Prof. Dr. Lutz Richter, Dr. Magdalena Kruczynski
Rn. 54
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Vor Verabschiedung des BilMoG war eine eigenständige StB im deutschen Steuerrecht nahezu unbekannt. Neben der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die steuerliche Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG (a. F.) galt die umgekehrte Maßgeblichkeit i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG (a. F.). Letztere hatte zur Folge, dass steuerliche Wahlrechte nur in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Vorgehensweise ausgeübt werden konnten. Aus diesen Verknüpfungen zwischen HB und StB resultierte die Einheitsbilanz, die bis zur Verabschiedung des BilMoG die RL wesentlich prägte (vgl. zur Entwicklung HdR-E, Kap. 3, Rn. 1ff.). Um das Informationsniveau des handelsrechtlichen JA zu erhöhen, wurde im Zuge der Bilanzrechtsmodernisierung die fast 20 Jahre bestehende umgekehrte Maßgeblichkeit der StB für die HB aufgegeben und damit die Verselbständigung der StB vorangetrieben (vgl. Herzig/Briesemeister/Schäperclaus, DB 2011, S. 1f.). Trotz des Wegfalls der umgekehrten Maßgeblichkeit der StB für die HB besitzt die in § 5 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) EStG verankerte Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die steuerliche Gewinnermittlung unverändert ihre Gültigkeit (vgl. BMF, Schreiben vom 12.03.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 239 (Rn. 1); Richter, GmbHR 2010, S. 505ff.). Sofern der Steuerpflichtige keine gesonderte StB aufstellt, bildet die HB die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung unter Beachtung der vorgeschriebenen steuerlichen Anpassungen (vgl. bei Abgabe in Papierform § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV; zur Abgabe in elektronischer Form § 5b Abs. 1 Satz 2 EStG). Mangels einer gesetzlichen Definition des Begriffs "Steuerbilanz" geht das Steuerrecht von den handelsrechtlichen Begriffen der Bilanz und der GuV aus, deren Gliederungsschemata in den §§ 266 und 275 geregelt sind. Die dort vorausgesetzten und in Bezug genommenen handelsrechtlichen GoB sind ebenfalls für die steuerliche Gewinnermittlung anzuwenden. Das BMF bestätigte die Geltung der Grundsätze der Bilanzklarheit und Übersichtlichkeit (vgl. § 243 Abs. 2) sowie der Ansatz- und Bewertungsstetigkeit (vgl. §§ 246 Abs. 3, 252 Abs. 1 Nr. 6) auch für die E-Bilanz (vgl. BMF, Schreiben vom 19.01.2010, IV C 6 – S 2133-b/0, BStBl. I 2010, S. 47 (Rn. 1)). Die Maßgeblichkeit wird nur bei Existenz eigenständiger steuerlicher Vorschriften durchbrochen, die explizit Abweichungen von der HB regeln (vgl. § 5 Abs. 1a bis 4b und Abs. 6 EStG; §§ 6, 6a und 7 EStG).
Rn. 55
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Bei der Aufstellung der Bilanz und GuV sind somit – unabhängig vom Bilanzierungsstandard (Handelsrecht, Steuerrecht oder Einheitsbilanz) – grds. die Gliederungsvorschriften der §§ 266 und 275 anzuwenden. Ihre Gültigkeit beschränkt sich auf KapG, PersG i. S. d. § 264a, eG (vgl. § 336 Abs. 2 Satz 1) sowie publizitätspflichtige UN i. S. d. §§ 1 und 3 PublG (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG; im Übrigen HdR-E, HGB § 266, Rn. 1ff.). Die E-Bilanz und E-GuV orientieren sich zwar an diesen Vorschriften, weichen jedoch in ihrer Gliederungstiefe erheblich von diesen ab. Die für die steuerliche Deklaration notwendigen Gliederungen weisen eine Vermischung von handelsrechtlichen und steuerlichen Elementen auf, wobei Letztere dominieren (vgl. Hoffmann, DB 2010, Heft 38, M 1).
Für Nicht-KapG, die nicht unter das PublG fallen, existiert hingegen keine gesetzliche Mindestgliederung für die Bilanz. § 247 Abs. 1 bestimmt lediglich, dass in der Bilanz das AV und das UV, das EK, die Schulden sowie die RAP gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern sind. Das Kriterium der hinreichenden Aufgliederung wird durch die GoB bzw. insbesondere den Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (vgl. § 243 Abs. 2) bestimmt. § 247 Abs. 1 lässt sich damit lediglich als Rahmenvorschrift für die Minimalgliederung der Bilanz deuten (vgl. HdR-E, HGB § 247, Rn. 10ff.). Die zwingende Aufstellung der Gliederung nach § 266 kann grds. nicht von Nicht-KapG gefordert werden, auch wenn sich die Gliederung in der Praxis häufig an dem gesetzlichen Schema orientiert (vgl. ADS (1998), § 247, Rn. 23ff.). Im Hinblick auf die steuerliche Deklaration läuft § 247 Abs. 1 ins Leere, denn die E-Bilanz zwingt Nicht-KapG zur Anwendung des auf § 266 aufbauenden steuerlichen Gliederungsschemas (vgl. ebenso Herzig/Briesemeister/Schäperclaus, DB 2010, Beilage Nr. 5 zu Heft 41, S. 1 (9); a. A. Schumann/Arnold, DStZ 2011, S. 226 (233)). Der bis zur Einführung der E-Bilanz für Einzel-UN und PersG bestandene Gestaltungsspielraum (vgl. ADS (1998), § 247, Rn. 10) entfiel infolge der Standardisierung.
Für den Aufbau der GuV existiert für Nicht-KapG, die nicht unter das PublG fallen, keine gesetzliche Regelung, so dass die Gliederung des § 275 ebenfalls nur als Orientierungshilfe angesehen werden kann. Analog zwingt die E-GuV Nicht-KapG zur Anwendung des auf § 275 aufbauenden steuerlichen Gliederungsschemas.
Für die handelsrechtliche RL sind zudem größenabhängige Erleichterungen von Belang, wona...