Dipl.-Ök. Heinz-Hermann Hellen, Dr. Martin Vosseler
Rn. 8
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Wie bereits erwähnt, stellt "Leasing" den Oberbegriff für eine Fülle verschiedenartiger Vertragstypen dar, die sich anhand unterschiedlichster Kriterien systematisieren lassen (vgl. hierzu ausführlich Büschgen (1998), Rn. 13ff.; Wöhe (1997), S. 242). Die Verträge lassen sich u. a. nach folgenden Merkmalen unterscheiden:
- Art des Leasingobjekts,
- Stellung des Leasinggebers im Leasingvertrag,
- Verpflichtungscharakter des Leasingvertrags,
- Ausgestaltung des Amortisationsanspruchs.
Rn. 9
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Nach der Art des Leasingobjekts ist zwischen Leasingverträgen über bewegliche VG (Mobilienleasing) und über unbewegliche VG (Immobilienleasing) zu differenzieren. IT-Software als Leasinggegenstand wird ungeachtet der Qualifikation als immaterielles WG (vgl. BFH, Urteil vom 18.05.2011, X R 26/09, BStBl. II 2011, S. 865) nach dieser Systematik dem Mobilienleasing zugerechnet. Das Immobilienleasing umfasst neben Grundstücken und Gebäuden auch Verträge über an einen festen Betriebsstandort gebundene Maschinen, deren wirtschaftliche Nutzung nur als Sachgesamtheit möglich ist (sog. "plant-Leasing"; vgl. Büschgen (1998), Rn. 31).
Rn. 10
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Ordnet man die Gesamtheit der Leasingvertragsgestaltungen nach der Stellung des Leasinggebers im Leasingvertrag, so unterscheidet man das direkte und das indirekte Leasingvertragsverhältnis. Während beim direkten Leasing der Leasingvertrag unmittelbar zwischen dem Hersteller des Leasingobjekts und dem Leasingnehmer geschlossen wird, ist beim indirekten Leasing eine Leasinggesellschaft Vertragspartner des Leasingnehmers (vgl. Andersons (1998), S. 5f.; Fahrholz (1979), S. 7).
Rn. 11
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Nach dem Verpflichtungscharakter des Vertrags unterscheidet man im deutschen Sprachgebrauch zwischen Operating-Leasing und Finanzierungsleasing. Die Abgrenzung erfolgt i.W. unter Berücksichtigung von Laufzeit, Kündbarkeit und Verteilung des Investitionsrisikos (vgl. exemplarisch ADS (1998), § 246, Rn. 386; Brakensiek (2001), S. 174f.; Büschgen (1998), Rn. 14ff.; Engel (1997), Rn. 138ff.; HdJ, Abt. I/8 (2020), Rn. 2ff.; Jürgens (1988), S. 6ff.; Lenz (1997), S. 7; Spittler (1999), S. 9f.; Wöhe (1997), S. 242ff.). International sind die Bezeichnungen Finance Lease, Operating Lease und – seltener – Operate Lease anzutreffen. Im Detail können je nach Kontext erhebliche Unterschiede im Begriffsverständnis bestehen, z. B. zwischen nationalem Steuer-, Bilanz- und Aufsichtsrecht oder international im Vergleich zu den IFRS sowie verschiedenen länderspezifischen GAAP.
Rn. 12
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Operating-Leasingverhältnisse sind, gemessen an der ND des Leasingobjekts, i. d. R. durch kurze Vertragslaufzeiten gekennzeichnet, wobei regelmäßig für beide Vertragsparteien ein kurzfristiges Kündigungsrecht besteht (vgl. Maus (1996), Rn. 57). Der Leasinggeber trägt das Investitionsrisiko, da ihn die mietvertraglichen Gewährleistungspflichten treffen (vgl. Reschke/Fusswinkel (2010), S. 11ff.) und er keinen Anspruch gegen den Leasingnehmer auf Amortisation der aufgewendeten AHK, Neben- und Finanzierungskosten hat. Die Amortisation liegt vielmehr in der Risikosphäre des Leasinggebers und erfolgt i. d. R. durch mehrfaches Überlassen an verschiedene Leasingnehmer (vgl. BaFin (2009), Abschn. III (Nr. 1)) und einen späteren Verkauf des Leasingobjekts. Schon aus diesem Grund zeichnen sich die im Wege des Operating-Leasing überlassenen VG meist durch ein hohes Maß an Fungibilität aus (vgl. Brakensiek (2001), S. 175).
Rn. 13
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Unter Finanzierungsleasing versteht das Aufsichtsrecht Verträge, bei denen über eine bloße befristete Gebrauchsüberlassung hinaus die Finanzierungsfunktion im Vordergrund steht (vgl. zur aufsichtsrechtlichen Einordnung des Finanzierungsleasing HdR-E, Kap. 6, Rn. 7). Davon ist auszugehen, wenn der Leasingnehmer die Sach- und Preisgefahr des Leasinggegenstands trägt, die Amortisation der Kosten des Leasinggebers faktisch sicherstellt und somit im Ergebnis das Investitionsrisiko übernimmt (vgl. BaFin (2009), Abschn. II (Nr. 1)).
Die steuerlichen Leasingerlasse (vgl. HdR-E, Kap. 6, Rn. 26ff.) subsumieren ihrem Wortlaut nach unter Finanzierungsleasing nur sog. Vollamortisationsverträge, bei denen der Vertrag während einer fest vereinbarten Grundmietzeit nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann und der Leasingnehmer (bereits) mit den während der Grundmietzeit zu entrichtenden Raten die AHK sowie alle Neben- und Finanzierungskosten des Leasinggebers deckt (vgl. BMF, Schreiben vom 19.04.1971, IV B/2 – S 2170–31/71, BStBl. I 1970, S. 264, Abschn. II (Nr. 1)). Insofern besteht ein Unterschied zum weiter gefassten aufsichtsrechtlichen Begriff des Finanzierungsleasings, der sämtliche in den Leasingerlassen geregelte Vertragsformen und darüber hinaus weitere Varianten (wie z. B. den Kilometervertrag im Fahrzeugleasing; vgl. HdR-E, Kap. 6, Rn. 43) einschließt (vgl. BaFin (2009), Abschn. II (Nr. 1)). Dieses umfasse...