Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
Rn. 93
Stand: EL 05 – ET: 03/2010
Gemeinsames Merkmal der Rückstellungen für Umweltschutzmaßnahmen in den verschiedenen Varianten ist, dass es sich um Verpflichtungen handelt, die den UN durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsanordnung in allg. Form oder durch konkrete Vfg. der zuständigen Behörde im Einzelfall auferlegt werden. Für derartige öffentlich-rechtliche Verpflichtungen verlangt der BFH eine hinreichende Konkretisierung und hat dazu Kriterien aufgestellt, die zusätzlich zu den Voraussetzungen von Rückstellungen für ungewisse Verbindl. (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 32ff.) vorliegen müssen. Diese Konkretisierung ist gegeben (insbes. vgl. BFH-Urt. v. 19.10.1993, BStBl. II 1993, S. 891)
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bei einer Vfg. der zuständigen Behörde, wenn diese ein bestimmtes Handeln vorschreibt, |
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bei einer gesetzl. Grundlage,
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wenn diese ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln vorsieht, |
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das innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfüllt sein muss und |
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dieses Handlungsgebot sanktionsbewehrt und damit durchsetzbar ist. |
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Der BFH hat auch in neueren Entscheidungen an diesen Kriterien festgehalten (vgl. BFH-Urt. v. 27.06.2001, DB 2001, S. 1698; BFH-Beschl. v. 08.11.2000, DB 2001, S. 410; BFH-Urt. v. 25.03.2004, BB 2004, S. 1620 und v. 21.09.2005, DB 2006, S. 1678; vgl. auch Moxter, A. 2001, S. 569), stellt aber mehr auf das Kriterium der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme im allg. Sinne ab (HdR-E, HGB § 249, Rn. 58, 103). Insofern sieht Christiansen, A. (2008, S. 735) eine Neuorientierung des BFH.
Rn. 94
Stand: EL 05 – ET: 03/2010
Die Konkretisierungserfordernisse werden im Schrifttum in Frage gestellt und als Sonderrecht für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen und Überobjektivierung bezeichnet (vgl. z. B. Bäcker, R. M. 1995, S. 503ff.; Bordewin, A. 1992a, S. 1097; Crezelius, G. 1992, S. 1353; GEFIU 1993, S. 1530; ablehnend auch Frenz, W. 1997, S. 37; Kessler, H. 1996, S. 1228; Stuhr, H.-J./Bock, M. 1995, S. 1134). Andererseits ist unbestritten, dass eine ausreichende Konkretisierung gegeben sein muss, um allg. gehaltene Regelungen von einer Verpflichtung im eigentlichen Sinn abgrenzen zu können. Damit wird noch kein Sonderrecht für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen geschaffen, sondern sichergestellt, dass wirklich eine Verbindl. "gegenüber einem Dritten", nämlich dem Staat, vorliegt. Die Kriterien des BFH konkretisieren somit eine Voraussetzung, die auch bei privatrechtlichen Verbindl. erfüllt sein muss. Der BFH räumt allerdings zu Recht ein, dass die bisherigen Kriterien zur hinreichenden Konkretisierung an einzelnen Fallgruppen entwickelt worden sind, nämlich den Pflichten zur Erstellung und Prüfung des JA und zuletzt den Kosten für rückständige Bufü-Arbeiten sowie den Rekultivierungs- und Abbruchpflichten. Er lässt aber offen, ob eine Präzisierung oder Fortentwicklung notwendig ist.
Rn. 95
Stand: EL 05 – ET: 03/2010
Zwar deckt die neuere Rspr. nunmehr die Fallgruppen "Altlasten", "Entsorgung" und "Anpassungsverpflichtungen" ab. Doch liegt mit der Vielzahl der Umweltschutzvorschriften und -auflagen ein breites Feld von konkreten Verhaltenspflichten vor, die eine Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte erfassen. JA- und Prüfungspflichten sind kfr. angelegt (auch wenn sie sich wiederholen), klar geregelt und vom Umfang her überschaubar. Rekultivierungsverpflichtungen hängen mit den gegenwärtigen Aktivitäten des UN zusammen, sind ebenfalls meist klar geregelt und die Art der Erfüllung ist konkret. Demgegenüber reichen Umweltschutzverpflichtungen teilw. weit in die Vergangenheit des UN oder eines Vorgängers zurück, teilw. reichen sie in die unternehmerische Planung der Zukunft hinein, sie beinhalten Verpflichtungen zum Handeln, aber auch zum Unterlassen, die Anforderungen sind z. T. ungewiss und die Verpflichtung kann auch intern ohne Kenntnis externer Stellen erfüllt werden. Oft ist der Verursacher nicht sofort feststellbar, häufig ist das öffentliche Interesse zu berücksichtigen. Dies sollte im Hinblick auf die Konkretisierungsvoraussetzungen des BFH zu folgenden Lockerungen führen:
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Dem Anspruch des Gläubigers entspricht bei der privatrechtlichen Verbindl. die Handlungspflicht des Schuldners. Sie muss so umrissen sein, dass der Schuldner in allg. Weise weiß, was er zu tun hat. Wie er den Anspruch i. E. erfüllt, ist dann Sache des Einzelfalls. Dementsprechend kann bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen ein bestimmtes Handeln i. S. d. herbeizuführenden Erfolgs verlangt werden, nicht aber ein "genau" bestimmtes Handeln. Gerade bei Umweltschutzverpflichtungen gehen die Meinungen über die sachgerechte Maßnahme und den angemessenen Umfang sehr weit auseinander, häufig gibt es auch mehrere Möglichkeiten oder Änderungen beim Stand der Technik. Eine konkrete Handlungspflicht in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt muss ausreichen (ebenso Bordewin, A. 1992a, S. 1097; Herzig, N. 1990, S. 1345f.; vgl. auch Moxter, A. 2001, S. 569). |
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Ein bestimmter Zeitraum für das Handeln passt ebenfalls nicht zum Charakter der Umweltschutzrü... |