Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
Rn. 9
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Gemäß § 243 Abs. 1 ist der JA "nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen." Die GoB bilden den Rahmen, der bei der Erstellung des JA eingehalten werden muss, damit der JA ordnungsgemäß i. S. v. gesetzmäßig ist (vgl. HdJ, Abt. I/2 (2010), Rn. 7).
Rn. 10
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
So oft die GoB zur Begründung praktischen Vorgehens bei der Erstellung und Prüfung des JA, für die Argumentation und Gegenargumentation bei der Auslegung spezieller RL-Vorschriften etc. verwendet werden, so wenig sind sie allg.-gültig definiert und systematisiert (vgl. HdR-E, HGB § 243, Rn. 1ff.; Ballwieser (1987), S. 3 (9ff.); Leffson (1987), S. 19, 145ff.). Zwar lässt sich feststellen, dass die GoB im Zusammenhang mit dem Ansatz, der Bewertung und dem Ausweis im JA stehen (vgl. HdR-E, HGB § 243, Rn. 4); die Zuordnung der GoB zu diesen drei Verwendungsrichtungen ist aber nicht überschneidungsfrei. So wirkt sich z. B. das allg. Postulat der Vorsicht sowohl auf den Bilanzansatz als auch auf die Bewertung aus.
Rn. 11
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Die in § 252 Abs. 1 aufgeführten allg. Bewertungsgrundsätze stellen nach ihrem Inhalt (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 30ff.) und bisheriger Einstufung in der Literatur (vgl. Baetge (1987), S. 131; Leffson (1987), S. 27; Herber, BB 1982, S. 959 (966); WP-HB (2021), Rn. F 82; ADS (1968), § 149 AktG, Rn. 64ff.; a. A. bezüglich der GoB-Eigenschaft des Stetigkeitsgebots u. a. Göllert/Ringling (1986), S. 12f.; Kammers (1988), S. 32ff.; ADS (1968), § 149 AktG, Rn. 29; ADS (1995), § 252, Rn. 1; BT-Drs. 10/317, S. 87 (zu § 259 HGB-E)) GoB dar, die sich (v.a., aber nicht nur) auf die Bewertung erstrecken (vgl. Müller, in: FS Goerdeler (1987), S. 397 (403); Beck-HdR, B 161 (2011), Rn. 1, 5). Anders als Art. 31 der 4. EG-R, der noch unter der Überschrift "Bewertungsregeln" angeordnet war, ist Art. 6 der Bilanz-R mit der Überschrift "Allgemeine Grundsätze für die Rechnungslegung" auch weiter gefasst (in Art. 6 Abs. 1 heißt es einleitend zudem: "werden gemäß folgenden allgemeinen Grundsätzen angesetzt und bewertet"). Obwohl Teilelemente des Art. 6 auch in anderen Paragrafen des HGB ihre Umsetzung erfahren, reichen die Wirkungen des § 252 Abs. 1 vor dem Hintergrund der Bilanz-R dennoch über die Bewertung hinaus. Eine entsprechend weiterreichende Interpretation ergibt sich z. B. bei dem in § 252 Abs. 1 Nr. 5 genannten Grundsatz zahlungsunabhängiger Periodenzuordnung von Aufwendungen und Erträgen. Er betrifft auch den Ansatz bzw. die Bilanzierung im JA generell (vgl. Beck-HdR, B 161 (2011), Rn. 6). Ähnliches gilt für den in § 252 Abs. 1 Nr. 4 enthaltenen Grundsatz der Vorsicht, wenn er nicht in enger Auslegung ausschließlich auf die Bewertung beschränkt wird (vgl. zum Verständnis der Vorsicht als allg. Postulat sowie zum Vorsichtsprinzip bei der Entscheidung zwischen Schätzgrößen Leffson (1987), S. 465ff., und HdR-E, HGB § 252, Rn. 20ff., 75ff.). Die Erfassung nur realisierter Gewinne berührt teilweise auch den Bilanzansatz (vgl. Beck-HdR, B 161 (2011), Rn. 7); das Imparitätsprinzip betrifft außer der Bewertung auch die Frage der Passivierung von Rückstellungen (vgl. Müller, in: FS Goerdeler (1987), S. 397 (403)).
Rn. 12
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Die in § 252 Abs. 1 aufgelisteten allg. Bewertungsgrundsätze stellen keineswegs vollständig die auf die Bewertung ausgerichteten GoB dar (vgl. u. a. ADS (1995), § 252, Rn. 124ff.). Der Gesetzgeber hebt lediglich einige der GoB hervor. Das kommt in der Formulierung des § 252 Abs. 1 zum Ausdruck: "Bei der Bewertung [...] gilt insbesondere folgendes". Die Verbindung mit der Überschrift des § 252 "Allgemeine Bewertungsgrundsätze" zeigt, dass von den bestehenden Bewertungsgrundsätzen die in Nr. 1–6 aufgeführten insbesondere zu beachten sind (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 1). Daneben bestehen weitere, u. a. der Grundsatz der Methodenbestimmtheit der Bewertung (vgl. ADS (1995), § 252, Rn. 124f.; Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 67), der Grundsatz der Wesentlichkeit (vgl. ADS (1995), § 252, Rn. 127f.; Leffson (1987), S. 182ff.; Beck-HdR, B 161 (2011), Rn. 46ff.), der Grundsatz der Einheitlichkeit der Bewertung (vgl. Selchert, WPg 1983, S. 447ff.; Wohlgemuth, in: FS v. Wysocki (1985), S. 45ff.) und der Grundsatz der Willkürfreiheit der Bewertung (vgl. ADS (1995), § 252, Rn. 126; Leffson (1987), S. 202ff.; Beck Bil-Komm. (2020), § 252 HGB, Rn. 68f.).
Rn. 13
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Die in § 252 Abs. 1 Nr. 1–6 aufgeführten Bewertungsgrundsätze wurden auch schon vor ihrer Kodifizierung als GoB betrachtet (vgl. ADS (1968), § 149 AktG, Rn. 64ff.; Herber, BB 1982, S. 959 (966); zudem die RegB zu § 259 HGB-E (BT-Drs. 10/317, S. 87): "In weitem Umfange sind sie [...] heute schon Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung"). Aus der Gültigkeit der in § 252 Abs. 1 Nr. 1–6 aufgeführten Bewertungsgrundsätze bereits vor Inkrafttreten des BiRiLiG zu schließen, durch die Kodifizierung sei keine Änderung in der zuvor bestandenen Rechtssituation...