Prof. Dr. Michael Dusemond, Dr. h.c. Armin Pfirmann
Rn. 35
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Forderungen entstehen originär bei der Gewährung von Darlehen sowie bei Lieferungen oder Leistungen. Abhängig von der Entstehungsursache lassen sich Forderungen daher grds. in Darlehensforderungen sowie Forderungen aus LuL untergliedern.
Rn. 36
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Bei Darlehensforderungen ("nicht gewinnrealisierende Forderungen") bildet der Auszahlungsbetrag die AK. Wird bei kurzfristigen Darlehensforderungen ein Auszahlungsdisagio vereinbart, was nicht der Regelfall sein wird, entsprechen die AK weiterhin dem Auszahlungsbetrag (Nettomethode; vgl. auch HdR-E, HGB § 253, Rn. 29). Der Unterschiedsbetrag zwischen (höherem) Rückzahlungsbetrag und Auszahlungsbetrag ist als (zusätzlicher) Zins für die Kap.-Überlassung zu qualifizieren, der, da der Zinsertrag erst mit der Leistungserbringung realisiert wird, über die Laufzeit der Ausleihung erfolgswirksam zu vereinnahmen ist. Der Wertansatz der Darlehensforderung ist entsprechend zu erhöhen. Der teilweise im Schrifttum geäußerten Ansicht, die Darlehensforderung zum Nennbetrag zu aktivieren und für das Disagio einen passiven RAP anzusetzen (Bruttomethode), wird wegen des damit einhergehenden Verstoßes gegen das Anschaffungswertprinzip nicht gefolgt (vgl. so aber Beck Bil-Komm. (2020), § 255 HGB, Rn. 254 sowie § 266 HGB, Rn. 260).
Rn. 37
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Der Zugang einer Forderung aus LuL ist aus der Perspektive des Realisationsprinzips erfolgswirksam; ihr Anschaffungswert ist folglich einnahmeorientiert und ergibt sich als erwarteter Zahlungsmitteleingang (vgl. Moxter, WPg 1984, S. 397 (399)). Als AK einer Forderung aus LuL gilt nicht der Wert der bspw. veräußerten Waren, sondern der Nennbetrag der Forderung, d. h. der Rechnungsbetrag inkl. USt (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 54; Beck Bil-Komm. (2020), § 255 HGB, Rn. 252). Der Wortlaut des § 255 Abs. 1 definiert die AK insoweit nicht ganz korrekt, da er nur die erfolgsneutralen AK erfasst, "wenn er als Anschaffungskosten die anläßlich des Zugangs gegebenen ‚Aufwendungen’ bezeichnet" (Moxter (1986), S. 42). Die Bewertung einer Forderung aus LuL zum Nennbetrag bedeutet aber, dass zu den AK der Forderung auch der Gewinnaufschlag zählt. Der Gewinn wird nicht erst beim Zahlungseingang, sondern bereits in dem Augenblick als realisiert angesehen, in dem die Bilanzierungsfähigkeit der Forderung eingetreten, d. h. die Lieferung oder Leistung sowie ggf. die Abnahme erfolgt ist.
Rn. 38
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Hat der Empfänger einer Ware ein Rückgaberecht, ist eine Gewinnrealisation grds. noch nicht möglich; die "Bewertung darf daher höchstens zu den AHK der gelieferten Waren abzgl. voraussichtlich anfallender Rücknahmekosten und abzgl. Wertminderungen infolge Beschädigungen zurückzunehmender Waren erfolgen" (WP-HB (2019), Rn. F 417). Insbesondere bei Versandhandels-UN dürfte es aus praktischen Gründen aber zulässig sein, die Forderungen generell mit den Nennbeträgen einzubuchen und in Höhe des Unterschieds zwischen dem Nennbetrag und dem an sich zu aktivierenden Betrag (AHK der gelieferten Waren abzgl. voraussichtlicher Rücknahmekosten und Wertminderungen für beschädigte Waren) eine Rückstellung zu bilden (vgl. WP-HB (2019), Rn. F 417).
Rn. 39
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Bei einer langfristigen Un- oder Minderverzinslichkeit einer Forderung aus LuL liegen bei realistischer Betrachtung eine Forderung aus einem Verkaufsgeschäft und eine Zinsforderung aus einem Kreditgeschäft vor, da davon auszugehen ist, dass infolge der Zinslosigkeit bzw. niedrigen Verzinsung ein höherer Preis vereinbart wurde als bei einem vergleichbaren Barverkauf. Während der Gewinn aus dem Verkaufsgeschäft nach erfolgter Lieferung oder Leistung realisiert ist, wird der Zinsertrag – ausgedrückt durch die Differenz zwischen vergleichbarem Barverkaufspreis und höherem vereinbarten Kaufpreis – erst während der Laufzeit der Kaufpreisforderung realisiert. Ein Ansatz der Forderung zum Nennbetrag würde folglich gegen das Realisationsprinzip verstoßen, weil dadurch zugleich auch ein noch nicht realisierter Zinsertrag ausgewiesen würde (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 255 HGB, Rn. 256). Es sind daher zunächst nur die AK der Kaufpreisforderung in Höhe des Barwerts, der dem fiktiven Barverkaufspreis entspricht, anzusetzen (vgl. Clemm (1984), S. 230). Die zeitanteilig entstehende Zinsforderung wird dann während der Laufzeit durch Aufzinsung des Barwerts als Zinsertrag realisiert (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 255 HGB, Rn. 256).
Soweit es sich bei einer niedrig verzinslichen oder zinslosen Forderung um eine kurzfristig fällige Forderung mit einer Restlaufzeit bis zu etwa einem Jahr handelt, kann eine Abzinsung aus Wesentlichkeitsgesichtspunkten unterbleiben.
Wird eine bereits bestehende Forderung entgeltlich von dritter Seite erworben (Abtretung gemäß § 398 BGB), ergeben sich die AK aus der Summe von Anschaffungspreis und Anschaffungsnebenkosten, auch wenn diese unter oder über dem Nennbetrag liegt (vgl. Biergans 1992, S. 353f.). Übersteig...