Prof. Dr. Hartmut Bieg, Prof. Dr. Gerd Waschbusch
Rn. 119
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Ergänzt wird diese in das übergeordnete Konzept des beherrschenden Einflusses integrierte "bilanzrechtliche Relations-Beschreibung" (Küting/Grau/Seel, DStR 2010, Beilage Nr. 5 zu Heft 22, S. 33 (36)) durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Gemäß § 290 Abs. 2 Nr. 4 liegt auch dann ein beherrschender Einfluss vor, wenn einem UN die Mehrheit der Risiken und Chancen aus der Tätigkeit einer sog. – vielfach auch als "special purpose entity" respektive "special purpose vehicle" bezeichneten – Zweckgesellschaft zusteht. Durch eine solch – der international damals noch einschlägigen Vorschrift des SIC-12 entlehnte – ökonomische Betrachtung soll letztlich sichergestellt werden, dass die seit "jeher eine Herausforderung" (Oser et al., WPg 2008, S. 105 (107)) für die (inter-)nationale (Konzern-)RL darstellende Einbeziehung sog. off-balance-sheet-"Vertragskonstellationen" (Fülbier/Gassen, DB 2007, S. 2605 (2611)) in den (Voll-)Konsolidierungskreis nicht mittels formalrechtlicher Gestaltungen umgangen wird (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 117).
Rn. 120
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Eine "Zweckgesellschaft" wird in § 290 Abs. 2 Nr. 4 allg. als ein UN definiert, das zur "Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient" (vgl. auch grundlegend wie ausführlich dazu Mojadadr (2013), S. 16ff., m. w. N.). Jedoch wird der UN-Begriff insofern ausgedehnt, als die UN-Eigenschaft nicht unbedingt gegeben sein muss; dies wiederum ergibt sich daraus, dass bestimmte „sonstige juristische Personen des Privatrechts [bspw. e. V. gemäß § 21 BGB oder rechtsfähige privatrechtliche Stiftungen nach § 80 BGB, d.Verf.] oder unselbständige Sondervermögen des Privatrechts [z. B. Investmentfonds, d.Verf.], ausgenommen
- als Sondervermögen aufgelegte offene inländische Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen i. S. d. § 284 KAGB oder
- vergleichbare EU-Investmentvermögen oder
- ausländische Investmentvermögen, die den als Sondervermögen aufgelegten offenen inländischen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen i. S. d. § 284 KAGB vergleichbar sind, oder
- als Sondervermögen aufgelegte geschlossene inländische Spezial-AIF oder
- vergleichbare EU-Investmentvermögen oder ausländische Investmentvermögen, die den als Sondervermögen aufgelegten geschlossenen inländischen Spezial-AIF vergleichbar sind”,
diesen UN gleichzustellen sind (vgl. dazu auch BT-Drs. 19/28868, S. 95, 133; überdies DRS 19.48f.).
I.d.R. werden Zweckgesellschaften neu gegründet und folgen folgendem Schema: Ein UN (Initiator bzw. Sponsor) transferiert VG und/oder Schulden auf die Zweckgesellschaft, wofür er das Recht erhält, das zur Objektgesellschaft gehörende Vermögen zu nutzen bzw. andere Leistungen zu erhalten (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. XV, S. 377 (393)). Gleichwohl ist bspw. bei einer Auslagerung von FuE-Aktivitäten auch lediglich die Nutzung (ohne vorangegangene Übertragung) möglich. Die Finanzierung des notwendigen Kap. wird regelmäßig von einem Investor (z. B. einer Bank oder einem sonstigen Finanzdienstleister) bereitgestellt, welcher seinerseits "kein originäres Interesse an dem von betreffender Gesellschaft verfolgten Zweck" (Küting/Brakensiek, StuB 2002, S. 209 (210)) besitzt. Ebenso werden bei der Gründung solch einer Gesellschaft regelmäßig alle wesentlichen Geschäftstätigkeiten für die vorbestimmte sowie eingegrenzte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft vertraglich festgelegt (sog. Autopilot-Mechanismus; vgl. lediglich Dusemond/Küting/Wirth (2018), S. 161ff.; WP-HB (2023), Rn. G 32ff.).
Rn. 121
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Eine Zweckgesellschaft wird als TU angesehen, sofern die Möglichkeit einer Beherrschung besteht, wobei hier allein auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise abzustellen ist. Ein beherrschender Einfluss liegt gemäß § 290 Abs. 2 Nr. 4 vor, sofern das MU die Mehrheit der Chancen und Risiken trägt. Kommt es infolge von Informationsasymmetrien zwischen den beteiligten Parteien zur inkongruenten Verteilung von Chancen und Risiken, sind – kontrastierend zu IFRS 10 bzw. SIC-12 (a. F.) – vorrangig die Risiken zu berücksichtigen (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 117). Zur Identifikation, wem letztlich die Mehrheit der Chancen und Risiken aus einer Zweckgesellschaft zusteht, werden in der RegB zum BilMoG folgende, sich an der derweil durch IFRS 10 substituierten Interpretation SIC-12 orientierende (vgl. dazu auch Beck Bil-Komm. (2022), § 290 HGB, Rn. 72, m. w. N.) Tatbestände aufgeführt (BT-Drs. 16/12407, S. 89):
(1) |
„Die Geschäftstätigkeit der Zweckgesellschaft wird zugunsten der besonderen Geschäftsbedürfnisse eines anderen Unternehmens geführt. |
(2) |
Ein anderes Unternehmen kann mittels Entscheidungsmacht die Mehrheit des Nutzens aus der Geschäftstätigkeit der Zweckgesellschaft ziehen oder hat diese Entscheidungsmacht mittelbar durch die Einrichtung eines ‚Autopilot’-Mechanismus. |
(3) |
Ein anderes Unternehmen verfügt über das Recht, die Mehrheit des Nutzens aus der Zweckgesellschaft zu ziehen und ist deshalb unter Umständen ... |