Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
Rn. 1
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Ein Kaufmann darf nach § 248 Abs. 1 Nr. 1f. in seiner Bilanz weder Aufwendungen für die Gründung des UN noch für die Beschaffung von EK als Aktivposten ansetzen. Dieses Aktivierungsverbot ergibt sich auch aus dem Aktivierungsgrundsatz (vgl. HdR-E, Kap. 4, Rn. 89ff., sowie HdR-E, HGB § 246, Rn. 6ff.), wonach lediglich selbständig verwertbare Sachen und Rechte als VG zu aktivieren sind. Insoweit stellt § 248 Abs. 1 Nr. 1f. klar, dass die Aufwendungen für die Gründung und EK-Beschaffung, da sie weder VG sind noch zu den darüber hinaus aktivierungsfähigen bzw. aktivierungspflichtigen Bilanzgegenständen (vgl. HdR-E, Kap. 4, Rn. 100; HdR-E, HGB § 246, Rn. 15f.) gehören, nicht aktiviert werden dürfen. Das handelsrechtliche Aktivierungsverbot gemäß § 248 Abs. 1 Nr. 1f. gilt ebenso im Steuerrecht (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 248 HGB, Rn. 7).
Rn. 2
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Der Inhalt des § 248 Abs. 1 Nr. 1f. steht in direktem Zusammenhang mit dem Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1. § 246 Abs. 1 fordert, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, den vollständigen Ansatz aller VG, Schulden und RAP in der Bilanz und sämtlicher Aufwendungen und Erträge in der GuV. Daraus ergibt sich, dass alle Aus- und Einzahlungen, die nicht zu einem aktivierbaren bzw. passivierbaren Bilanzposten geführt haben, sich nicht in der Bilanz niederschlagen dürfen, sondern gemäß dem Periodisierungsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 5 in der GuV zu verrechnen sind (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 119ff.). Somit sind auch Aufwendungen, die bei der Gründung eines UN und bei der EK-Beschaffung entstehen, nicht aktivierbar.
Rn. 3
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Nur wenn Aufwendungen gemäß § 255 Abs. 1, 2 und 2a in die AHK für einen bestimmten VG einfließen oder unmittelbar bestimmten, hinreichend konkret zu erwartenden Erträgen in bestimmten späteren Perioden zugerechnet werden können, ist nach dem Vollständigkeitsgebot für die Bilanz eine Aktivierung zulässig oder geboten. Nach § 255 Abs. 3 dürfen auch Zinsen für FK als Teil der HK eines VG aktiviert werden, wenn das Kap. zur Finanzierung der Herstellung dieses VG dient und die Zinsen auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 207f.; Baetge/Hense, DStZ 1987, S. 378 (388)). Evtl. kommt außerdem eine Aktivierung als Disagio unter den "RAP" in Betracht.
Rn. 4
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Gründungsaufwendungen und Aufwendungen zur Beschaffung des EK fallen dagegen weder bei der Herstellung bestimmter VG an, noch sind sie eindeutig Erträgen bestimmter späterer Perioden zeitlich und sachlich zuzurechnen (vgl. Beck-HdR, B 131 (2019), Rn. 51). Das Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 1 Nr. 1f. für Gründungsaufwendungen und Aufwendungen der EK-Beschaffung ergibt sich somit unmittelbar aus dem Vollständigkeitsgebot gemäß § 246 Abs. 1 für die Bilanz. Das Verbot stellt lediglich klar, dass Aufwendungen für Gründung und EK-Beschaffung, die nicht unter das Vollständigkeitsgebot für die Bilanz fallen, d. h., die weder VG noch RAP sind, auch nicht aktiviert werden dürfen. Bei KapG und PersG i. S. d. § 264a dürfen Aufwendungen für die EK-Beschaffung auch nicht mit einem Agio (Ausgabeaufgeld) nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 verrechnet werden (vgl. Veit, WPg 1984, S. 65 (70); HdR-E, HGB § 272, Rn. 68). Auch eine Aktivierung von Gründungsaufwendungen und EK-Beschaffungskosten als RAP nach § 250 Abs. 1 Satz 1 verbietet sich, da sie i. d. R. keine Aufwendungen für eine bestimmte Zeit nach dem Stichtag darstellen (vgl. ADS (1998), § 250, Rn. 89; Beck-HdR, B 131 (2019), Rn. 51; WP-HB (2021), Rn. F 61f.). Infolgedessen besitzt § 248 Abs. 1 Nr. 1f. lediglich deklaratorische Bedeutung (vgl. Veit, WPg 1984, S. 65 (69)).