Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
1. Klare Bezeichnungen
Rn. 47
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Damit wirtschaftliche Sachverhalte, die im JA abgebildet werden, für Empfänger eindeutig, verständlich und nachvollziehbar sind, müssen Aussagen und Inhalt in einer eindeutigen Beziehung zueinander stehen. Das bedeutet, dass die Posten der Bilanz und GuV unter unmissverständlichen Bezeichnungen ausgewiesen werden müssen, so dass der Leser dieser Bezeichnungen zweifelsfrei auf die Art der zugrunde liegenden, aggregierten Geschäftsvorfälle schließen kann. Aus dieser Überlegung ergeben sich vier konkrete Forderungen, ohne deren Erfüllung dem GoB der Klarheit nicht entsprochen werden kann (vgl. Leffson (1987), S. 210ff.; Federmann/Müller (2018), S. 180f.):
(1) |
Verwendung sachlich zutreffender Bezeichnungen; |
(2) |
Verwendung gleicher Bezeichnungen für gleiche Sachverhalte
- innerhalb des JA einer Rechnungsperiode,
- in den JA aufeinander folgender Rechnungsperioden;
|
(3) |
Verwendung verschiedener Bezeichnungen für unterschiedliche Sachverhalte; |
(4) |
Bestimmtheit der verwendeten Bezeichnungen. |
Rn. 48
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Zu (1): Die Forderung nach Verwendung sachlich zutreffender Bezeichnungen ist eine Grundbedingung für jede zweckgerechte RL. Eine zutreffende Kontierung und Postenzuordnung wird schon durch die §§ 238 Abs. 1, 239 Abs. 2 verlangt. Werden sachlich unzutreffende Bezeichnungen für JA-Posten verwendet, so ist dies nicht nur als Verstoß gegen das Gebot der (formalen) Klarheit zu werten, sondern zugleich als ein Bruch des Grundsatzes der (materiellen) Richtigkeit (vgl. Leffson (1987), S. 201, 211). Denn: JA-Zahlen sind wertlos, wenn ein Leser sie auf falsche Sachverhalte bezieht (vgl. ähnlich ADS (1995), § 243, Rn. 33; Bonner HGB-Komm. (2018), § 243, Rn. 90f.; zudem §§ 246f.).
Rn. 49
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Zu (2): Die Forderung nach Verwendung gleicher Bezeichnungen für gleiche Sachverhalte besagt, dass Sachverhalte, die i.W. die gleichen Merkmale (z. B. Liquidierbarkeit, Rechtsnatur, Fristigkeit, Bestimmungszweck, Risikograd) besitzen, unter dem gleichen Posten zusammengefasst werden müssen (vgl. auch die Erläuterungen zur Gliederung unter HdR-E, HGB § 243, Rn. 53ff.). Unter der gleichen Bezeichnung dürfen keine Sachverhalte ausgewiesen werden, die sich in wesentlichen Punkten unterscheiden, sonst kann von einer klaren RL nicht mehr die Rede sein. Unstreitig ist dies für die Sachverhalte, die im JA einer Rechnungsperiode zusammengefasst werden. Umstritten war früher, ob auch UN, die keine speziellen Gliederungsvorschriften befolgen müssen, verpflichtet sind, bei annähernd gleichen Sachverhalten in aufeinander folgenden JA die gleichen Bezeichnungen dafür beizubehalten. Für KapG und diesen gleichgestellten Gesellschaften ist dieser Grundsatz der Ausweisstetigkeit explizit in § 265 Abs. 1 kodifiziert worden. Nicht-KapG und PersG, die nicht unter § 264a zu subsumieren sind, haben nach § 247 Abs. 1 die Bilanzpostengruppen "hinreichend aufzugliedern" und müssen nach § 238 Abs. 1 einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Lage des UN vermitteln. Dieser Anspruch lässt sich nur erfüllen, wenn annähernd gleiche Sachverhalte auch in aufeinander folgenden JA gleich bezeichnet werden (vgl. ebenso Beck Bil-Komm. (2020), § 243 HGB, Rn. 57).
Dasselbe gilt grds. auch für die Beibehaltung einer einmal gewählten Gliederung (vgl. ebenso Beck Bil-Komm. (2020), § 243 HGB, Rn. 58; HdR-E, HGB § 243, Rn. 53ff.). Leffson ((1987), S. 433) ordnet die formale Stetigkeit dem Grundsatz der Klarheit unter, der als allg. verbindlicher GoB unbestritten ist. Ebenso ist Schneider ((1980), S. 81 (93f.)) der Meinung, dass hinsichtlich der Vergleichbarkeit und Aussagefähigkeit von JA auf Ausweiskontinuität auch bei Nicht-KapG nicht verzichtet werden kann.
Rn. 50
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Zu (3): Die Forderung nach Verwendung verschiedener Bezeichnungen für unterschiedliche Sachverhalte stellt die logische Ergänzung der zweiten Forderung dar. Aus dem Gesetz lässt sich das Verbot der Zusammenfassung wesensverschiedener Sachverhalte zweifach begründen: Zum einen verbietet § 246 Abs. 2 Satz 1 grds. die Verrechnung von Aktiv- und Passivposten in der Bilanz sowie von Aufwendungen und Erträgen in der GuV (vgl. ADS (1995), § 243, Rn. 25; Castan (1990), S. 138; Beck Bil-Komm. (2020), § 243 HGB, Rn. 60). Zum anderen verlangt § 247 Abs. 1 den gesonderten Ausweis bestimmter Bilanzpostengruppen. Beide Vorschriften verlangen zwar keine so detaillierte Gliederung wie § 266 für die Bilanz der KapG und einer gleichgestellten Gesellschaft bzw. wie § 275 für deren GuV, aber das Grundprinzip der differenzierten Bezeichnung verschiedener Sachverhalte ist deutlich darin enthalten. Im HGB ist diese Forderung indes nicht stets beachtet worden (vgl. v.a. HdR-E, HGB § 243, Rn. 65).
Rn. 51
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Zu (4): Mit dem Postulat der Bestimmtheit der verwendeten Bezeichnungen wird verlangt, ungewöhnliche, verkürzte, unbestimmte und dadurch unverständliche Bezeichnungen zu vermeiden. Obwohl...