Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
Rn. 20
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Für die europäische AG (SE) gelten die SE-VO (EG) Nr. 2157/2001 (ABl. EG, L 294/1ff. vom 10.11.2001) sowie das von der BRD verabschiedete SE-Ausführungsgesetz (SEAG) vom 22.12.2004 (BGBl. I 2004, S. 3675ff.). Gemäß Art. 38 der SE-VO darf eine SE monistisch oder dualistisch strukturiert sein. Der Aufbau betreffender Gesellschaft ist in der Satzung zu bestimmen. Unabhängig davon, ob die SE monistisch oder dualistisch aufgebaut ist, verfügt sie stets über eine HV der Aktionäre. Im monistischen System verfügt die SE neben der HV über ein Verwaltungsorgan. Eine dualistisch strukturierte SE verfügt über eine HV, ein Aufsichts- und ein Leitungsorgan. Der Aufbau einer SE im dualistischen System entspricht somit dem Aufbau einer "normalen" AG i. S. d. AktG.
Rn. 21
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Art. 61 der SE-VO stellt klar, dass für die Aufstellung des JA, KA und Lageberichts sowie für deren Offenlegung und Prüfung die aktienrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaates gelten, in dem die SE ihren Sitz hat. Für die Bestellung des AP einer dualistisch strukturierten SE mit Sitz in Deutschland gelten also grds. dieselben Vorschriften wie für eine AG i. S. d. AktG. Die Wahl des AP setzt mithin voraus, dass das Leitungsorgan die HV unter Bekanntmachung der Tagesordnung einberuft. Das Aufsichtsorgan hat der HV einen AP vorzuschlagen (vgl. § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG). Der Vorschlag des Aufsichtsorgans ist in der Tagesordnung unter den Voraussetzungen des § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG bekannt zu machen. Die Wahl des AP muss zwingend durch die HV erfolgen, die bei ihrer Wahl nicht an den Vorschlag des Aufsichtsorgans gebunden ist. Sofern die Satzung der SE kein anderweitiges Mehrheitserfordernis festlegt, ist für die Wahl des AP eine einfache Mehrheit (vgl. § 133 Abs. 1 AktG) der anwesenden Aktionäre erforderlich. Die Satzung der Gesellschaft kann indes festlegen, dass z. B. von mehreren Kandidaten derjenige gewählt wird, der die meisten Stimmen erhält.
Rn. 22
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Eine SE mit monistischem System verfügt mit dem Verwaltungsrat neben der HV nur über ein weiteres Gesellschaftsorgan, so dass sich deren Aufbau von der einer AG i. S. d. AktG unterscheidet. Der differierende Aufbau führt dazu, dass bestimmte aktienrechtliche Vorschriften nicht anwendbar sind. Aus diesem Grund normieren die §§ 20 bis 49 SEAG entsprechende Regelungen für die SE im monistischen System. Gemäß § 20 SEAG sind die Vorschriften zu AR und Vorstand (vgl. §§ 76 bis 116 AktG) auf die SE im monistischen System nicht anwendbar, sondern werden von den speziellen Vorschriften der §§ 21ff. SEAG verdrängt. Da sich der Wortlaut des § 20 SEAG ausschließlich auf die Vorschriften zu AR und Vorstand bezieht, gelten für die HV der SE dieselben Vorschriften (vgl. §§ 118ff. AktG) wie für die HV einer AG i. S. d. AktG. Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG obliegt das Recht zur Wahl des AP ausschließlich der HV. § 22 Abs. 2 Satz 2 SEAG stellt klar, dass auch bei der SE im monistischen System für die Wahl des AP eine einfache Mehrheit der anwesenden Aktionäre ausreichend ist, sofern die Satzung keine anderen Mehrheitsverhältnisse fordert.
Rn. 23
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Die Rechte und Pflichten des Vorstands bzw. des AR einer AG gelten sinngemäß für den Verwaltungsrat einer SE, sofern nicht Vorschriften des SEAG etwas anderes bestimmen (vgl. § 22 Abs. 6 SEAG). Da das SEAG keine speziellen Regelungen hinsichtlich Einberufung der HV normiert, ist die HV durch den Verwaltungsrat unter Bekanntmachung der Tagesordnung einzuberufen. Der Verwaltungsrat hat ferner der HV einen AP vorzuschlagen.