Dipl.-Ök. Heinz-Hermann Hellen, Dr. Martin Vosseler
Rn. 134
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Auf Seiten des Leasinggebers hängen die Zurechnung des Leasinggegenstands und damit auch die bilanzielle Behandlung des Leasingverhältnisses weiterhin davon ab, ob es sich bei dem betrachteten Geschäft um Finanzierungsleasing (finance lease) oder Operating-Leasing (operating lease) handelt. Finanzierungsleasing liegt vor, sofern es i.W. – unabhängig von der Übertragung des rechtlichen Eigentums – zu einer Übertragung aller mit dem Eigentum an dem Leasinggegenstand verbundenen Risiken und Chancen auf den Leasingnehmer kommt. Im Umkehrschluss sind alle Leasingverhältnisse, die nicht unter die Definition des Finanzierungsleasings zu subsumieren sind, als Operating-Leasing anzusehen (vgl. IFRS 16.62).
Rn. 135
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Zur Operationalisierung der abstrakten Abgrenzung der beiden Leasingverhältnisse werden dem Bilanzierenden in IFRS 16.63(a) bis (e) verschiedene Beispiele gegeben, die zur Klassifizierung als Finanzierungsleasing führen. Finanzierungsleasing liegt demnach "normalerweise" vor, sofern mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist (vgl. hierzu ausführlich Haufe IFRS-Komm. (2023), § 15a, Rn. 291ff.; Küting/Hellen/Brakensiek, DStR 1999, S. 39 (41)):
(a) |
Nach Ablauf der Vertragslaufzeit wird das rechtliche Eigentum auf den Leasingnehmer übertragen (transfer of ownership test). |
(b) |
Vertraglich wurde eine günstige Kaufoption vereinbart (bargain purchase option test). |
(c) |
Obwohl zu keinem Zeitpunkt des Vertragsverhältnisses das rechtliche Eigentum am Leasingobjekt auf den Leasingnehmer übertragen wird, umfasst die Laufzeit des Vertrags den überwiegenden Teil der wirtschaftlichen ND des Leasinggegenstands (economic life test). |
(d) |
Der Barwert der Mindestleasingzahlungen entspricht zu Beginn der Vertragslaufzeit i.W. mindestens dem Fair Value des Leasingobjekts (recovery of investment test). |
(e) |
Der Leasinggegenstand kann ohne die Vornahme wesentlicher Veränderungen nur seitens des Leasingnehmers genutzt werden (nature of leased asset test). |
Rn. 136
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Sind alle o. g. Kriterien abzulehnen, kann prinzipiell von einem Operating-Leasingverhältnis ausgegangen werden. Da der Kriterienkatalog als nicht abschließend zu betrachten ist, sind jedoch auch Fälle denkbar, bei denen aufgrund des wirtschaftlichen Gesamtbilds ein Finanzierungsleasingverhältnis vorliegt. So gibt IFRS 16.64 dem Bilanzierenden weitere Kriterien an die Hand, die auf das Vorliegen von Finanzierungsleasing hindeuten können (vgl. Haufe IFRS-Komm. (2023), § 15a, Rn. 293ff.). Wenn jedoch aus anderen Merkmalen abzuleiten ist, dass nicht i.W. alle mit dem Leasingobjekt verbundenen Risiken und Chancen auf den Leasingnehmer übergehen, ist der zu beurteilende Leasingvertrag als Operating-Leasingverhältnis zu klassifizieren (vgl. IFRS 16.65).
Rn. 137
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Für Immobilienleasingverhältnisse gelten – trotz der unbestimmten ND – prinzipiell die gleichen Klassifizierungskriterien. Bei bebauten Grundstücken sind Grund und Boden sowie Gebäude jeweils getrennt zu beurteilen (vgl. IFRS 16.B55); sofern der Anteil des Gebäudes unwesentlich ist, kann wahlweise aber auch einheitlich klassifiziert werden (vgl. IFRS 16.B57). Die Aufteilung der Leasingzahlungen erfolgt auf Basis der relativen Marktwerte von Grund und Boden sowie Gebäude zu Vertragsbeginn. Ist keine verlässliche Aufteilung möglich, ist das gesamte Leasingverhältnis als Finanzierungsleasing zu klassifizieren, wenn nicht eindeutig ein Operating-Leasing vorliegt (vgl. IFRS 16.B56). Ist eine getrennte Klassifizierung der beiden Komponenten durchzuführen, wird die Grundstückskomponente regelmäßig – aufgrund ihrer unbegrenzten ND – als Operating-Leasing zu klassifizieren sein. Eine Klassifizierung als Finanzierungsleasing erfolgt regelmäßig nur, wenn zu Beginn des Leasingverhältnisses bereits hinreichend sicher erwartet werden kann, dass zum Ende der Laufzeit das Eigentum übergeht (vgl. IFRS 16.B55).