Thomas Richter, Thomas Richter
Rn. 1
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Der Begriff der Treuhand ist gesetzlich nicht definiert. Der Treuhandvertrag ist kein eigener Vertragstyp des BGB. Lediglich einzelne auf Gesetz beruhende Treuhandverhältnisse sind in Spezialgesetzen (z. B. InsO, AktG) geregelt. Im Übrigen wurde der begriffliche Inhalt der Treuhandschaft durch Rechtslehre, Rspr. und wirtschaftliche Praxis entwickelt und ausgefüllt (vgl. IDW (2020), Rn. A 2).
Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung hat zur Folge, dass es keinen einheitlichen Typus der Treuhandschaft gibt und zwischen einem engeren juristischen und einem weiteren wirtschaftlichen Begriff der Treuhandschaft unterschieden wird. Die in der wirtschaftlichen Praxis möglichen Anwendungsfälle der Treuhandschaft unterliegen so vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, dass bis heute keine umfassende Systematik der großen Zahl möglicher Spielarten der wirtschaftlichen Treuhandverhältnisse entwickelt werden konnte, sondern derartige Systematiken i. d. R. an den engen juristischen Treuhandbegriff anknüpfen oder sich auf die am häufigsten anzutreffenden typischen Fälle beschränken (vgl. Wöhe, StKgR 1979, S. 300 (301ff.)).
Rn. 2
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Ein Treuhandverhältnis ist ein Rechtsverhältnis zwischen einem Treuhänder und einem Treugeber. Gegenstand dieses Rechtsverhältnisses ist das Treuhandvermögen (Treugut), das aus Sachen oder Rechten bestehen kann. Der Treugeber überträgt das Treuhandvermögen auf den Treuhänder. Dieser übt die Vermögensrechte im Interesse des Treugebers (oder eines anderen Begünstigten) aus. Wie ein Vertreter wird auch der Treuhänder in fremdem Interesse tätig. Während aber der unmittelbare Stellvertreter nur im Namen des Vertretenen rechtsgeschäftlich handelt, sind dem Treuhänder durch Gesetz oder Rechtsgeschäft Rechte zur Ausübung im eigenen Namen eingeräumt, allerdings mit der Einschränkung, dass er sie nur im fremden Interesse ausüben darf (vgl. Palandt (2023), § 903 BGB, Rn. 33ff.).
Ein Treuhandverhältnis besteht aus einem Außenverhältnis, das die Rechtszuständigkeit des Treuhänders am Treugut begründet und die rechtliche Stellung des Treuhänders Dritten gegenüber zum Inhalt hat, und einem Innenverhältnis, das die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder regelt (vgl. Coing (1973), S. 85f.). Der rechtliche und der wirtschaftliche Treuhandbegriff unterscheiden sich in erster Linie in der rechtlichen Gestaltung des Außenverhältnisses. Allerdings ist auch die juristische Interpretation dieses Rechtsverhältnisses in der Literatur nicht einheitlich. Die engste Auslegung erkennt ein Rechtsverhältnis nur dann als Treuhandverhältnis an, wenn der Treuhänder im Außenverhältnis zwar die volle Rechtsstellung eines Eigentümers erhält, so dass er an sich nach außen über das Eigentum und sonstige Rechte oder Forderungen im eigenen Namen als Berechtigter verfügen kann, im Innenverhältnis, d. h. im Verhältnis zum Treugeber, jedoch gewissen vertraglichen Beschränkungen unterworfen ist. Er darf also – wenn er sich nicht einer positiven Vertragsverletzung schuldig machen will – von der Rechtsstellung als Eigentümer nur in dem Umfang Gebrauch machen, wie es den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Treugeber und dem wirtschaftlichen Zweck des Treuhandverhältnisses entspricht (vgl. Aichberger/Fuchs (2022), S. 1638f.; IDW (2020), Rn. A 6).
Rn. 3
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Eine Erweiterung erfährt der juristische Treuhandbegriff dann, wenn dem Treuhänder nicht das Eigentum am Treuhandvermögen übertragen wird, sondern er lediglich ermächtigt wird, über das Treugut im eigenen Namen zu verfügen oder es zu verwalten (sog. Ermächtigungstreuhand).