Prof. Dr. Michael Dusemond, Prof. Christoph Hell
Rn. 32
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Der AP hat seine Erklärung nach § 322 Abs. 3 Satz 1 einzuschränken oder zu versagen, wenn nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung noch Einwendungen zu erheben sind (vgl. § 322 Abs. 4 Satz 1). Gründe für Einschränkungen der positiven Gesamtaussage i. R.e. eingeschränkten BV können sich grds. aus zwei verschiedenen Tatbeständen ergeben (vgl. Haufe HGB-Komm. (2022), § 322, Rn. 57; IDW PS 405 (2021), Rn. 9; WP-HB (2023), Rn. M 1080; fernerhin zu Begriffserläuterungen IDW PS 405 (2021), Rn. 7):
(1) |
Der AP gelangt zu dem Prüfungsurteil, dass wesentliche Beanstandungen respektive Einwendungen gegen abgrenzbare Teile des JA, IFRS-EA (i. S. v. § 325 Abs. 2a) bzw. KA, des Lageberichts bzw. Konzernlageberichts, der Buchführung oder gegen sonstige Prüfungsgegenstände vorliegen. |
(2) |
Abgrenzbare und nicht unwesentliche Teile des Prüfungsgegenstands können aufgrund von Prüfungshemmnissen nicht mit hinreichender Sicherheit als zutreffend beurteilt werden. |
Als Voraussetzung für die Erteilung eines eingeschränkten BV in Abgrenzung zur Erteilung eines Versagungsvermerks muss jedoch für die wesentlichen Teile der RL immer noch ein Positivbefund möglich sein (vgl. § 322 Abs. 4 Satz 4; überdies Lück (1999), S. 191; Beck Bil-Komm. (2022), § 322 HGB, Rn. 170; WP-HB (2023), Rn. M 1083ff.).
Rn. 33
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Für die Einschränkung des BV muss sowohl bei Beanstandungen als auch Prüfungshemmnissen das Wesentlichkeitskriterium erfüllt sein (vgl. zum Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality) Lück (1998), S. 525; Lück (1999), S. 224; überdies IDW PS 250 (2012), Rn. 1ff.). Die Beurteilung der Wesentlichkeit obliegt dabei grds. dem pflichtgemäßen Ermessen des AP (vgl. Haufe HGB-Komm. (2022), § 322, Rn. 62; Lück, in: LdRA (1998), S. 525; WP-HB (2023), Rn. M 1095; Sarx, in: FS Clemm (1996), S. 337 (340); Beck Bil-Komm. (2022), § 322 HGB, Rn. 170).
Rn. 33a
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Das Wesentlichkeitskriterium dürfte insbesondere dann erfüllt sein, wenn die Beanstandungen oder Prüfungshemmnisse wegen ihrer relativen Bedeutung zu einer unzutreffenden Beurteilung der RL führen können (vgl. ADS (2000), § 322, Rn. 221; Haufe HGB-Komm. (2022), Rn. 63; fernerhin IDW PS 250 (2012), Rn. 5ff.). Als quantitative Komponente zur Beurteilung der Wesentlichkeit kann die Relation zwischen der Auswirkung eines Fehlers und einer sinnvollen Bezugsgröße (z. B. Betrag der betroffenen JA-Position) verwendet werden (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 322 HGB, Rn. 168; WP-HB (2023), Rn. M 1097). Das Wesentlichkeitskriterium kann aber auch dann erfüllt sein, wenn gegen besonders bedeutsame Einzelvorschriften verstoßen wird ((qualitative Komponente)); vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 322 HGB, Rn. 168; Lück, in: LdRA (1998), S. 525; WP-HB (2023), Rn. M 1093ff., M 1098; Sarx, in: FS Clemm (1996), S. 337 (340)). Weiterhin können mehrere unwesentliche Beanstandungen und Prüfungshemmnisse insgesamt wesentlich sein und eine Einwendung erforderlich machen (vgl. ADS (2000), § 322, Rn. 222; WP-HB (2023), Rn. M 1093).
Rn. 33b
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Der AP sollte aufgrund seiner Treuepflicht den Mandanten zunächst auffordern, die Ursache für die Einwendungen durch eine Änderung des Entwurfs des JA, IFRS-EA (i. S. v. § 325 Abs. 2a) bzw. KA und/oder des Lageberichts bzw. Konzernlageberichts zu beseitigen (vgl. ADS (2000), § 322, Rn. 213). Werden vorgebrachte Einwendungen vor Abschluss der Prüfung korrigiert, kann ein uneingeschränkter BV erteilt werden (vgl. ADS (2000), § 322, Rn. 214; Beck Bil-Komm. (2022), § 322 HGB, Rn. 167, 175; Haufe HGB-Komm. (2022), § 322, Rn. 64; WP-HB (2023), Rn. M 1103).
Rn. 34
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Eine Einschränkung des BV ist grds. eine Einzelfallentscheidung des AP. Folgende beispielhafte Aufzählung gibt jedoch eine Vorstellung von den Sachverhalten, die zu einer Einschränkung des BV führen können (vgl. Lück (1999), S. 191; Elkart/Naumann, WPg 1995, S. 402 (403ff.); WP-HB (2023), Rn. M 1121ff.; Beck Bil-Komm. (2022), § 322 HGB, Rn. 183; ADS (2000), § 322, Rn. 270ff.; Haufe HGB-Komm. (2022), § 322, Rn. 70, 83; überdies IDW PS 405 (2021), Rn. A5ff.):
(1) |
Wesentliche Beanstandungen:
- Mängel in der Buchführung: z. B. Unstimmigkeiten zwischen der Haupt- und Nebenbuchhaltung, generelle mangelhafte Ordnungsmäßigkeit der Buchführung;
- Verstöße gegen Ansatz- und Bewertungsvorschriften: z. B. wesentliche Über- oder Unterbewertungen, keine oder nicht ausreichende Bildung von notwendigen Rückstellungen.
- Verstöße gegen Ausweisvorschriften: z. B. kein gesonderter Ausweis der Kap.-Rücklage (vgl. § 272 Abs. 2);
- Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften: z. B. bei AG/KGaA/SE keine Abgabe des Abhängigkeitsberichts nach § 312 AktG;
- Verstöße gegen gesellschafts- oder satzungsrechtliche Bestimmungen, soweit sich diese auf die RL beziehen;
- Verstöße gegen die Berichtspflicht im (Konzern-)Anhang: z. B. unvollständige und unzutreffende oder unterlassene Angaben (vgl. hierzu auch IDW PS 250 (2012), Rn. 28);
- Mangelhafte Berichterstattung ...
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