Dr. Karl Petersen, Prof. Dr. Christian Zwirner
Rn. 107
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
§ 19 PublG sanktioniert sowohl das unbefugte Offenbaren als auch – straferschwerend (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 PublG) – das unbefugte Verwerten von Geheimnissen. Die Offenbarung eines Geheimnisses besteht in seiner Mitteilung (auch durch schlüssiges Verhalten oder Verzicht auf die Verhinderung) an einen Dritten, der dieses gar nicht, nicht in diesem Umfang, nicht in dieser Form oder nicht sicher kennt (vgl. Fischer-StGB (2022), § 203, Rn. 33; Beck Bil-Komm. (2022), § 333 HGB, Rn. 13). Die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Dritten ist bereits ausreichend, ebenso wie die bloße Bestätigung einer Vermutung oder eines Gerüchts (vgl. RG, Urteil vom 26.06.1894, Rep. 1828/84, RGSt 26, S. 5 (7); RG, Urteil vom 16.05.1905, Rep. 370/05, RGSt 38, S. 62 (65); MünchKomm. BilR (2013/II), § 333 HGB, Rn. 22). Der Prüfer kann ein Geheimnis auch offenbaren, indem er nicht verhindert, dass ein Dritter Einblick in seine Unterlagen erhält. Zum Zeitpunkt der Tat muss die zu offenbarende Tatsache noch Geheimnischarakter besitzen (vgl. HdR-E, HGB § 333, Rn. 16).
Rn. 108
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Verwertung setzt eine über die bloße Offenbarung hinausgehende wirtschaftliche Ausnutzung des Geheimnisses voraus, mit der eine Gewinnerzielungsabsicht verbunden ist (vgl. HdR-E, HGB § 333, Rn. 17; BayOLG, Urteil vom 28.10.1983, RReg. Z St 200/83, NStZ 1984, S. 169; Haufe HGB-Komm. (2021), § 333, Rn. 29). I.d.R. erfolgt eine Verwertung gegen Entgelt (vgl. HdR-E, HGB § 333, Rn. 17). Es ist ausreichend, wenn der Täter mit der Verwertung einen Vermögensvorteil für einen anderen beabsichtigt; es muss sich nicht um eine Verwertung zu seinem eigenen Vorteil handeln. Weiterhin ist es unerheblich, ob die Verwertung eine wirtschaftliche Rückwirkung auf das UN hat. Eine Verwendung zu politischen oder ideellen Zwecken erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 PublG, jedoch i. d. R. zumindest des § 19 Abs. 1 PublG, da sie mit einer Veröffentlichung des Geheimnisses einhergeht (vgl. Heymann (2020), § 333 HGB, Rn. 28).
Rn. 109
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Unbefugt ist die Offenbarung oder Verwertung eines Geheimnisses immer dann, wenn der AP oder Gehilfe zur Weitergabe weder berechtigt noch verpflichtet ist. Eine unbefugte Offenbarung liegt nicht vor, wenn die UN-Vertreter die Befugnis dazu erteilt haben (vgl. HdR-E, HGB § 333, Rn. 18; Beck Bil-Komm. (2022), § 333 HGB, Rn. 13). Ebenso ist die Erfüllung der gesetzlichen Berichtspflicht nach den §§ 6, 14 PublG i. V. m. § 321 oder eine Verdachtsmeldung nach dem GwG nie unbefugt (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 333 HGB, Rn. 13). Aussagen vor Gericht oder Behörden stellen nur dann eine befugte Offenbarung dar, wenn kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht. Sollte der AP oder Gehilfe nicht von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung befreit sein, muss er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Praktisch besonders bedeutsam ist dies bei einem Wechsel der Organe, insbesondere im Insolvenzverfahren. Vielfach wird hier die Befreiung sowohl des früheren als auch des aktuellen Organs gefordert (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 333 HGB, Rn. 14).
Rn. 110
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Sowohl die Verschwiegenheitspflicht als auch das Verwertungsverbot gelten zeitlich unbegrenzt, also auch noch nach Beendigung des Mandats (vgl. HdR-E, HGB § 333, Rn. 20).