Prof. Dr. Gerrit Brösel, Prof. Dr. Michael Olbrich
Rn. 31
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Gegenstände des Vorratsvermögens sind (höchstens) mit den AHK, vermindert um Abschreibungen nach § 253 Abs. 4 und ggf. erhöht um Zuschreibungen nach Abs. 5 anzusetzen. Zu den AK der RHB sowie der Waren rechnen alle Ausgaben, die bis zur ersten Einlagerung (einschließlich der Anschaffungsnebenkosten) anfallen. Die Nebenkosten umfassen vorwiegend Fracht- und Speditionskosten, Kosten der Transportversicherung, Verpackungskosten und Zollgebühren. Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 haben als AK nur solche Aufwendungen zu gelten, die dem VG einzeln (direkt) zugeordnet werden können. Es ist aber zulässig, in bestimmten Fällen (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 34) vom Grundsatz her einzeln zurechenbare Nebenkosten, insbesondere Eingangsfrachten, Verpackungskosten und Kosten der Transportversicherung, zur Vereinfachung der Ermittlung der AK pauschal zuzurechnen (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 255 HGB, Rn. 202).
Unfertige und fertige Erzeugnisse sowie unfertige Leistungen werden mit den HK bewertet. Geleistete Anzahlungen auf Gegenstände des Vorratsvermögens sind in Höhe des Anzahlungsbetrags anzusetzen.
Rn. 32
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Auch für die Gegenstände des UV gilt das Prinzip der Einzelbewertung. Da dessen ausnahmslose Einhaltung in der Praxis jedoch – insbesondere bei der Bewertung der Vorräte – regelmäßig mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, hat der Gesetzgeber bestimmte Bewertungsvereinfachungsverfahren zur Ermittlung der AHK für zulässig erklärt. So können – neben den Gegenständen des Sach-AV – RHB, wenn sie regelmäßig ersetzt werden und ihr Gesamtwert für das UN von nachrangiger Bedeutung ist, mit einer gleich bleibenden Menge und einem gleich bleibenden Wert angesetzt werden, sofern ihr Bestand in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt (sog. Festbewertung; vgl. § 240 Abs. 3 i. V. m. § 256 Satz 2; HdR-E, HGB § 240, Rn. 54ff.; HdR-E, HGB § 256, Rn. 90).
Gleichartige Gegenstände des Vorratsvermögens (sowie andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche VG) können zudem jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden (sog. Gruppenbewertung; vgl. § 240 Abs. 4 i. V. m. § 256 Satz 2; HdR-E, HGB § 240, Rn. 73ff.; HdR-E, HGB § 256, Rn. 90).
Soweit es den GoB entspricht, kann für den Wertansatz gleichartiger Gegenstände des Vorratsvermögens aber auch unterstellt werden, dass die zuerst oder zuletzt angeschafften oder hergestellten VG zuerst verbraucht oder veräußert worden sind (sog. Verbrauchsfolgeverfahren; vgl. § 256 Satz 1). Die Verbrauchsfolgeverfahren sind gemäß § 256 Satz 1 auf LIFO ("last in – first out") und FIFO ("first in – first out") beschränkt (vgl. zu den Verfahren HdR-E, HGB § 256, Rn. 41ff., 72ff.). Steuerrechtlich ist ausschließlich das LIFO-Verfahren zulässig (vgl. R 6.9 Abs. 1 Satz 1 EStR).
Rn. 33
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Ein weiteres, gesetzlich nicht geregeltes, aber sowohl handels- als auch steuerrechtlich zulässiges Verfahren zur Ermittlung der AHK ist die sog. retrograde Wertermittlung. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich v.a. auf UN des Einzelhandels, für die es u. U. schwierig ist, die "Anschaffungs- oder Herstellungskosten der bei der Inventur mengenmäßig aufgenommenen Waren zu ermitteln, da nicht mehr feststellbar ist, aus welchen Lieferungen die noch vorhandenen Bestände im einzelnen stammen" (Biergans (1992), S. 381). Zur Ermittlung der AHK werden von den Verkaufspreisen die für jede Warengruppe einheitlichen Bruttogewinnaufschläge subtrahiert, wobei unter dem Bruttogewinnaufschlag der Hundertsatz zu verstehen ist, "um den der Kaufmann seine Waren teurer verkauft, als er sie eingekauft hat" (Biergans (1992), S. 381 (dortige Fn. 188)). In dem Aufschlagsatz werden somit sowohl die anteiligen, auf den Artikel entfallenden Kosten als auch der Gewinn berücksichtigt. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der retrograden Wertermittlung ist allerdings, dass sie im Vergleich zur Feststellung der tatsächlichen AHK nicht zu erheblichen Schätzfehlern führt. Dies erfordert eine korrekte Ermittlung des Bruttogewinnaufschlags für jede Warengruppe (vgl. Biergans (1992), S. 381f.). Zudem ist bei am BilSt herabgesetzten Preisen nicht von der ursprünglich kalkulierten Handelsspanne auszugehen, sondern von dem verbleibenden Verkaufsaufschlag (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 255 HGB, Rn. 211f.; für ein Beispiel Lorson et al., KoR 2019, S. 499 (501)). Die retrograde Wertermittlung ist von der sog. verlustfreien Bewertung, einer ebenfalls retrograden Bewertungsmethode, die der Ermittlung des niedrigeren beizulegenden Werts zur Beachtung des strengen NWP dient, zu unterscheiden (vgl. HdR-E, HGB § 253, Rn. 286ff.).
Rn. 34
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
V.a. bei Industrie-UN kommt in der Praxis zudem häufig die Standardkostenmethode zum Einsatz. Bei der Standardkostenmethode werden die Stückkosten für die Vorräte unter der Annahme eines normalisierten Faktoreinsatzes (Material, Löhne etc.) ...