Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Rn. 21
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Das MU muss dann dem UN-Vertrag zustimmen, wenn es sich um einen BHV oder GAV gemäß § 291 Abs. 1 AktG handelt und das andere UN eine AG, KGaA oder SE ist. Die AG, KGaA oder SE muss ihren Sitz im Inland haben, weil das deutsche Konzernrecht nur für deutsche UN Schutzwirkung entfaltet. Ebenso soll § 293 Abs. 2 AktG dann nicht – auch nicht analog – anwendbar sein, wenn das TU ein ausländisches UN ist, das nicht von Vorschriften, die mit den §§ 302–305 AktG vergleichbar sind, geschützt wird (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 123, 126; Hüffer-AktG (2022), § 293, Rn. 18). BHV und GAV bergen auch für die MU Risiken, nämlich die Pflicht zur Verlustübernahme nach § 302 AktG, zur Sicherheitsleistung an die Gläubiger nach § 303 AktG, zur Zahlung eines angemessenen Ausgleichs nach § 304 AktG sowie zur Zahlung einer Abfindung nach § 305 AktG. Deshalb soll es nicht allein der Verwaltung des MU überlassen sein, den Vertrag abzuschließen; vielmehr dürfen die Aktionäre selbst auf der HV über den BHV oder GAV abstimmen. Dies gilt auch dann, wenn eine Abfindungs- oder Ausgleichsverpflichtung nicht besteht, weil es in dem beherrschten UN keine außenstehenden Aktionäre gibt. Ist das MU eine KG oder GmbH, so findet § 293 Abs. 2 AktG wegen der einschneidenden Bedeutung der möglichen Verlustübernahme entsprechend Anwendung (vgl. BGH, Beschluß vom 24.10.1988, II ZB 7/88, NJW 1989, S. 295 (297f.); BGH, Beschluß vom 30.01.1992, II ZB 15/91, NJW 1992, S. 1452 (1453); Hüffer-AktG (2022), § 293, Rn. 18a; MAH PersGesR (2019), § 26, Rn. 27; BeckOGK-AktG (2022), § 293, Rn. 37; a. A. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 103ff.). Eine Beurkundung analog zu § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG ist dagegen für Zustimmungsbeschlüsse einer KG oder GmbH, die kein HV-Beschluss sind, nicht zu verlangen (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 111f.).
Rn. 22
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Beim Abschluss eines BHV und GAV entsprechen die Befugnisse der HV des MU denen der HV des TU. Das bedeutet, dass auch der HV des herrschenden UN ein Initiativrecht zukommt. Diese kann auf den Vorstand einwirken, einen BHV und GAV abzuschließen. Dies ergibt sich aus § 83 Abs. 1 Satz 2 AktG, welcher der HV das Recht zugesteht, vom Vorstand die Vorbereitung und den Abschluss von Verträgen, die nur mit Zustimmung der HV wirksam werden, zu verlangen. Zweck der Vorschrift ist die effektive Wahrnehmung von Zuständigkeiten der HV, die ein Interesse am Abschluss eines UN-Vertrags nach § 291 Abs. 1 AktG haben kann. Dieser Zweck ist auch auf Seiten des MU einschlägig (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 7; BeckOGK-AktG (2022), § 293, Rn. 4; Hüffer-AktG (2022), § 293, Rn. 23).
Rn. 23
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Im mehrstufigen Konzern, in dem BHV und GAV nicht nur zwischen MU und TU, sondern auch mit einem EU bestehen, kommt es für die Beurteilung, ob ein Beschluss nach § 293 Abs. 1 oder § 293 Abs. 2 AktG erforderlich ist, darauf an, wer Verpflichtete und wer Berechtigte des Vertrags sein sollen. Schließt das TU mit einem anderen Konzern-UN einen UN-Vertrag ab, durch den es sich verpflichtet, so muss seine HV dem Vertrag gemäß § 293 Abs. 1 AktG zustimmen. Ist es dagegen Berechtigtes eines mit einem EU geschlossenen UN-Vertrags, bestimmt sich der Zustimmungsbeschluss nach § 293 Abs. 2 AktG. Außerdem ist die zeitliche Reihenfolge relevant, in der die Verträge geschlossen worden sind bzw. werden. Ein bereits bestehender Vertrag zwischen TU und EU wird von dem Zustimmungsbeschluss zu einem Vertrag des TU mit dem MU umfasst. Schließt dagegen das MU mit dem EU einen BHV oder GAV, ist eine Zustimmung des zwischengeschalteten TU nicht notwendig. Wenn das EU einen UN-Vertrag mit dem zwischengeschalteten TU abschließt, erfasst die Zustimmung auf der HV der Enkelin zugleich einen UN-Vertrag auf übergeordneter Ebene, also zwischen TU und MU. Dies ist die Konsequenz aus den §§ 131 Abs. 1 Satz 2, 293g AktG, die den Aktionären des EU einen Anspruch auf Auskunft über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen UN und damit auch zu den übergeordneten UN gewähren (vgl. Pentz, NZG 2000, S. 1103 (1109)). Betrifft ein UN-Vertrag mit einem TU oder EU grundlegende Entscheidungen, so kann nach der Holzmüller-Entscheidung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.1982, VII ZR 287/80, NJW 1982, S. 1703ff.) ein Zustimmungsbeschluss des MU notwendig sein. Da der BGH seit den Gelatine-Entscheidungen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.04.2004, II ZR 155/02, NJW 2004, S. 1860ff.) Zurückhaltung bei der Annahme einer ungeschriebenen Zuständigkeit der HV walten lässt, wird dies jedoch allenfalls in krassen Ausnahmefällen anzunehmen sein (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 115ff.; generell ablehnend: Hüffer-AktG (2022), § 293, Rn. 20, m. w. N.).
Rn. 24
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Gemäß § 293 Abs. 2 Satz 2 AktG gelten die Vorschriften des § 293 Abs. 1 Satz 2ff. AktG sinngemäß (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 100). Demnach bedarf der Zustimmungsbeschluss gemäß § 133 Abs. 1 AktG de...