Prof. Dr. Michael Dusemond, Prof. Dr. Sabine Heusinger-Lange
Rn. 70
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Bei dieser Bilanzposition ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten zu den Positionen "RHB", "Fertige Erzeugnisse" und "Forderungen".
Ein VG ist dann nicht mehr als Roh- oder Hilfsstoff auszuweisen, wenn der Zeitraum der Herstellung bereits begonnen hat (vgl. zur Abgrenzung des Zeitraums der Herstellung HdR-E, HGB § 255, Rn. 226ff.). Mit dem Beginn des Zeitraums der Herstellung hat eine Umgliederung des VG von den Rohstoffen zu den unfertigen Erzeugnissen zu erfolgen. Abfallstoffe, die i. R.d. Produktion angefallen sind und dieser wiederum zugeführt werden sollen, stellen ebenfalls unfertige Erzeugnisse dar. Sollen sie dagegen veräußert werden, ist ein Ausweis unter den "Fertige[n] Erzeugnisse[n]" angezeigt (vgl. ADS (1997), § 266, Rn. 108; Beck-HdR, B 214 (2014), Rn. 3; Beck Bil-Komm. (2020), § 266 HGB, Rn. 93).
Auf die Abgrenzung der unfertigen Erzeugnisse zu den fertigen Erzeugnissen wird i. R.d. Erläuterung der fertigen Erzeugnisse eingegangen (vgl. HdR-E, HGB § 266, Rn. 73ff.).
Rn. 71
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Die Abgrenzung zu den Forderungen ist insbesondere im Dienstleistungssektor von Bedeutung. Dienstleistungs-UN stellen keine Erzeugnisse im substanziellen Sinn her, sondern erbringen eine im Regelfall durch einen Auftrag bestimmte Dienstleistung. Durch diese Leistungen erwerben die UN lediglich einen Anspruch gegenüber dem Auftraggeber. Hierbei handelt es sich im juristischen Sinn nicht um eine Sache (vgl. § 90 BGB), sondern um ein Recht, genauer um eine Forderung, die in Abhängigkeit des Einzelfalls möglicherweise lediglich noch nicht auf vertraglicher Grundlage durchsetzbar ist. Ist der Auftrag am BilSt noch nicht vollständig erbracht, z. B. eine Organisationsanalyse von einem UN-Berater noch nicht fertig gestellt, so liegt – wirtschaftlich betrachtet – ein Ergebnis vor, das mit einem unfertigen Erzeugnis vergleichbar ist. Insofern werden die unfertigen Leistungen den unfertigen Erzeugnissen gleichgestellt.
Rn. 72
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Obwohl es sich im juristischen Sinn bei einer unfertigen Leistung um eine in Entstehung befindliche Forderung handelt, sieht das Bilanzgliederungsschema einen Ausweis unter dem Vorratsvermögen vor (vgl. ADS (1997), § 266, Rn. 109). Dies ist dadurch begründet, dass ein Ausweis als Forderung in der Bilanz nur dann zulässig ist, wenn gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung eingetreten ist. Zur Kenntlichmachung sollte jedoch eine Anpassung der Formulierung gewählt werden, d. h., sofern nur unfertige Leistungen vorliegen, sollten diese auch in der Bilanz so bezeichnet werden und der auf Sachen abzielende Begriff der unfertigen Erzeugnisse sollte gestrichen werden (vgl. mit a. A. Beck Bil-Komm. (2020), § 266 HGB, Rn. 100, wonach kein getrennter Ausweis gefordert wird). Eine solche Vorgehensweise ergibt sich auch aus § 265 Abs. 6 (vgl. HdR-E, HGB § 265, Rn. 94ff.). Des Weiteren sollten diese Tatbestände stets gesondert von den "Sachen", den eigentlichen unfertigen Erzeugnissen, ausgewiesen werden. Hat bspw. ein UN, das hauptsächlich die Produktion von VG im eigenen Namen betreibt, auch in Arbeit befindliche Dienstleistungsaufträge, so sollte das UN diesen Tatbestand i. R.d. Vorratsvermögens gesondert ausweisen. Errichtet etwa ein Bau-UN ein Gebäude auf einem eigenen Grundstück, so führt dies zu einem unfertigen Erzeugnis. Errichtet es demgegenüber das Gebäude auf einem fremden Grundstück, so erhält es im juristischen Sinn eine Forderung gegenüber dem Grundstückseigentümer, die bilanziell, solange noch keine Gewinnrealisierung eingetreten ist, als unfertige Leistung auszuweisen ist (vgl. Beck-HdR, B 214 (2014), Rn. 6; ähnlich ADS (1997), § 266, Rn. 109).