Dr. Raphael Eichenlaub, Prof. Dr. Claus-Peter Weber
Rn. 5
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Die Vorschrift des § 261 setzt eine Pflicht zur Vorlage von Unterlagen und damit zur Führung und Aufbewahrung der Unterlagen auf einem Bild- oder anderen Datenträger voraus (vgl. ADS (1995), § 261, Rn. 3). Die Buchführungspflicht ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 238ff. (vgl. hierzu HdR-E, HGB § 238; zu der im Zuge des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) gewährten Ausnahmeregelung des § 241a HdR-E, HGB § 241a, Rn. 1ff.). Mithin muss es sich um einen Kaufmann i. S. d. § 1 HGB handeln. Die Aufbewahrungspflicht ergibt sich ebenso wie die Objekte der Vorlage (die jeweiligen Unterlagen) unmittelbar aus § 257 (vgl. HdR-E, HGB § 257, Rn. 17ff.). Nach § 257 Abs. 1 sind unter "Unterlagen" folgende Objekte (abschließend) zu subsumieren: Handelsbücher, Inventare, (Konzern-)Lageberichte sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen, die empfangenen Handelsbriefe ebenso wie Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe und Buchungsbelege. Eröffnungsbilanzen, JA/EA und KA fallen aus dem Anwendungsbereich heraus, da diese gemäß § 257 Abs. 3 Satz 1 nicht auf einem Bildträger oder anderen Datenträgern aufbewahrt werden dürfen. Mithin ist § 261 einerseits als Ergänzung zu den Vorgaben der §§ 258ff. zu sehen, andererseits geht er über die §§ 258ff. insoweit hinaus, als die Vorlagemodalitäten für alle aufbewahrungspflichtigen Unterlagen i. S. d. § 257 Abs. 1 ihre Gültigkeiten entfachen und sich nicht lediglich auf die Handelsbücher beschränken. Besteht keine Aufbewahrungspflicht (mehr), entfällt grds. auch die Anwendungsvoraussetzung des § 261. Allerdings bleibt in Fällen, in denen die entsprechenden Unterlagen noch vorhanden sind, die Pflicht zur Lesbarmachung weiterhin bestehen (vgl. Haufe HGB-Komm. (2020), § 261, Rn. 2f.; zur Kostentragung HdR-E, HGB § 261, Rn. 10ff.).
Rn. 6
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Auch der sachliche Anwendungsbereich geht über den der §§ 258ff. Hinaus, da § 261 nicht nur auf Rechtsstreitigkeiten sowie Vermögensauseinandersetzungen bzw. Gerichtliche Verfahren beschränkt ist, sondern ebenso außerhalb von Gerichtsverfahren Anwendung findet (vgl. BT-Drs. IV/2865, S. 9). § 261 ersetzt insoweit als lex specialis die allg. Vorschriften (bspw. § 811 Abs. 2 BGB). Voraussetzung ist aber, dass sich aufgrund einer anderen Vorschrift (vgl. auch zur entsprechenden steuerlichen Regelung § 147 Abs. 5 AO) bzw. eines Vertrags eine Vorlagepflicht ergibt (vgl. auch ADS (1995), § 261, Rn. 2). Allerdings ergeben schon praktische Argumente (ohne auf § 261 zu rekurrieren), dass eine entsprechende Verpflichtung den Kaufmann trifft, wenn er die genannten Dokumentationen freiwillig vorlegen will oder etwa in einem Rechtsstreit diese selbst als Beweismittel einbringt.
Rn. 7
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Umstritten ist in der Rspr. sowie im Schrifttum dagegen, ob § 261 (auch) im Strafprozess Anwendung findet (vgl. bejahend OLG Bremen, Beschluß vom 16.12.1975, Ws 156/75, NJW 1976, S. 685f.; OLG Hamm, Beschluß vom 13.03.1980, 3 Ws 349/79, NStZ 1981, S. 106; OLG Düsseldorf, Beschluß vom 24.09.1982, 1 Ws 527/82, NStZ 1983, S. 32; ADS (1995), § 261, Rn. 10; a. A. LG München (I), Beschluß vom 28.10.1980, 2 Kls 303 Js 12 869/79, NStZ 1981, S. 107ff.; Beck Bil-Komm. (2020), § 261 HGB, Rn. 3; Sannwald, NJW 1984, S. 2495ff.). Als Argumente gegen eine Anwendung werden diesbezüglich vorrangig aufgeführt: Einerseits die Stellung im HGB sowie andererseits, dass Handelsbücher nicht im Interesse der Strafrechtspflege zu führen sind, ferner in finanzgerichtlichen Verfahren entsprechende (explizite) Regelungen existieren. Indes ist nach hier vertretener Auffassung die Vorschrift des § 261 auch in einem etwaigen Strafprozess anzuwenden. Begründen lässt sich dies zum einen durch die offene Formulierung des § 261 und zum anderen damit, dass sich die Vorlagepflicht auch aus sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben kann, worunter auch die strafprozessualen Normen zu subsumieren sind. Darüber hinaus existiert im Strafrecht keine Regelung, die die Anwendung des § 261 ausschließt (auch § 23 JVEG findet keine Berücksichtigung; vgl. hierzu HdR-E, HGB § 261, Rn. 10). Weiter deuten der Wortlaut des Gesetzes sowie die explizite Formulierung der RegB ("ohne Rücksicht darauf [...], ob er [der Kaufmann, d.Verf.] [...] innerhalb oder außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens" (BT-Drs. IV/2865, S. 9, Herv. d. d. Verf.)) nicht auf eine Ausgrenzung des Strafrechts hin. Auch ist nach der ratio legis des § 261 ein Ausschluss zu negieren, da auch an dieser Stelle der Ausgleich der gewährten Erleichterungen gemäß § 257 Abs. 3 zum Tragen kommt; jedenfalls solange die Unterlagen in lesbarer Form entstanden sind (vgl. ebenso ADS (1995), § 261, Rn. 10). Zudem kann die inhaltlich ähnliche Norm der AO (vgl. § 147 Abs. 5) nicht veranlassen, dass die grds. Regelung des § 261 eine Einschränkung erfährt (vgl. JVEG-Komm. (2018), § 23, Rn. 15).