Prof. Dr. Norbert Herzig, Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
Rn. 232
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Steuerliche Wahlrechte mit Subventionscharakter können unstreitig gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz) EStG steuerlich autonom, d. h. ohne entsprechende Abbildung in der HB ausgeübt werden, Letzteres ist ausgeschlossen. Die Eliminierung steuerlich bedingter Verzerrungen aus der HB war primäres Ziel der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit (vgl. Hennrichs, Ubg 2009, S. 533). Auch aus Billigkeitsgründen (vgl. § 163 Satz 2 AO) gewährte steuerliche Wahlrechte unterfallen dem steuergesetzlichen Wahlrechtsvorbehalt des § 5 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz) EStG, ihre Ausübung wird durch die GoB nicht beschränkt.
Rn. 233
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Unter den Subventionswahlrechten zentral ist das durch § 6b EStG eröffnete steuerliche Wahlrecht, i. R.d. Veräußerung bestimmter WG des AV (insbesondere Grund und Boden, Gebäude, Anteile an KapG) aufgedeckte stille Reserven bis zu 100 % von den AHK eines in § 6b EStG jeweils bezeichneten begünstigten WG abzuziehen. Erfolgen Veräußerung und Übertragung der stillen Reserven nicht im selben WJ, kann zunächst eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (vgl. § 6b Abs. 3 Satz 1, Abs. 10 Satz 5 EStG), so dass insoweit neben der Bewertungs- auch die Ansatzebene tangiert wird. Das steuerliche Wahlrecht zur Übertragung stiller Reserven bzw. Rücklagenbildung ist unstreitig vom Wahlrechtsvorbehalt des § 5 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz) EStG erfasst; die Ausübung wird durch die GoB nicht beschränkt (vgl. BMF, Schreiben vom 12.03.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 239ff. (Rn. 13f.)). Handelsrechtlich darf weder die Rücklagenbildung noch die Minderung der AHK um aufgedeckte stille Reserven nachvollzogen werden. Der Veräußerungsgewinn erhöht – korrigiert um passive Steuerlatenzen – das handelsrechtliche Jahresergebnis und damit das Ausschüttungspotenzial.
Rn. 234
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Entsprechendes gilt für das gewohnheitsrechtlich gefestigte Wahlrecht zur Bildung einer Rücklage bei Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR (2012) als zentrales Billigkeitswahlrecht. Insoweit liegt zwar kein gesetzliches Wahlrecht, dennoch aber ein "steuerliches Wahlrecht" i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz) EStG vor, für das der steuergesetzliche Wahlrechtsvorbehalt greift (vgl. BMF, Schreiben vom 12.03.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 239ff. (Rn. 12f.)). Das Handelsrecht ist (bis auf Steuerlatenzfolgen) auch insoweit abgeschnitten. In der HB darf weder die Rücklagenbildung nachvollzogen, noch stille Reserven auf die AHK des Ersatz-WG übertragen werden.
Rn. 235
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Weitere steuerliche Wahlrechte mit Subventionscharakter, die unabhängig von der HB ausgeübt werden können und im Ausübungsfall zu Abweichungen zwischen HB und StB führen, sind insbesondere erhöhte Absetzungen (z. B. nach den §§ 7h bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie 7i EStG bei Baudenkmälern) ebenso wie Bewertungsfreiheiten und erhöhte Absetzungen für bestimmte WG nach den §§ 81ff. EStDV oder steuerliche Sonder-AfA, z. B. nach § 7b EStG für Mietwohnungsneubau oder § 7g EStG zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe (vgl. für eine Übersicht über subventionelle sowie Billigkeitswahlrechte H/H/R (2021), § 5 EStG, Rn. 280f.). Der ausschüttungsfähige Gewinn wird durch Ausübung steuerlicher Wahlrechte mit Subventions-/Billigkeitscharakter nur noch durch Steuerlatenzen berührt. Durch Ausübung subventioneller oder aus Billigkeitsgründen erlassener Wahlrechte steuerlich "konservierte" stille Reserven sind im Übrigen grds. ausschüttungsfähig.
Rn. 236
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Für Computerhardware sowie Betriebs- und Anwendersoftware gewährt die Finanzverwaltung im Erlasswege die Möglichkeit, der AfA unabhängig von der tatsächlichen betriebsgewöhnlichen ND eine ND von (nur) einem Jahr zugrunde zu legen (vgl. BMF, Schreiben vom 26.02.2021, IV C – 3 – S 2190/21/10002 :013, BStBl. I 2021, S. 298ff.). Die mögliche Herabsetzung der ND auf ein Jahr ist gleichbedeutend mit einer Sofort-AfA-Möglichkeit. Diese ist anders als die Sofort-AfA geringwertiger WG (vgl. HdR-E, Kap. 3, Rn. 207ff.) weder betraglich auf eine AHK-Obergrenze einzelner WG beschränkt noch insgesamt betraglich gedeckelt. Auch bei unterjähriger Anschaffung muss keine zeitanteilige AfA über zwei VZ erfolgen, da § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG eine AfA über mehrere Jahre nur für den Fall vorsieht, dass sich die ND auf mehr als ein Jahr erstreckt. In dieser subventionell auf die Förderung der Digitalisierung ausgerichteten Verwaltungsanweisung (vgl. zur Rechtfertigung Kowallik, DB 2021, S. 536 (537)) ist sowohl dem Wortlaut nach ("kann [...] eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden") als auch im sachlichen Ergebnis ein steuerliches Wahlrecht zu sehen (vgl. Horst, DB 2021, M4f.; Wengerofsky, EStB 2021, S. 256; H/H/R (2021), § 7 EStG, Rn. 190). Es unterfällt damit dem steuerlichen Wahlrechts- (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) ebenso wie Ver...