Dr. Julia Zicke, Prof. Dr. Christoph Hütten
Rn. 114
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
§ 325 Abs. 2b spricht von einer "befreienden Wirkung" der Offenlegung eines IFRS-EA. Da § 325 Abs. 2b Nr. 3 indes als zentrale Voraussetzung der Befreiung die Hinterlegung des handelsrechtlichen JA (mitsamt BV bzw. Vermerks über dessen Versagung) fordert, kann i. d. S. nur von einer begrenzt befreienden Wirkung die Rede sein (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 325 HGB, Rn. 201; überdies kritisch dazu Schmid, DB 2017, S. 377ff.). Hintergrund ist, dass insbesondere den Gesellschaftsgläubigern der handelsrechtliche JA – auch weiterhin – aufgrund seiner Funktion im Hinblick auf die Kap.-Erhaltung und Ausschüttungsbemessung zugänglich sein sollte (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 45, 47; BT-Drs. 19/28177, S. 101f.). Von dieser Option soll nach der Gesetzesidee im Interesse einer positiven Öffentlichkeitswirkung Gebrauch gemacht werden (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 45f.), "nach bisheriger Erkenntnis tendiert die praktische Bedeutung jedoch gegen Null. Infrage kommen dabei aus Wirtschaftlichkeitsgründen ohnehin nur solche Gesellschaften, die für den Konzernpflichtabschluss nach § 315e sog. ‚packages’ liefern müssen" (NWB HGB-Komm. (2023), § 325, Rn. 25; vgl. im Übrigen HdR-E, HGB § 325, Rn. 129ff.).
Unverändert gegenüber der Rechtslage vor DiRUG muss der handelsrechtliche JA und diesbezügliche BV bzw. Vermerk über dessen Versagung bei Offenlegung eines IFRS-EA nur dauerhaft im UN-Register hinterlegt werden. In diesem Fall kann er kostenpflichtig auf Antrag durch die Übermittlung einer Kopie eingesehen werden (vgl. § 9 Abs. 6 Satz 3).
Rn. 115
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Der Gesetzgeber will durch die freiwillige Offenlegung eines IFRS-EA die Funktionen des handelsrechtlichen JA nicht reduzieren, was auch in den umfangreichen Bedingungen, die an eine freiwillige Offenlegung eines IFRS-EA geknüpft werden, zum Ausdruck kommt. Der Normenzweck der Abs. 2a und 2b des § 325 war in der Umsetzung des Art. 5 der sog. IAS-VO (EG) Nr. 1606/2002 (ABl. EG, L 243/1ff. vom 11.09.2002) in nationales Recht durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) vom 04.12.2004 (BGBl. I 2004, S. 3166ff.) begründet, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Anwendung der IFRS für alle UN auch für den EA zuzulassen. Besagte Vorschriften wurden vor dem Hintergrund eingefügt, dass es den UN ermöglicht werden sollte, für die Außendarstellung zu (reinen) Informationszwecken ebenfalls einen EA nach internationalen RL-Standards aufzustellen. Mit dieser auf die Offenlegung beschränkten Form der Ausübung des Mitgliedstaatenwahlrechts der IAS-VO ging der Gesetzgeber einen Kompromiss ein, einerseits bei der JA-Erstellung an den HGB-Normen festzuhalten und andererseits den UN die Möglichkeit zu geben, ihren EA auf international verständliche Weise zu präsentieren (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 45). Er begründet seine Ausübung des Mitgliedstaatenwahlrechts mit dem Grad der Erfüllung unterschiedlicher RL-Funktionen. Während ein IFRS-EA für Zwecke der Informationsvermittlung besonders geeignet sei, könne er etwa eine Ausschüttungsbemessungsfunktion eher weniger zufriedenstellend erfüllen; Selbiges gilt für Zwecke der Besteuerung ebenso wie staatlicher Beaufsichtigung (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 23; Beck Bil-Komm. (2022), § 325 HGB, Rn. 132). Folglich fordert der Gesetzgeber ohne Ausnahme von jedem UN hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Kap.-Erhaltung bzw. Ausschüttungsbemessung, der Besteuerung und staatlichen Beaufsichtigung, einen JA nach HGB aufzustellen und ggf. prüfen zu lassen (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 45). Damit orientieren sich die Regeln der Kap.-Aufbringung und -Erhaltung weiterhin am tradierten Vorsichtsprinzip und setzen eine nach den §§ 246ff. gefasste Bilanz voraus (diese Entscheidung wurde nachdrücklich begrüßt u. a. vom AKBR, BB 2004, S. 546).
Rn. 116
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Zur Verdeutlichung dieser Unterscheidung eines nach HGB-Regeln bzw. IFRS erstellten Abschlusses durch den Funktionscharakter wählte der Gesetzgeber unterschiedliche Abschlussbezeichnungen. Der in zahlreichen Vorschriften verwendete Begriff "JA" bleibt für den EA nach HGB reserviert, während ein IFRS-EA als "Einzelabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards" bzw. "Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB" eindeutig zu bezeichnen ist (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 46).
Rn. 117
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Während der Anwendungsbereich der befreienden Offenlegung mit dem BilReG lediglich auf große und kap.-marktorientierte KapG begrenzt war, da nur diese die Befreiung in Bezug auf die BAnz-Publizität wahrnehmen konnten, erweiterte die Umsetzung des sog. Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006 (BGBl. I 2006, S. 2553ff.) den Anwendungsbereich des § 325 Abs. 2a auf alle KapG (vgl. auch HdR-E, HGB § 324a, Rn. 5ff.). Mit dem DiRUG wurde diese Erweiterung wieder zurückgenommen und der Anwendungsbereich – "entsprechend der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers" (BT-Drs. 19/28177, S. 101...