Prof. Dr. Christian Zwirner, Dr. Corinna Boecker
Rn. 22
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Gemäß § 293d Abs. 2 AktG besteht die Verantwortlichkeit der Vertragsprüfer explizit sowohl gegenüber den beteiligten Vertragsparteien als auch gegenüber deren Anteilseignern (Aktionären). Konkretisiert werden die aktienrechtlichen Vorschriften durch einen Gesetzesverweis auf § 323. Dies schließt neben dem Pflichtenmaßstab hinsichtlich Gewissenhaftigkeit, Verschwiegenheit, Unparteilichkeit sowie dem Verbot zur unbefugten Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (vgl. Bürgers/Körber (2021), § 293d AktG, Rn. 6) v.a. auch die Fragen nach Haftung bzw. Schadensersatz mit ein (vgl. ausführlich zum Pflichtenmaßstab eines Prüfers HdR-E, HGB § 323, Rn. 4ff., sowie zur möglichen Inanspruchnahme HdR-E, HGB § 323, Rn. 27ff.). Dabei erstreckt sich die Verantwortlichkeit neben den Vertragsprüfern selbst zugleich auf deren Gehilfen sowie auf die gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft, welche bei der betreffenden Prüfung mitwirken (vgl. AktG-Komm. (2024), § 293d, Rn. 8).
Rn. 23
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Falls die Pflichtverletzung eines Vertragsprüfers auf leichter Fahrlässigkeit beruht, ist eine Begrenzung der Haftung summenmäßig möglich. Im Zuge des Inkrafttretens des FISG wurde die Haftung für AP in § 323 Abs. 2 allerdings erheblich verschärft (vgl. bspw. Homborg/Landahl, NZG 2021, S. 859ff.). Diese Verschärfung wirkt sich über den unveränderten Verweis auf § 323 in § 293d Abs. 2 Satz 1 AktG auch auf die Vertragsprüfer aus. Während die Haftung in Bezug auf Non-PIE-KapG von 1 Mio. EUR auf 1,5 Mio. EUR erhöht wurde (bei grober Fahrlässigkeit: 12 Mio. EUR), beträgt die Haftungshöchstgrenze im Zusammenhang mit PIE, die kap.-marktorientiert i. S. d. § 264d (vgl. § 316a Satz 2 Nr. 1) sind, nun sogar 16 Mio. EUR – dies stellt gegenüber der alten Rechtslage eine Vervierfachung dar (bei grober Fahrlässigkeit: keine Begrenzung). Handelt es sich bei der beteiligten PIE um ein Kreditinstitut oder eine Versicherung i. S. d. § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3, ist die Haftung bei leichter Fahrlässigkeit auf 4 Mio. EUR, bei grober Fahrlässigkeit auf 32 Mio. EUR beschränkt. Bei Vorsatz existiert überhaupt keine Höchstgrenze. Ein Haftungsausschluss ist nach § 323 Abs. 4 i. V. m. § 293d Abs. 2 Satz 1 AktG nicht möglich. Hinsichtlich einer möglichen Verjährung des Ersatzanspruchs gilt § 195 BGB, wonach die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt (vgl. MünchKomm. AktG (2023), § 293d, Rn. 22).
Rn. 24
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
§ 293d Abs. 2 Satz 2 AktG begründet explizit einen eigenen Schadensersatzanspruch der Anteilsinhaber der vertragschließenden UN, sofern der Vertragsprüfer seine Prüfungspflichten schuldhaft verletzt hat (vgl. AktG-Komm. (2024), § 293d, Rn. 8). Verbundene UN sind nicht automatisch dergestalt geschützt, als ihnen ein Schadensersatzanspruch zusteht, sondern es kommt auch in diesem Fall darauf an, dass diese verbundenen UN zugleich Anteilseigner einer der vertragschließenden Gesellschaften sind (vgl. MünchKomm. AktG (2023), § 293d, Rn. 20). Damit manifestiert § 293d Abs. 2 Satz 1 AktG explizit eine Abweichung von § 323 Abs. 1 Satz 3, wonach sich bereits aus dem Kriterium "verbundenes UN" ein Schadensersatzanspruch begründet. Eine mögliche Haftung des Vertragsprüfers gegenüber Anteilseignern der vertragschließenden Gesellschaften stellt eine versteckte, allerdings nicht unwichtige Ergänzung (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 293d, Rn. 5) zu den Vorschriften der §§ 304f. AktG über die Ausgleichs- bzw. Abfindungszahlungen (vgl. hierzu HdR-E, AktG § 293d, Rn. 4; Raiser/Veil (2015), § 62, Rn. 68ff., 73ff.) dar.
Rn. 25
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Mit den Regelungen über die Verantwortlichkeit der Vertragsprüfer sollen diese in besonderem Maße in die Pflicht genommen werden. Der Zweck liegt v.a. in der Sicherstellung eines angemessenen und verlässlichen Prüfungsergebnisses. Die Vereinbarung von zu hohen bzw. zu niedrigen Ausgleichs- oder Abfindungszahlungen soll so vermieden werden (vgl. Bürgers/Körber (2021), § 293d AktG, Rn. 6; MünchKomm. AktG (2023), § 293d, Rn. 19).
Rn. 26
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Die §§ 403f. AktG beinhalten Strafvorschriften hinsichtlich einer Verletzung der Berichts- und Geheimhaltungspflicht. Diese gelten auch für Vertragsprüfer i. S. v. § 293d AktG. Je nach Vergehen umfassen die möglichen Strafen eine Bandbreite beginnend mit einer Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.