Dr. Klaus-Hermann Dyck, Dr. Stephan Scholz
Rn. 1
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Mit dem Gesetz zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen (DMBilG) vom 25.07.1994 (BGBl. I 1994, S. 1682ff.) wurde die Vorschrift zur Umsetzung der sog. Mittelstands-R (90/604/EWG) in deutsches Recht eingefügt. Gegenstand dieser Regelung(en) sind (größenabhängige) Erleichterungen bei der Aufstellung des JA für kleine KapG. Die Befreiung kleiner KapG basierte ursprünglich auf Art. 44 Abs. 2 der 4. EG-R (78/660/EWG) i. d. F. der Mittelstands-R.
Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) wurde das bisherige Ansatzwahlrecht Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs nach § 269 (a. F.) betreffend aufgehoben. Als Konsequenz ist die obsolete Befreiung kleiner KapG von den diesbezüglichen Erläuterungspflichten im Anhang weggefallen (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 68). Hinzugekommen ist dafür die Befreiung kleiner KapG von der Steuerabgrenzung nach § 274.
Infolge des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG) vom 17.07.2015 (BGBl. I 2015, S. 1245ff.) wurde die Pflicht zur Aufstellung eines Anlagespiegels in den Anhang verlagert (vgl. § 284 Abs. 3). Parallel dazu wurde die Befreiung für kleine KapG von § 274a in § 288 Abs. 1 Nr. 1 verschoben (vgl. BT-Drs. 18/4050, S. 63, 68f.; im Übrigen zum Anlagespiegel HdR-E, HGB §§ 284–288, Rn. 139ff.).
Rn. 2
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Die mit dem BilRUG transformierte Bilanz-R 2013/34/EU (ABl. EU, L 182/19ff. vom 26.06.2013), welche die 4. und 7. EG-R (83/349/EWG) ersetzte, kennt zwar keine unmittelbare Nachfolgevorschrift zu Art. 44 der 4. EG-R. Die Erleichterungen in § 274a Nr. 1f. lassen sich gleichwohl im Umkehrschluss aus den in der Bilanz-R abschließend aufgeführten Pflichtangaben für kleine UN (vgl. Art. 16 Abs. 3) begründen. In entsprechender Anwendung des Art. 16 Abs. 3 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 lit. a) der Bilanz-R kann von kleinen KapG ein gesonderter Ausweis des Disagios (Nr. 3) nicht verlangt werden (vgl. Staub: HGB (2021), § 274a, Rn. 2). Den Ansatz latenter Steuern (Nr. 4) schreibt die Bilanz-R selbst bei mittelgroßen und großen KapG nicht vor (vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. f): "wenn"), so dass kleine KapG R-konform hiervon befreit werden können.
Rn. 3
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Die Erleichterungen des § 274a sind als Wahlrechte ausgestaltet, die jeweils einzeln ausgeübt werden können. Ihre Inanspruchnahme unterliegt grds. dem Gebot der Ansatz- bzw. Ausweisstetigkeit (vgl. § 246 Abs. 3 bzw. § 265 Abs. 1). Der Verzicht auf eine Befreiung ist aufgrund des dadurch verbesserten Einblicks in die VFE-Lage des betreffenden UN stets auch ohne Begründung möglich. Die Inanspruchnahme einer Befreiung, welche im VJ nicht genutzt wurde, ist bei wesentlichen Abweichungen zu begründen, was indes regelmäßig aufgrund von Gesellschaftsinteressen gegeben sein wird (vgl. ADS (1997), § 265, Rn. 22).