Rn. 1
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Die Möglichkeit der Herbeiführung einer Sonderprüfung ist als Minderheitenrecht (vgl. § 258 Abs. 2 AktG) ausgestaltet (vgl. ebenso Frey, WPg 1966, S. 633; Kupsch, WPg 1989, S. 517 (518); Voss, in: FS Münstermann (1969), S. 445 (446)). Die jeweils erforderlichen Quoten für die Ausübung von diesen Minderheitenrechten sind seit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005 (BGBl. I 2005, S. 2802ff.) einheitlich geregelt (vgl. §§ 142 Abs. 2, 258 Abs. 2 AktG). Die Sonderprüfung nach §§ 258ff. AktG kann bereits durch Aktionäre, die (zusammen) zu mindestens 1 % am Grundkap. beteiligt sind oder einen anteiligen Betrag von 100 TEUR erreichen, initiiert werden. Durch das Sonderprüfungsverfahren wird der rechtliche Bestand des betroffenen JA nicht berührt (vgl. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 3; AktG-GroßKomm. (2021), § 258, Rn. 1; KK-AktG (2017), § 258, Rn. 4). Etwaige – nach Auffassung des Sonderprüfers oder des Gerichts – unterbewertete Posten sind in laufender Rechnung erst nach Abschluss des Sonderprüfungsverfahrens in den nächsten aufzustellenden JA aufzunehmen.
Rn. 2
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Die Überprüfung von Wertansätzen und Angaben im JA erfolgt grds. i. R.d. JA-Prüfung. Neben der JA-Prüfung hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Sonderprüfung nach den §§ 258ff. AktG eröffnet. Der Rechtsbehelf nach § 258 AktG steht den Aktionären im Fall von Unterbewertungen oder Verstößen gegen die Berichtspflichten im Anhang zur Verfügung. Die Sonderprüfung steht neben der Anfechtung des von der HV festgestellten JA nach § 257 AktG (vgl. KK-AktG (2017), § 258, Rn. 10) und dem Tatbestand der Nichtigkeit des JA nach § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG (vgl. ADS (1997), § 258, Rn. 4) im Fall von Unterbewertungen, durch die die VFE-Lage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird (vgl. ADS (1997), § 258, Rn. 2). Allerdings reicht für die Einleitung des Sonderprüfungsverfahrens nach § 258 AktG bereits jede nicht unwesentliche Unterbewertung unabhängig davon, ob diese durch vorsätzliches Verhalten herbeigeführt wurde oder nicht (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 3). Demgegenüber kommt eine Nichtigkeit des JA nach § 256 Abs. 5 AktG nur bei vorsätzlichem Verhalten (mindestens bedingter Vorsatz) in Betracht (vgl. ADS (1997), § 256 AktG, Rn. 52; BGH, Urteil vom 15.11.1993, II ZR 235/92, BGHZ 124, S. 111 (120)).
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll, wenn im Fall von Unterbewertungen die Voraussetzungen für die Nichtigkeit des JA gemäß § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG vorliegen, eine Sonderprüfung nicht in Betracht kommen. Die Sonderprüfung bezieht sich nämlich auf den (wirksam) festgestellten JA; dies bedeutet, dass Gegenstand der Sonderprüfung ein JA ist, der nicht mit einem zur Nichtigkeit führenden bilanzrechtlichen Mangel behaftet ist (vgl. ebenso ADS (1997), § 258, Rn. 4). Liegt somit eine zur Nichtigkeit führende Unterbewertung vor, so ist eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit (vgl. § 256 Abs. 7 AktG) zwar grds. vorrangig (vgl. MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 65; zur denkbaren Konstellation eines Nebeneinanders von Sonderprüfungsverfahren nach § 258 AktG und Nichtigkeitsklage KK-AktG (2017), § 258, Rn. 9; ferner eingehend Claussen, in: FS Barz (1974), S. 317 (319)), gleichwohl wird in der Praxis die Bestellung eines Sonderprüfers nicht daran scheitern, dass das Gericht den JA für nichtig hält. Grund dafür ist, dass die Nichtigkeit nach § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG nicht innerhalb der Frist des § 258 Abs. 2 Satz 1 AktG feststellbar sein dürfte, so dass das Gericht, um dem Antragsteller nicht die Rechtsposition der Sonderprüfung möglicherweise zu Unrecht zu nehmen, den Antrag nicht deswegen zurückweisen wird, weil es den JA wegen vorsätzlicher Unterbewertung für nichtig hält (vgl. ADS (1997), § 258, Rn. 4; Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 2).
Rn. 3
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Im Verhältnis zu § 142 AktG ist die Sonderprüfung nach § 258 AktG das speziellere Instrument (vgl. § 142 Abs. 3 AktG). Soweit Vorgänge, die auch von § 142 Abs. 1 AktG erfasst würden, Gegenstand einer Sonderprüfung nach § 258 AktG sind, scheidet eine Sonderprüfung nach § 142 AktG aus (vgl. LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23.02.2016, 3–16 O 2/15, NZG 2016, S. 830 (831); ebenso ADS (1997), § 258, Rn. 4; Grigoleit-AktG (2020), § 258, Rn. 1; Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 2; MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 66).
Rn. 4
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Neben dem Recht auf Durchführung einer Sonderprüfung nach § 258 AktG steht selbständig das Auskunftsrecht des einzelnen Aktionärs gemäß § 131 AktG (vgl. KK-AktG (2017), § 258, Rn. 11). Dies gilt etwa dann, wenn das Sonderprüfungsverfahren auf mangelhafte Angaben im Anhang zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (vgl. § 284 Abs. 2 Nr. 1) gestützt wird (vgl. §§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5, 132 AktG). Hinsichtlich der Angaben im Anhang stellt § 258 Abs. 1 Satz 3 AktG überdies einen funktionalen Zusammenhang zwischen...