Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
Rn. 88
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die höchstrichterliche Rspr., und zwar sowohl die Finanz- als auch die Strafgerichtsbarkeit, hat in etlichen Entscheidungsfällen ihre Auffassung zur zulässigen Dauer der Aufstellungsfrist dargelegt. Die Urteile bieten jedoch ein wenig einheitliches Bild:
Der BFH hat sich nicht auf eine bestimmte Frist festgelegt, sondern im Einzelfall einen Aufstellungszeitraum von fünf (vgl. BFH, Urteil vom 05.03.1965, VI 154/63, BStBl. III 1965, S. 285f.), zweieinhalb (vgl. BFH, Urteil vom 12.12.1972, VIII R 112/69, BStBl. II 1973, S. 555ff.) und zwei Jahren (vgl. BFH, Urteil vom 25.04.1978, VIII R 96/75, BStBl. II 1978, S. 525f.) jeweils für nicht fristgerecht, eine Aufstellung innerhalb von zehn Monaten hingegen für rechtzeitig erachtet (vgl. BFH, Urteil vom 22.06.1967, IV 172/63, BStBl. II 1968, S. 5ff.). In "neueren" Urteilen tendiert der BFH zu einer Höchstfrist von einem Jahr (vgl. BFH, Urteil vom 25.04.1978, VIII R 96/75, BStBl. II 1978, S. 525f.; BFH, Urteil vom 28.10.1981, I R 115/78, BStBl. II 1982, S. 485ff.; BFH, Urteil vom 06.12.1983, VIII R 110/79, BStBl. II 1984, S. 227ff.; BFH, Urteil vom 08.03.1989, X R 9/89, BStBl. II 1989, S. 714ff.; BFH, Urteil vom 03.07.1991, X R 163 – 164/87, BStBl. II 1991, S. 802ff.).
Der BGH und das BVerfG setzen eine erheblich kürzere Frist. Der BGH betrachtet in der Krisensituation von UN eine Frist von sieben Monaten als zu lang (vgl. BGH, Urteil vom 09.12.1954, 3 StR 198/54, BB 1955, S. 109) und sieht in diesen Fällen in ständiger Rspr. die unverzügliche Aufstellung des JA in acht bis zwölf Wochen nach dem Abschlussstichtag als ordnungsgemäß an (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.1956, 4 StR 409/55, GA 1956, S. 348, 356f.); BGH, Urteil vom 31.01.1961, 1 StR 463/60, GA 1961, S. 359; BGH-Urteil vom 13.11.1966, VII ZR 134/65, JZ 1969, S. 114; BGH, Urteil vom 23.08.1978, 3 StR 11/78, JZ 1979, S. 75ff.; BGH, Urteil vom 20.12.1978, 3 StR 408/78, NJW 1979, S. 1418). Dabei versteht der BGH (Urteil vom 28.01.1985, II ZR 79/84, BB 1985, S. 567) unter dem "aufgestellten JA" nicht den endgültig festgestellten, sondern nur einen vorläufigen Abschluss, in dem sich noch Änderungen ergeben können, ähnlich dem handelsrechtlichen JA, der dem AP nach drei Monaten vorzulegen ist (vgl. auch Rose, DB 1974, S. 1031 (1032f.)). In zwei Fällen wurde eine Frist von zehn Wochen nach dem Abschlussstichtag als zu lang bezeichnet, da mit der Vorbereitung der Abschlussarbeiten noch nicht begonnen worden war (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.1956, 4 StR 409/55, GA 1956, S. 348 (357); BGH, Urteil vom 28.10.1969, 1 StR 243/69, GA 1971, S. 38). Das BVerfG bestätigte die Ordnungsmäßigkeit einer Frist von zwei bis drei Monaten und wies darauf hin, dass außerhalb einer Krise des UN im Einzelfall durchaus eine längere Frist zur Aufstellung des JA zulässig sei (vgl. BVerfG, Beschluß vom 15.03.1978, 2 BvR 927/76, BB 1978, S. 572f.).
Die in den Urteilen angegebenen unterschiedlichen Fristen resultieren aus der Konkretisierung der Aufstellungsfrist anhand von unterschiedlichen Zwecken, für die der JA im Einzelfall benötigt wird. In den unterschiedlichen Fristen kommen die divergierenden steuer-, handels- und strafrechtlichen Zwecke zum Ausdruck, ohne dass allerdings darauf immer explizit hingewiesen worden ist.