Prof. Paul Scharpf, Dr. Joachim Brixner
Rn. 348
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 92, spricht sich bei antizipativen Bewertungseinheiten für (erwartete, geplante) Beschaffungs- oder Absatzgeschäfte im Hinblick auf die Erwerbs- bzw. Verkaufspreise, die durch ein Termingeschäft abgesichert sind, dafür aus, dass Grundgeschäft (erwartete, noch nicht vertraglich vereinbarte Transaktion) und Sicherungsinstrument (Termingeschäft) in der Gesamtheit den Charakter eines schwebenden Geschäfts haben, auf das insgesamt gesehen (also auf die antizipative Bewertungseinheit als solche) die Grundsätze des IDW RS HFA 4 (2012) anzuwenden sind.
Sowohl aus konzeptionellen Gründen als auch aus praktischen Erwägungen liegt hier kein schwebendes Geschäft in der Gesamtbetrachtung vor (vgl. Glaser (2015), S. 150ff.). Bspw. beginnt der Schwebezustand erst mit dem rechtlich wirksamen Vertragsabschluss einer Transaktion (vgl. Beck-HdR, B 737 (2014), Rn. 343). Der Gesetzgeber wollte mit der Bildung antizipativer Bewertungseinheiten kein neues (bewertungsfähiges) WG entstehen lassen, denn die verschiedenen Bestandteile sind zwar (ökonomisch) miteinander verbunden, doch kann nicht die Rede von einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang sein.
Die Definition eines eigenständigen Bewertungsobjekts ist von der Definition der Reichweite des Saldierungsbereichs nach § 254 zu unterscheiden (vgl. Glaser (2015), S. 154f.).
Der Zweck von § 254 besteht darin, das Verlustantizipationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 und die dieses Prinzip konkretisierenden handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften nicht auf den wirksamen (effektiven) Anteil von Sicherungsbeziehungen anzuwenden (vgl. Patek, RdF 2012, S. 343 (346); Patek, BFuP 2011, S. 282 (290)). IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 92, ignoriert diese gesetzgeberische Regelungsintention jedoch in den o. g. Fällen.
Weder weist § 254 direkt darauf hin noch enthält die RegB einen Anhaltspunkt für die Ansicht in IDW RS HFA 35 (2011), Rn. 92. Vielmehr differenziert § 254 auf dr Grundgeschäftsebene ausdrücklich zwischen "schwebenden Geschäften" und "mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen", die mit Sicherungsinstrumenten, u. a. in Form von Finanzinstrumenten (auch schwebende Geschäfte), zur Bewertungseinheit zusammengefasst werden (vgl. Glaser (2015), S. 156). Die antizipative Sicherungsbeziehung in ihrer Gesamtheit stellt mithin weder direkt ein schwebendes Geschäft dar noch besitzt es den Charakter eines solchen (vgl. auch Glaser (2015), S. 158; Lüdenbach, StuB 2011, S. 383f.).
Insoweit wird zu Recht empfohlen (vgl. etwa MünchKomm. HGB (2013), § 254, Rn. 22), die Wertänderungen des Sicherungsinstruments so lange bilanz- und ergebnisunwirksam in einer Nebenrechnung zu erfassen, bis das Grundgeschäft realisiert wird; ggf. festgestellte negative ineffektive Teile der Sicherungsbeziehung sind durch eine Rückstellung zu erfassen. Schmidt/Usinger (vgl. Beck Bil-Komm. (2018), § 254 HGB, Rn. 54) präzisieren dies wie folgt: Bilanzwirksam werden insofern lediglich etwaige AK für das Sicherungsgeschäft (z. B. in Form von Optionsprämien oder Upfront Payments). Bei Eintritt des Grundgeschäfts sind die in der Nebenrechnung fortgeschriebenen Wertänderungen sowie etwaige AK des Sicherungsinstruments zeitkongruent mit der erfolgswirksamen Erfassung des Grundgeschäfts erfolgswirksam zu buchen. Mithin ist bspw. der Effekt aus der Absicherung eines Absatzgeschäfts grds. im Zeitpunkt des Verkaufs bzw. der Umsatzrealisierung erfolgswirksam zu erfassen, während der Effekt aus der Absicherung eines Erwerbsvorgangs zunächst bei der Ermittlung der AK des VG zu berücksichtigen ist und folglich erst bei Abschreibung bzw. Abgang desselben erfolgswirksam wird.
Folgen einer Bilanzierung i. S. d. IDW RS HFA 35 (2011): Nach Rn. 92 wäre bei (erwarteten, also antizipativen) Beschaffungsgeschäften über VG des UV (wegen des hierfür geltenden strengen NWP) zwingend eine Rückstellung (nach IDW RS HFA 4 (2012)) zu bilden, wenn der aus einem Börsen- bzw. Marktpreis abgeleitete Wert respektive der beizulegende Wert des VG unter dem Wert der Gegenleistung, d. h. dem in dem Termingeschäft vereinbarten Erwerbspreis liegt, während bei VG des AV wegen des gemilderten NWP auf eine solche Rückstellung (nach IDW RS HFA 4 (2012)) verzichtet werden könnte, es sei denn, es handelt sich um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung.
Bei schwebenden Absatzgeschäften wäre eine Drohverlustrückstellung nach IDW RS HFA 35 (2011) i. V. m. IDW RS HFA 4 (2012) zu bilden, wenn unter Berücksichtigung des im Termingeschäft vereinbarten Verkaufspreises der Wert der erwarteten Gegenleistung hinter dem Wert der zu erbringenden Leistung, d. h. den aktivierten AHK zzgl. der voraussichtlich noch anfallenden Aufwendungen, zurückbleibt.
Die vorstehend skizzierte Vorgehensweise würde einerseits dazu führen, dass bei Beschaffungsgeschäften über UV bzw. bei Absatzgeschäften nach IDW RS HFA 35 (2011) im Ergebnis bspw. ein Termingeschäft als Sicherungsinstrument faktisch einzeln bew...