Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
Rn. 25
Stand: EL 15 – ET: 11/2012
Nach dem Grundsatz der MGB der HB für die SB, der sich aus § 5 Abs. 1 EStG ergibt (vgl. Herzig, HdR-E, Kap 3, Rn. 3ff.), ist das handelsrechtl. Vermögen regelmäßig auch stl. anzusetzen. Damit orientiert sich das StR am handelsrechtl. Rückstellungsbegriff. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Der Große Senat des BFH entschied durch Beschl. v. 03.02.1969 (BStBl. II 1969, S. 291ff.), dass Aktivposten, die handelsrechtl. ansatzfähig sind, steuerrechtl. aktiviert werden müssen und dass Passivposten steuerrechtl. nur angesetzt werden dürfen, wenn sie in der HB passiviert werden müssen. Auf die Rückstellungen übertragen heißt das: Rückstellungen mit Passivierungszwang sind auch in der SB anzusetzen.
Rn. 26
Stand: EL 15 – ET: 11/2012
Zur Abgrenzung des Rückstellungsbegriffs hat der BFH folgende Kriterien entwickelt (vgl. insbes. BFH-Urt. v. 19.10.1993, BStBl. II 1993, S. 891ff. m. w. N.):
(1) |
Es muss eine Schuld bestehen oder ihre künftige Entstehung wahrscheinlich sein; gemeint ist damit eine Verbindl. gegenüber einem Dritten. Darunter fallen auch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, wenn sie hinreichend konkretisiert sind, und zwar entweder
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durch eine Vfg. einer zuständigen Behörde, wonach ein bestimmtes Handeln vorgesehen ist, oder |
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unmittelbar durch ein Gesetz, sofern dieses ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln vorsieht, ein bestimmter Zeitraum vorgesehen ist und für den Fall der Nichterfüllung Sanktionen angedroht sind, so dass die Verpflichtung durchgesetzt werden kann. |
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(2) |
Die Verbindl. muss vor dem BilSt wirtschaftlich verursacht sein. Da sich dieses Merkmal nicht präzise fassen lässt, sind die Grenzen der Passivierungspflicht immer wieder im Fluss. Nachdem der BFH früher zeitweise eine "wirtschaftliche Entstehung" verlangt hatte, kehrte er zur "wirtschaftlichen Verursachung" zurück. Diese setzt voraus, dass der Tatbestand, der die Verpflichtung auslöst, i. W. verwirklicht ist. Dabei ist der Tatbestand wirtschaftlich zu verstehen als die Ereignisse, die zum Entstehen der Verpflichtung führen und die dem abgelaufenen GJ zuzurechnen oder wirtschaftlich mit diesem verknüpft sein müssen. Teilw. stellte der BFH auf die wirtschaftliche Wertung der rechtlichen Struktur des Tatbestands ab. Der Tatbestand war dabei i. W. verwirklicht, wenn die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt. Die Abgrenzung richtete sich danach, ob die zurückzustellenden zukünftigen Aufwendungen mit bereits realisierten oder mit zukünftigen Erträgen zusammenhängen. Der BFH hat aber ausdrücklich festgestellt, dass es in seiner Rspr. keinen Grundsatz gibt, wonach es auf den Zusammenhang mit bereits realisierten oder zukünftigen Erträgen ankomme (vgl. BFH-Urt. v. 27.06.2001, DB 2001, S. 1698; v. 30.01.2002, DB 2002, S. 1636; vgl. auch HdR-E, HGB § 249, Rn. 39) und wieder allein darauf abgestellt, ob die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindl. erfüllt sind und das rechtliche Entstehen nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt (BFH-Urt. v. 30.11.2005, DB 2006, S. 532). Nach Auffassung des I. Senats des BFH (Urt. v. 27.06.2001, DB 2001, S. 1698) ist eine Rückstellung auch dann zulässig, wenn die Verbindl. rechtlich entstanden ist; auf die wirtschaftliche Verursachung komme es dann nicht mehr an. Der IV. Senat (Urt. v. 08.09.2011, BB 2011, S. 3119) hat diese Frage offengelassen und den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung in bestimmten Fällen stärker zurückbezogen (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 39 und 42). |
(3) |
Der Schuldner muss ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen. Bei einseitigen Verbindl., zu denen auch die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen gehören, ist nach Auffassung des BFH die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme nur zu bejahen, wenn der Gläubiger bzw. die zuständige Behörde Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hat oder die Kenntnisnahme unmittelbar bevorsteht. |
Rn. 27
Stand: EL 15 – ET: 11/2012
Über den MGB-Grundsatz hat sich der Gesetzgeber im Hinblick auf § 249 in mehrfacher Weise hinweggesetzt. So beschränkt § 5 Abs. 3 EStG die Bildung von Patentverletzungsrückstellungen in der SB und § 5 Abs. 4 EStG die Jubiläumsrückstellungen. Die Durchbrechung bei den Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen aus rein haushaltsmäßigen Gründen ist auf heftige Kritik in Literatur und Praxis gestoßen. Erst ab 1993 sind Jubiläumszuwendungen wieder stl. zugelassen, allerdings unter folgenden einschränkenden Voraussetzungen: nur für Dienstjubiläen nach mehr als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit, Zurücklegung von mind. zehn Dienstjahren, schriftliche Zusage und Nachholverbot (vgl. § 5 Abs. 4 EStG i. d. F. des Steuerreformgesetzes 1990). Da die Rückstellungen in der SB erst ab 1993 angesammelt werden, gibt es noch über einen längeren Zeitraum hinweg Unterschiede zum Wertansatz in der HB. Ab 1997 dürfen Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften stl. ni...