Rn. 11

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Für das Vorliegen eines BHV kommt es weniger auf seine Bezeichnung als solchen, als vielmehr auf seinen Inhalt an, nämlich die Unterstellung der Leitung eines UN unter die Leitung eines anderen UN (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 11, Rn. 12; KK-AktG (2004), § 291, Rn. 56; Beck AG-HB (2018), § 15, Rn. 107). Bedeutung erlangt die Bezeichnung erst bei der Eintragung des UN-Vertrags in das Handelsregister; dann verlangt § 294 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass die Art des Vertrags genannt, der UN-Vertrag also nach einer der Vertragskategorien des § 291 Abs. 1 oder § 292 Abs. 1 AktG bezeichnet wird (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 16, Rn. 9, 49).

 

Rn. 12

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Der Begriff der Leitung entspricht dem des § 76 Abs. 1 AktG und ist damit auf den Kompetenzbereich des Vorstands beschränkt. Damit fallen die zentralen Leitungsfunktionen, wie die UN-Planung, die Koordination der unternehmerischen Tätigkeit des UN, die Festlegung der Organisation, die Kontrolle über die Durchführung der Geschäfte und die Besetzung von Führungspositionen, in den Regelungsbereich eines BHV (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 78; Emmerich/Habersack (2020), § 11, Rn. 11; Hüffer-AktG (2022), § 291, Rn. 10; KK-AktG (2004), § 291, Rn. 20; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 78).

 

Rn. 13

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

An der Formulierung "einem anderen UN unterstellt" wird deutlich, dass das TU einen Teil seiner Rechte an das MU abgibt. Hierunter fällt die Vorstandskompetenz, nämlich das UN ­unter eigener Verantwortung zu leiten. Das MU darf ein umfassendes unternehmerisches Zielkonzept entwickeln und verfolgen. Zudem erhält es gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG zu dessen Durchsetzung ein Weisungsrecht gegenüber dem TU (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1987, II ZR 170/87, NJW 1988, S. 1327; Emmerich/Habersack (2020), § 11, Rn. 2). ­Dieses reicht gemäß § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG sogar so weit, dass die Weisungen zu befolgen sind, die für das TU nachteilig sind, solange sie den Belangen des herrschenden UN oder der mit ihm und dem TU konzernverbundenen UN dienen (vgl. Grobecker, DStR 2002, S. 1953; KK-AktG (2004), § 291, Rn. 22; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 83f.). Seine Grenze findet das Weisungsrecht dann, wenn die mit der Weisung verbundenen Nachteile außer Verhältnis zu den Vorteilen für den Konzernverbund stehen; unzulässig sind nach h. M. auch existenzgefährdende Weisungen, denn der Gesetzgeber setzt in den §§ 302305 AktG offenkundig ­voraus, dass das TU trotz BHV fortbesteht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluß vom 07.06.1990, 19 W 13/86, AG 1990, S. 492; Emmerich/Habersack (2020), § 23, Rn. 41ff.; Hüffer-AktG (2022), § 308, Rn. 19; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 84). Das Weisungsrecht des herrschenden UN ist das maßgebliche Kriterium für die Abgrenzung des BHV von anderen UN-Verträgen (vgl. KK-AktG (2004), § 291, Rn. 22; HB-GesR (2020/IV), § 71, Rn. 6).

 

Rn. 14

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Der BHV führt nicht dazu, dass das Vermögen des beherrschten UN zum Vermögen des herrschenden wird; vielmehr bleibt es für das MU fremd. Das herrschende UN trifft dafür aber gleichwohl eine Schutz- und Fürsorgepflicht, die sich aus dem BHV ergibt. In diesem Zusammenhang steht auch die Regelung des § 309 Abs. 1 AktG, die von den gesetzlichen Vertretern des herrschenden UN gegenüber dem beherrschten UN bei der Erteilung von Weisungen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verlangt. Bei einer Pflichtverletzung sind das MU und gemäß § 309 Abs. 1f. AktG dessen gesetzliche Vertreter dem TU zum Schadensersatz verpflichtet. Ebenso macht sich das TU gegenüber dem MU haftbar, sofern es bei dem MU durch eine Verletzung des BHV einen Schaden verursacht (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 11, Rn. 23).

 

Rn. 15

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Wie für jeden Vertrag gilt auch für den BHV der Grundsatz der Privatautonomie, soweit Rechte von Minderheitsgesellschaftern oder Gläubigern des TU nicht beeinträchtigt werden (vgl. so MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 31ff.; Grobecker, DStR 2002, S. 1953 (1955); BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 41; a. A. KK-AktG (2004), § 291, Rn. 49), so dass die Parteien das Weisungsrecht grds. nach ihren Bedürfnissen ausgestalten können. Möglich ist nach § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG eine Beschränkung des Weisungsrechts durch den Ausschluss nachteiliger Weisungen. Zulässig ist außerdem – obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt – der Abschluss eines sog. Teil-BHV, durch den nur einzelne und nicht alle Leitungsfunktionen auf das herrschende UN übertragen werden. Durch diese Abrede wird von den Schutzvorschriften des Gesetzes zugunsten des Geschützten abgewichen, was immer erlaubt ist (vgl. HB-GesR (2020/IV), § 71, Rn. 5; Beck AktG-Komm (2022), § 291 AktG, Rn. 92f.). Von diesen Teil-BHV zu unterscheiden sind Verträge, in denen zwar keine Weisungsrechte, aber Zustimmungs- bzw. Vetorechte für ein UN festgeschrieben werden. Verträge, die durch derartige Gestaltungen in ihrer Wirkung einem BHV nahekommen, dessen geset...

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