Prof. Dr. Gerrit Brösel, Prof. Dr. Michael Olbrich
Rn. 76
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Bei der Bewertung von Anleihen ist der Erfüllungsbetrag einschlägig. Ist der Erfüllungsbetrag einer Anleihe höher als der Ausgabebetrag (z. B. aufgrund eines Disagios bei einer Anleihenaufnahme oder bei der Einräumung eines hypothekarisch gesicherten Kredits), so darf (steuerrechtlich: muss, vgl. BFH, Urteil vom 19.01.1978, IV R 153/72, BStBl. II 1978, S. 262 (262ff.)) der Unterschiedsbetrag, der wirtschaftlich eine den Zinsen gleichzusetzende zusätzliche Vergütung für die Kap.-Überlassung darstellt und grds. der "Zinsfeineinstellung" dient, als RAP aktiviert werden (vgl. § 250 Abs. 3; HdR-E, HGB § 250, Rn. 84ff.). Der aktivierte Unterschiedsbetrag "ist durch planmäßige jährliche Abschreibungen zu tilgen, die auf die gesamte Laufzeit der Verbindlichkeit verteilt werden können" (§ 250 Abs. 3 Satz 2).
Rn. 77
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Übersteigt der Ausgabebetrag den Erfüllungsbetrag einer Verbindlichkeit (z. B. Emission einer Anleihe zu einem höheren als dem Rückzahlungsbetrag), ist die Differenz zwischen höherem Ausgabebetrag und Erfüllungsbetrag (sog. Begebungsagio) sowohl in der HB als auch in der StB als RAP zu passivieren (vgl. Heinen (1986), S. 318; ferner HdR-E, HGB § 250, Rn. 84ff.). Bei Wandelschuldverschreibungen ist das Begebungsagio allerdings nach § 272 Abs. 2 Nr. 2 in die Kap.-Rücklage einzustellen (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 91; HdJ, Abt. I/7 (2013), Rn. 532).
Rn. 78
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sind mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen. Die Vorschriften zur Bilanzierung von ggf. bei der Ausgabe von Anleihen entstehenden Auf- oder Abgeldern gelten für Darlehen von Kreditinstituten analog (vgl. HdR-E, HGB § 253, Rn. 54, 63ff.).
Rn. 79
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Die mit der Aufnahme eines Darlehens bzw. einer Anleihe im Zusammenhang stehenden Kosten, wie z. B. Vermittlungsprovisionen, Grundbuchkosten, Veröffentlichungskosten, Notarkosten, Druckkosten, Werbekosten und Verwaltungsgebühren, werden als Geldbeschaffungskosten bezeichnet. Als einmalige, von der Laufzeit der Verbindlichkeiten bzw. der Anleihen unabhängige Kosten sind Geldbeschaffungskosten sofort als Aufwand zu buchen (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 76 sowie § 250, Rn. 89; HB-RP (1995), § 250 HGB, Rn. 46).
Gleiches gilt für Vorfälligkeitsentschädigungen, die aufgrund vertraglicher Regelungen anfallen, wenn ein bestehender Kreditvertrag vor Endfälligkeit gekündigt wird. Hierbei handelt es sich um eine Art "Strafzahlung", die als Kompensation für die dem Kreditgeber künftig nicht mehr zufließenden, vertraglichen Zinszahlungen zu leisten ist. Vorfälligkeitsentschädigungen sind grds. zum Zeitpunkt ihrer Entstehung als Aufwand zu erfassen. Dies gilt wegen des Einzelbewertungsgrundsatzes auch für die Fälle, in denen ein bestehender höherverzinslicher Kreditvertrag zu Gunsten des Abschlusses eines neuen niedrigverzinzlichen Kreditvertrags gekündigt wird. Eine Aktivierung der Vorfälligkeitsentschädigung als Disagio zwecks Verteilung als Zinsaufwand über die Laufzeit des neu abgeschlossenen Kreditvertrags ist somit nicht zulässig.
Eine Ausnahme könnte nur dann gegeben sein, wenn es sich um ein Kopplungsgeschäft handelt, bei dem ein enger rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen beiden (Kredit-)Verträgen besteht. Nur unter dieser restriktiven Voraussetzung könnte die Zusammenfassung beider (Kredit-)Verträge zu einer wirtschaftlichen Einheit zulässig sein (vgl. in Analogie HdR-E, HGB § 249, Rn. 64). Dies könnte der Fall sein, wenn mit dem bisherigen Vertragspartner in einem Vertragswerk die Beendigung eines höherverzinslichen Kreditvertrags und zeitgleich der Abschluss eines niedrigverzinslichen Kreditvertrags vereinbart wird, so dass beide Verträge nahtlos ineinander übergehen.