Prof. Dr. Christoph Hütten, Prof. Dr. Peter C. Lorson
Rn. 45
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die Bilanzgliederung des § 266 folgt nicht konsequent einem einzelnen Gliederungskriterium, sondern berücksichtigt verschiedene Gesichtspunkte:
- Art der VG bzw. Schulden (z. B. Verbindlichkeiten versus Rückstellungen);
- Dauer der voraussichtlichen Zugehörigkeit zum UN (z. B. Wertpapiere des AV versus Wertpapiere des UV);
- Verflechtungen mit Kontrahenten (z. B. Forderungen gegen verbundene UN versus Forderungen gegen UN, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht).
Durch diese Mischung von Gliederungskriterien können einzelne VG und Schulden zu mehreren Bilanzposten gehören. Beispiele für solche mehrfachen Zugehörigkeiten sind:
- Forderungen aus LuL gegenüber verbundenen UN;
- VG, die das bilanzierende UN sowohl zur Herstellung anderer Produkte einsetzt (RHB) als auch unverändert vertreibt (fertige Erzeugnisse und Waren);
- Verbindlichkeiten aus LuL, für die ein Wechsel akzeptiert wurde.
Rn. 46
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
In solchen Fällen der mehrfachen Zugehörigkeit muss das bilanzierende UN jeweils entscheiden, unter welchem Posten der Ausweis erfolgt. Wie diese Entscheidung zu fällen ist, regelt das Gesetz nicht. Damit besteht grds. ein Wahlrecht, das lediglich eingeschränkt ist, wenn seine Ausübung dazu führt, dass die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bilds beeinträchtigt wird. Dies ist dann der Fall, wenn der VG bzw. die Schuld wesentlich ist und die Zugehörigkeit zu einem Posten deutlich stärker ausgeprägt ist als zu dem bzw. den anderen Posten. Von einer solchen stärkeren Zugehörigkeit ist nach hier vertretener Ansicht jedoch nicht grds. auszugehen, wenn Forderungen bzw. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen UN bzw. gegenüber UN, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, betroffen sind. Anders als noch das AktG 1965 (vgl. Kropff (1965), S. 224) enthält das HGB keine Aussage zum Ausweis solcher Forderungen und Verbindlichkeiten bei mehrfacher Zugehörigkeit. Daher ist auch hier von einem Wahlrecht auszugehen (vgl. mit a. A. ADS (1997), § 265, Rn. 44).
Rn. 47
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Fraglich ist, ob neben den unter HdR-E, HGB § 265, Rn. 45, beschriebenen Fällen auch dann eine mehrfache Zugehörigkeit i. S. d. § 265 Abs. 3 vorliegt, wenn für einen VG bzw. eine Schuld nicht eindeutig feststeht, unter welchem Bilanzposten der Ausweis erfolgen soll. Dies ist bspw. der Fall, wenn
- für einen VG zweifelhaft ist, ob er nach § 247 Abs. 3 zum AV oder UV zu rechnen ist;
- zweifelhaft ist, ob Anteile an einem anderen UN nach § 271 Abs. 1 als Beteiligung einzustufen sind.
Nach hier vertretener Ansicht fallen solche Fälle nicht in den Anwendungsbereich des § 265 Abs. 3 Satz 1 (vgl. ähnlich ADS (1997), § 265, Rn. 40; a. A. offensichtlich Beck Bil-Komm. (2020), § 265 HGB, Rn. 9), da hier keine mehrfache, sondern eine zweifelhafte Zugehörigkeit vorliegt.
Rn. 48
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Seinem Wortlaut nach bezieht sich § 265 Abs. 3 Satz 1 allein auf die Bilanz. Es ist trotzdem strittig, ob von einer analogen Anwendung auf die GuV auszugehen ist (vgl. so z. B. Beck Bil-Komm. (2020), § 265 HGB, Rn. 9; a. A. ADS (1997), § 265, Rn. 41). Von einer solchen Anwendbarkeit ist nach hier vertretener Ansicht nicht auszugehen, da Fälle einer
- mehrfachen Zugehörigkeit für GuV-Posten nicht gegeben sind;
- zweifelhaften Zugehörigkeit zwar vorkommen (z. B. Ausweis negativer Zinsen als Abzug im Posten "[S]onstige Zinsen und ähnliche Erträge" oder im Posten "Zinsen und ähnliche Aufwendungen"), jedoch nicht in den Anwendungsbereich des § 265 Abs. 3 fallen (vgl. HdR-E, HGB § 265, Rn. 47).
Rn. 49
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Angesichts der Einschränkung des Anwendungsbereichs laut Gesetzeswortlaut auf die Bilanz stellt sich auch die Frage, ob § 265 Abs. 3 in den Fällen anzuwenden ist, in denen Bilanzposten in Ausnutzung entsprechender Wahlrechte (z. B. § 265 Abs. 7) in den Anhang verlagert werden. Nach hier vertretener Ansicht sind auch bei solchen sog. Wahlpflichtangaben Angaben nach § 265 Abs. 3 Satz 1 zu machen, da die Verlagerung in den Anhang als reines Ausweiswahlrecht keine Verringerung der Informationsfülle mit sich bringen darf.