252 Abs. 1 nicht konsequent auf die Bewertung beschränkt, sondern auch Fragen des Bilanzansatzes berührt (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 3, 11), lässt sich zudem nicht ausschließen, dass ein Wegfall der Annahme über die UN-Fortführung auch beim Bilanzansatz zu berücksichtigen ist. Rückwirkungen, z. B. auf den Ansatz von bestimmten Entwicklungsaufwendungen nach § 248 oder aktiven latenten Steuern nach § 274, wären eine mögliche Folge.
Rn. 55
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Die Aufgabe der Going Concern-Prämisse bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass von der Fortführung des regulären Geschäftsbetriebs nicht mehr ausgegangen werden kann. Inwieweit sich dies auf die Bewertung auswirken kann und ggf. auswirken muss, hängt i.W. davon ab,
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was nach kaufmännisch vernünftiger Beurteilung an deren Stelle tritt, |
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mit welchem Zeithorizont für die Alternative zu rechnen ist und |
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wie weit dieser Zeithorizont innerhalb des bei Going Concern-Bewertung angenommenen Zeitablaufs liegt. |
Zu (1): An die Stelle der uneingeschränkten Fortführung des Geschäftsbetriebs im UN können typischerweise treten:
- Fortsetzung der Nutzung bzw. Verwertung von Vermögen sowie Erfüllung der Verpflichtungen, bis die vorhandenen Vermögensbestände abgebaut sind. Es findet in diesem Fall keine Reinvestition statt. Damit erfolgt eine auslaufende Produktion bzw. Leistungserstellung, evtl. auch nur eine auslaufende Leistungsverwertung nach den bisherigen Grundprinzipien des Geschäftsbetriebs (= Abwicklung im betriebswirtschaftlichen Sinn);
- Veräußerung von Betrieben oder Teilbetrieben als Ganzes gegen einen Gesamtverkaufspreis (= Teil- oder Gesamtveräußerung);
- Einzelveräußerung der VG durch eine außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebs liegende Aktion (= Zerschlagung).
Für die Bewertung in der Bilanz des UN muss eine Annahme darüber getroffen werden, mit welcher Verwertungsalternative zu rechnen ist. Dabei sind Kombinationen aus der Sicht des Gesamtvermögens nicht ausgeschlossen. Im Zweifel ist mit Bezug auf das allg. Vorsichtsprinzip von der Alternative auszugehen, welche die niedrigeren Vermögenswerte zur Folge hat. Dabei sind alle Argumente zu berücksichtigen, die für und gegen die Verwirklichung der Alternativen sprechen. Je nach Vermögensverwertungsalternative ist auch die Existenz von Spezialregelungen zu beachten. So ist z. B. für den Fall der Abwicklung/Liquidation von KapG § 270 Abs. 1f. AktG sowie § 71 Abs. 1f. GmbHG anzuwenden (vgl. hierzu weitergehend Beck HB-S (2021), Kap. T, Rn. 145ff.).
Zu (2): Mit der Annahme über die Art der alternativ zum laufenden Geschäftsbetrieb zu vollziehenden Vermögensverwertung ist festzulegen, über welchen Zeitraum sich diese Verwertung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung voraussichtlich erstrecken wird. Es erscheint durchaus möglich, dass sich für einzelne VG oder Vermögensgruppen unterschiedliche Zeiten ergeben. Dies dürfte bei nebeneinander verwirklichten Alternativen die Regel sein.
Zu (3): Bewertungskonsequenzen treten überhaupt nur dann auf, wenn die Verwertungsalternativen in einem Zeitraum verwirklicht werden so...