Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
aaa) Vorbemerkungen
Rn. 168
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
§ 266 Abs. 3 A. III. 3. sieht einen getrennten Ausweis der satzungsmäßigen (statutarischen) Rücklagen von den anderen Gewinnrücklagen vor. Dieser Sonderausweis erfordert eine genaue Charakterisierung der satzungsmäßigen Rücklagen, um sie gegenüber den anderen Gewinnrücklagen abgrenzen zu können.
Obwohl die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag sowohl eine Pflicht als auch ein Wahlrecht zur Bildung satzungsmäßiger Rücklagen vorsehen kann, hat nach h. M. lediglich bei satzungsmäßigen Pflichtrücklagen ein gesonderter Ausweis unter dem Bilanzposten A. III. 3. des § 266 Abs. 3 zu erfolgen, während satzungsmäßige Ermessensrücklagen stets zu einer Dotierung der anderen Gewinnrücklagen führen (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 272 HGB, Rn. 250; Beck-HdR, B 231 (2011), Rn. 115ff.; Bonner-HdR (2019), § 272 HGB, Rn. 89 f.). Satzungsmäßige Rücklagen sind demnach dadurch charakterisiert, dass sie im Gesellschaftsvertrag zwingend vorgeschrieben sind. Sie umfassen nicht solche Rücklagen, zu deren Bildung der Vorstand oder die Geschäftsführung satzungsmäßig nur ermächtigt sind. Auf die Zweckbestimmung der satzungsmäßigen Rücklagen kommt es dabei nicht an.
Rn. 169
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Da keine gesetzlichen Vorschriften über die Art der Bildung satzungsmäßiger Rücklagen bestehen, kann der Gesellschaftsvertrag die unterschiedlichsten Formen der Dotierung von satzungsmäßigen Rücklagen vorsehen. Niehus ((1982), S. 325) führt als Beispiele nachfolgende Formulierungen an:
(1) |
X % des Jahresüberschusses sind in die satzungsmäßigen Rücklagen einzustellen. |
(2) |
Soweit der Jahresüberschuss ausreicht, sollen sämtliche über eine Dividende von X % hinausgehenden Beträge in die satzungsmäßigen Rücklagen eingestellt werden. |
bbb) Satzungsmäßige Rücklagen bei einer AG/KGaA/SE
Rn. 170
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Die Bildung satzungsmäßiger Rücklagen ist für UN in der Rechtsform einer AG/KGaA/SE ausschließlich in § 58 AktG (für die KGaA i. V. m. § 278 Abs. 3 AktG) geregelt. Nach § 58 Abs. 1 AktG kann die Satzung bestimmen, dass die HV bei der Feststellung des JA Beträge aus dem Jahresüberschuss in andere Gewinnrücklagen einzustellen hat. Gleichwohl scheidet in diesem Fall eine Dotierung der satzungsmäßigen Rücklagen aus, weil der Gesetzgeber ausdrücklich von einer Einstellung in andere Gewinnrücklagen spricht und sich damit auf den Gliederungsposten A. III. 4. des § 266 Abs. 3 bezieht (vgl. Selchert (1997), S. 541; Beck Bil-Komm. (2022), § 272 HGB, Rn. 250).
Rn. 171
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Eine Satzungsermächtigung nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG, nach der Vorstand und AR einer AG respektive (dualistisch strukturierten) SE (bei monistischer Leitungsstruktur: der Verwaltungsrat; bei einer KGaA: der Komplementär bzw. die Komplementäre als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan) mehr als die Hälfte des (korrigierten) Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen dürfen, führt nach den gleichen Überlegungen ebenfalls nicht zur Bildung einer satzungsmäßigen Rücklage nach § 272 Abs. 3 Satz 2, sondern lediglich zu einer Einstellung in andere Gewinnrücklagen i. S. d. § 266 Abs. 3 A. III. 4. (vgl. ADS (2024), § 272, Rn. 301; Selchert (1997), S. 541; a. A. Haller, DB 1987, S. 645 (648)).
Rn. 172
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Kontrastierend zu den Fällen des § 58 Abs. 1 bzw. § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG, die i. R.d. Bilanzfeststellung lediglich eine Dotierung der anderen Gewinnrücklagen zulassen, bestimmt § 58 Abs. 3 Satz 1 AktG, dass die HV im Gewinnverwendungsbeschluss "weitere Beträge in Gewinnrücklagen" einstellen kann. Die Verwendung des in § 266 Abs. 3 A. III. genannten Oberbegriffs "Gewinnrücklagen" schließt grds. keine der dort bezeichneten vier Unterkategorien der Gewinnrücklagen von einer Dotierung nach § 58 Abs. 3 Satz 1 AktG aus. Da es sich aber auch in diesem Fall regelmäßig um Ermessensrücklagen handelt, darf auch bei einem entsprechenden HV-Beschluss keine Einstellung in die satzungsmäßigen Rücklagen erfolgen; vielmehr sind die thesaurierten Gewinne den anderen Gewinnrücklagen zuzurechnen.
Rn. 173
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Neben dieser auf einem HV-Beschluss beruhenden Dotierung der Rücklagen kann die Satzung der AG/KGaA/SE auch zwingend vorschreiben, dass aus dem Bilanzgewinn weitere Rücklagen zu bilden sind, bevor eine Ausschüttung an die Anteilseigner erfolgt (vgl. § 58 Abs. 4 AktG). In diesem Fall ist der entsprechende Teil des Bilanzgewinns den satzungsmäßigen Rücklagen zuzuweisen. Da das AktG keine weiteren Bestimmungen zur Bildung satzungsmäßiger Rücklagen enthält, stellt die Vorschrift des § 58 Abs. 4 AktG die einzige Grundlage für die Bildung einer satzungsmäßigen Rücklage dar.
Rn. 174
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Wird durch die Satzungsbestimmung die vom Gesetzgeber in § 150 Abs. 2 AktG für die gesetzliche Rücklage und die Kap.-Rücklage vorgesehene Obergrenze von 10 % des gezeichneten Kap. erhöht, führt dies nicht zur Bildung einer satzungsmäßigen Rücklage; (auch) die entsprechenden Beträge werden dann vielmehr Bestandteil der gesetzlichen Rücklage.
Rn. ...