Dipl.-Ök. Heinz-Hermann Hellen, Dr. Martin Vosseler
Rn. 23
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Gerade bei Leasingverhältnissen ist die Frage, welcher Vertragspartner den Gegenstand, über den der Vertrag geschlossen wurde, in die Bilanz aufzunehmen hat, von besonderem Interesse. In der Bilanz ist nach § 238 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 242 Abs. 1 Satz 1 und § 246 Abs. 1 Satz 1 das Vermögen des Kaufmanns vollständig auszuweisen. Welche Gegenstände im Einzelnen dem Vermögen des Bilanzierenden zuzurechnen sind, wird nunmehr nach § 246 Abs. 1 Satz 2 konkretisiert. Demnach sind VG in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen. Ist ein VG nicht dem Eigentümer, sondern einem anderen wirtschaftlich zuzurechnen, hat dieser ihn in seiner Bilanz auszuweisen. Mit dieser i. R.d. sog. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.09.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) eingeführten Vorschrift wurde erstmals ein allg. Grundsatz für die persönliche Zurechnung von VG im HGB kodifiziert. Eine inhaltliche Änderung der vorherigen, auf langjährig entwickelten GoB beruhenden Rechtslage hat der Gesetzgeber damit jedoch nicht beabsichtigt (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 84; Dörfler/Adrian, DB 2009, Beilage Nr. 5 zu Heft 23, S. 58 (59); Zülch/Hoffmann (2009), S. 51; Bonner-HdR (2010), § 246 HGB, Rn. 67; Vosseler (2010), S. 143).
Die Zurechnungskriterien des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums stehen in § 246 Abs. 1 Satz 2 in einem hierarchischen Regel-Ausnahme-Verhältnis: Der bilanzielle Ansatz eines VG richtet sich im Grundsatz nach dem rechtlichen Eigentum. "Nur wenn ein Vermögensgegenstand wirtschaftlich einem anderen als dem rechtlichen Eigentümer zuzurechnen ist, ist er bei dem anderen – dem wirtschaftlichen Eigentümer – zu bilanzieren" (BT-Drs. 16/12407, S. 84). Eine Zurechnung bei einem vom rechtlichen Eigentümer abweichenden wirtschaftlichen Eigentümer setzt voraus, dass diesem die wesentlichen Chancen und Risiken zukommen müssen (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 47; HdR-E, HGB § 246, Rn. 8; Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 6; NWB HGB-Komm. (2023), § 246, Rn. 225). Nur dann wird das zivilrechtliche Eigentum in einer Weise "ausgehöhlt", dass eine abweichende Zurechnung in Betracht kommt (vgl. Vosseler (2012), S. 136). Dabei kommt es nicht darauf an, ob dies aufgrund dinglicher oder schuldrechtlicher Rechtspositionen geschieht (vgl. ADS (1998), § 246, Rn. 264).
Die im BilMoG erstmals kodifizierte hierarchische Dualität von rechtlicher und wirtschaftlicher Zurechnung hatte schon vorher Bestand. So stellte der BGH bereits 1995 fest, dass eine Vernachlässigung der zivilrechtlichen Vermögenszuordnung "zugunsten einer unkontrollierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die auf die notwendige, die Zuordnung zum Vermögen des bilanzierenden Kaufmanns erst rechtfertigende zivilrechtliche Absicherung seiner Position verzichtet, [...] zu einer gegen das auch hier geltende Vorsichtsprinzip [...] verstoßenden irreführenden, weil zu günstigen Darstellung der Vermögenslage führen [würde, d.Verf.]. Die Bilanzierung von Vermögensgegenständen, die zivilrechtlich einem anderen Rechtssubjekt gehören, unter dem Gesichtspunkt "wirtschaftliches Eigentum" muss deshalb als Ausnahmetatbestand aufgefasst werden, der allenfalls in Betracht kommen kann, wenn das bilanzierende Unternehmen gegenüber dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer eine auch rechtlich abgesicherte Position hat, die es ihm ermöglicht, diesen dauerhaft dergestalt von der Einwirkung auf die betreffenden Vermögensgegenstände auszuschließen, dass seinem Herausgabeanspruch bei typischem Verlauf zumindest tatsächlich keine nennenswerte praktische Bedeutung zukommt" (BGH, Urteil vom 06.11.1995, II ZR 164/94, DB 1996, S. 268).
Rn. 24
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Die Konkretisierung der handelsrechtlichen Zurechnungsgrundsätze war schon in der Vergangenheit stark vom Steuerrecht geprägt (vgl. ADS (1998), § 246, Rn. 392). Durch die explizite Bezugnahme des Gesetzgebers auf die entsprechende steuerliche Regelung des § 39 AO wurde der Einfluss des Steuerrechts im Zuge des BilMoG weiter verfestigt (vgl. Vosseler (2010), S. 143). Ungeachtet geringfügiger Unterschiede im Wortlaut betont die RegB, dass § 246 Abs. 1 Satz 2 inhaltlich § 39 AO entspricht (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 84). Auch die von der (meist steuerlichen) Rspr. erarbeiteten Beurteilungskriterien sowie die steuerlichen Leasingerlasse (vgl. dazu ausführlich HdR-E, Kap. 6, Rn. 26ff.) zur inhaltlichen Ausfüllung der wirtschaftlichen Zurechnung sollen ausdrücklich ihre unveränderte Bedeutung behalten (BT-Drs. 16/10067, S. 47).
Der Gleichlauf von steuerlicher und handelsrechtlicher Zurechnung der Leasinggegenstände zeigt sich auch darin, dass explizite handelsrechtliche Detailvorschriften fehlen. Zwar hatte das IDW durch seine Stellungnahme HFA 1/1973 "Zur Berücksichtigung von Finanzierungs-Leasing-Verträgen im Jahresabschluss des Leasing-Nehmers" den Versuch einer Regelung unternommen (vgl. IDW, WPg 1973, S. 101f.). Aufgrund vehementer Kritik (vgl. insbesondere Flume, DB1973, S. 1661ff., sowie Leffson, DB 1976, S. 637f...