Dr. Wolfgang Knop, Dr. Peter Küting
Rn. 222
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Ebenso wie Art. 35 Abs. 3 lit. b) der 4. EG-R, gestattet es auch Art. 2 Nr. 7 der Bilanz-R, dass angemessene Teile der dem einzelnen Erzeugnis nur mittelbar zurechenbaren (fixen oder variablen) GK aktiviert werden dürfen. Der deutsche Gesetzgeber hat dieses sog. Angemessenheitsprinzip in nationales Recht übernommen, beschränkt dieses aber nicht mehr nur auf die produktionsbezogenen GK (vgl. dazu noch ADS (1995), § 255, Rn. 155), sondern erweitert dieses nunmehr auch auf die (sonstigen) aktivierungsfähigen GK (vgl. § 255 Abs. 2 Satz 3).
Rn. 223
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Die Angemessenheit des Werteverzehrs resultiert insbesondere aus dem Vorsichtsgrundsatz (vgl. auch HB-RP (1995), Teil I, Rn. 584). "Die Verknüpfung der Regeln über die Zulässigkeit der Ermittlung von HK mit dem Vorsichtsprinzip ist deshalb geboten, weil die verursachungsgerechte Zurechnung sämtlicher Kosten zu den einzelnen Leistungseinheiten, soweit es sich um echte Gemeinkosten und fixe Kosten handelt, zu den ungeklärten betriebswirtschaftlichen Fragen gehört" (Beck StB-HB (1988), Kap. A, Rn. 301). Zu Recht wird daher die nahezu selbstverständliche Forderung erhoben, dass die Zurechnung vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Kriterien entsprechen muss (vgl. WP-HB (2023), Rn. F 136), wobei weitere unbestimmte Rechtsbegriffe eingeführt werden. Mit dieser Forderung soll "klargestellt werden, daß bei der Zuordnung der Gemeinkosten, die nicht eindeutig zurechenbar sind, nicht willkürlich geschlüsselt werden darf" (Baetge/Hense, DStZ 1987, S. 378 (388)).
Rn. 224
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Konkret bringt das Angemessenheitsprinzip zum Ausdruck, dass nur tatsächlich angefallene Kosten verrechnet werden dürfen, so dass die Istkosten in jedem Fall die absolute Obergrenze darstellen. Weiterhin darf der sog. neutrale Aufwand nicht zur HK-Ermittlung herangezogen werden; die "Aktivierbarkeit ist somit auf den kostengleichen Aufwand beschränkt" (HdJ, Abt. I/5 (2020), Rn. 67). Auszuschalten ist demzufolge der betriebsfremde und außergewöhnliche Werteverzehr (vgl. Küting, BB 1981, S. 529). Auch müssen die Kosten einer Normalbeschäftigung entsprechen (vgl. Bonner-HdR (2021), § 255 HGB, Rn. 126), so dass jene Kosten zu eliminieren sind, die das "normale Maß wesentlich übersteigen" (Coenenberg/Haller/Schultze (2021), S. 108). Dahinter steht die Vorstellung, als "Kosten nur den normalen (durchschnittlichen, gewöhnlichen) Werteverzehr zu verrechnen, da anderenfalls die Ergebnisse der Kostenrechnung durch Zufallsschwankungen verzerrt werden und als Grundlage ‚normaler’ Dispositionen nicht mehr verwendbar sind" (Haberstock (1982), S. 18f.).
Bezogen auf die Beschäftigungslage heißt dies, dass bei der Umlage der GK von normalen Beschäftigungsverhältnissen auszugehen ist. Sog. Leerkosten dürfen somit als "Folge einer offenbaren, wesentlichen Unterbeschäftigung" (Schildbach et al. (2019), S. 309; vgl. auch Kühnberger, BB 1997, S. 672; Wohlgemuth/Ständer, WPg 2003, S. 203 (207)) nicht aktiviert werden (vgl. ausführlich HdR-E, HGB § 255, Rn. 294ff.).